Veröffentlicht am 2020-04-01 In Kolumne - Carlos Barrio y Lipperheide, Solidarisches Liebesbündnis in Zeiten von Coronavirus, Themen - Meinungen

Unternehmerische Herausforderungen in Zusammenhang mit dem Coronavirus

ARGENTINIEN, Carlos Barrio e Lipperheide •

Wir leben in einer noch nie dagewesenen Weltrealität, einer Situation, in der wir alle lernen und nach Wegen suchen, um vorwärts zu kommen, inmitten vieler Unsicherheiten und unbeantworteter Fragen.—

Wir alle stehen unter Schock, spüren Angst und Orientierungslosigkeit. Wir wissen nicht, wann und wie wir diese Situation bewältigen werden, aber was wir wissen, ist, dass wir einen Ausweg finden und die Pandemie überwinden müssen.

Sicherlich wird die Welt danach nicht mehr dieselbe sein, und wir alle werden viele Dinge gelernt haben. Angesichts dieser Situation stellen sich Fragen, die ich mit Ihnen teilen möchte, damit wir uns aus dieser Haltung des gegenseitigen Infragestellens heraus begegnen können. Ich frage mich daher, was die größten Herausforderungen und Chancen sind, vor denen Unternehmen und ihre Führungskräfte in diesem Zusammenhang stehen. Was kann unter diesen schwierigen Umständen dazu beitragen, den Aufbau eines produktiven und gleichzeitig menschlichen und organischen Unternehmens voranzutreiben, das angesichts von so viel Zerbrechlichkeit, Angst und Isolation Linderung und Vertrauen schafft?

Sich um die Leute kümmern

Ich (als Unternehmer)  finde, dass die erste der vor uns liegenden Herausforderungen darin besteht, uns um die Menschen, d.h. das Humankapital, zu kümmern, uns vor der Krankheit zu schützen und alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um eine Ansteckung zu vermeiden, sowohl von den Menschen, die im Unternehmen bleiben müssen, als auch von denen, die nach Hause geschickt werden, um von dort aus weiter zu arbeiten.

Dieses Kümmern sollte die emotionalen Aspekte umfassen, sowohl wegen der Zurückgezogenheit als auch wegen der existentiellen Unsicherheit, die durch den Anblick so vieler kranker und toter Menschen verursacht wird.

Die Sorgfalt, mit der das Unternehmen arbeitet, spricht für die Art und Weise, wie es seine Mitarbeiter sieht. Wie schon Watzlawick vorüber 50 Jahren sagte: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“[1] Was wir sagen und tun ebenso wie das, was wir nicht sagen und nicht tun, vermittelt unsere Werte und Überzeugungen. Wir sollten uns dessen immer mehr bewusst sein. Es ist eine gute Gelegenheit, das Gefühl der Wertschätzung, das jeder für das Unternehmen hat, zu verstärken und zu wecken.

Fragen wir uns, wie wir die gegenseitige Fürsorge im Unternehmen kommunizieren, welche Botschaften wir teilen, was wir tun können, um besser für uns selbst zu sorgen.

Verlieren wir nicht aus den Augen, was uns der große katholische Geschäftsmann Enrique Shaw zu sagen pflegte: „Das Unternehmen muss ein Instrument der Menschenwürde sein. Das ‚Klima‘ muss so beschaffen sein, dass es zum Aufstieg des Menschen beiträgt und ihm durch seine Arbeit die besten Möglichkeiten für seine Entwicklung bietet“ [2] Sicherlich gibt es in dieser Hinsicht viel zu tun.

Der wirtschaftliche Effekt

Zweitens gibt es eine sehr starke negative wirtschaftliche Auswirkung auf die Ergebnisse vieler Unternehmen aufgrund des drastischen Rückgangs ihrer Einnahmen.

Die Herausforderung besteht darin, zu versuchen, diesen Effekt abzuschwächen, indem man Kosten reduziert und Phantasie und Kreativität anregt, um neue Geschäftsmöglichkeiten zu schaffen. Der Kontext ist äußerst schwierig, und es scheint, dass man nicht viel machen kann und wir uns in einer Sackgasse befinden.

Die Herausforderung besteht darin, zu versuchen, diesen Effekt abzuschwächen, indem man Kosten reduziert und Phantasie und Kreativität anregt, um neue Geschäftsmöglichkeiten zu schaffen. Der Kontext ist äußerst schwierig, und es scheint, dass man nicht viel machen kann und wir uns in einer Sackgasse befinden.
Ich glaube jedoch, dass wir uns fragen sollten, ob dies nicht eine Gelegenheit für uns ist, unser Bewusstsein zu stärken und zu entdecken, dass, wie Pater Rafael Fernández in Anlehnung an Texte von Pater Kentenich aus den Jahren 1948 – 1950 schreibt, „Arbeit eine von Herzen kommende Teilnahme an der schöpferischen Tätigkeit ist“ und sie uns „zur Selbstgabe, zum Schmieden und Schaffen führen sollte.“[3].

Fragen wir uns, was wir tun können, damit wir uns unter diesen schwierigen Umständen mit unseren Aufgaben vereint fühlen. Was können wir neu dazu beitragen, wacher zu leben und mit dem Wunsch zu gestalten und zu schmieden, in einer Atmosphäre der Distanz, der Ängste und Einschränkungen ? Welche Form finde ich, um mit Herz an der Arbeit teilzunehmen? Ist es möglich, unsere Kreativität in diesem neuen Arbeitskontext wieder zu entdecken? Welche Veränderungen stellen wir uns vor, um erfüllter zu leben? Was kann ich neu schaffen, damit dies geschieht? Das sind schwierige Fragen in sehr schwierigen Zeiten, aber sie versuchen, Türen zu öffnen.

Ich bin überzeugt, dass wir aus dieser Perspektive unsere Arbeit in diesen schwierigen Momenten mit mehr Freude leben können.

Ich meine, dass es trotz allem ein guter Zeitpunkt ist, uns in einer neuen Sicht unserer Arbeit zu stärken. Enrique Shaw sagt: „der Unternehmer muss so viel Freiheit wie möglich geben, damit jeder Mensch Herr seines Handelns sein und seine Persönlichkeit zum Ausdruck bringen kann“ .[4] Lassen Sie uns die aktuellen und außergewöhnlichen Umstände nutzen, um mehr Herr unserer kreativen Freiheit zu werden und unsere authentischste Persönlichkeit auszudrücken, zum gegenseitigen Nutzen und zu größerer Produktivität. Ich glaube, dass diese starken Momente uns dazu aufrufen, diese Überzeugungen zu vertiefen und neue Wege zu finden.

Wenn es uns gelingt, diesen Weg auch nur ein wenig zu öffnen, wird es wahrscheinlich möglich sein, eine bessere Integration zu erreichen, sodass der Arbeiter nicht jemand ist, der „… die Arbeit ausführt, ohne sie als ’seine Arbeit‘ zu betrachten und ohne sich als Person mit ihr und noch weniger mit dem Unternehmen verbunden zu fühlen. Wenn er keine Möglichkeit zur ‚Beteiligung‘ hat, ist es nicht verwunderlich, dass er seine Intelligenz und sein Herz nicht in die Firma einbringt“.[5]

Die negativen Auswirkungen der Wirtschaft auf die Arbeitnehmer

Die Neutralisierung der negativen Auswirkungen der Wirtschaft auf die Arbeitnehmer ist eine weitere Herausforderung, vor der wir stehen. Die Unternehmen ergreifen Maßnahmen zur Lohnkürzung aufgrund des Umsatzrückgangs, was vielen Arbeitnehmern Schwierigkeiten bereitet, ihre laufenden Kosten weiterhin zu bezahlen. In vielen Fällen ist dies aber die einzige Möglichkeit, eine Schließung zu vermeiden, die noch schädlicher wäre.

Ich sehe dies als einen guten Zeitpunkt für uns alle, das aufzubauen, was Kentenich mit der christlichen Soziallehre „Solidarität“ nannte, d.h. „die Verantwortung füreinander und für die Gesamtheit“[6], d.h. eine in die Subsidiarität integrierte Solidarität: solidarisch zu sein mit den gegenseitigen Bedürfnissen und gleichzeitig die gegenseitige Befähigung zu fördern, damit alle Beiträge zum Unternehmen leisten können. Lassen Sie uns solidarisch sein und versuchen, den Bedürfnissen unserer Mitarbeiter mehr Aufmerksamkeit zu schenken, indem wir uns ihnen über die Kommunikationsmittel der sozialen Netzwerke nähern. Lassen Sie uns gleichzeitig unsere Fähigkeit zum subsidiären Handeln entwickeln, indem wir proaktiv alle Aufgaben erfüllen, die wir für das Unternehmen entwickeln können.

Zusammenhalt des Unternehmens

Die vierte Herausforderung, die ich sehe, ist die Stärkung der Verbindungen zwischen allen, die das Unternehmen ausmachen. Die Situation beeinträchtigt unsere Stimmung und bricht den kollektiven Zusammenhalt durch den Verlust der Arbeitsnähe und die Unsicherheit über die Zukunft.

Werden wir inmitten des Sturms Einheit und Motivation aufrechterhalten können? Es ist wichtig, dass wir unsere Kommunikation stärken und gleichzeitig unsere Beziehungen ausbauen.

Die Umstände erfordern, dass wir in der Nähe leben und ein einfühlsames gegenseitiges Zuhören haben. Mehr als Gurus, die uns den Weg weisen, müssen wir einander zuhören, unsere Gefühle und Sorgen leben, uns wertschätzen und uns wertgeschätzt und berücksichtigt fühlen.

Mehr denn je in diesen Tagen der Ungewissheit, in denen sich die geschäftlichen Schwierigkeiten, die Distanz zur Kommunikation und das Gefühl der Vertiefung einer flüchtigen und zerstückelten Welt zu akzentuieren scheinen, finde ich das von Kentenich vorgeschlagene Modell des neuen Menschen erhellend: „Der neue Mensch ist die eigenständige, die beseelte, die entscheidungsfreudige und -willige, die selbstverantwortliche und innerlich freie Persönlichkeit, die sich gleicherweise fern hält von starker Formversklavung und bindungsloser Willkür.” [7]

Lassen Sie uns in diesr Nacht, erleuchtet von diesem neuen Menschen, auf das Meer hinausfahren, zu den neuen Ufern, die uns erwarten.

 

Carlos E. Barrio y Lipperheide
23. März 2020
carlosebarrio@gmail.com

 

Nicht-exklusives Material, Veröffentlichung mit Erlaubnis der Verfassers.

Foto: IStock Getty Images -ID:1212284046, © Ca-ssis, licensed for schoenstatt.org

[1]Spanisch zitiert nach P. Watzlawick, J. Beavin Bavelas y D. D. Jackson “Teoría de la comunicación humana”. (Ed. Herder, 1997), Seite 52.  Deutsch: P. Watzlawick, J. Beavin Bavelas und D. D. Jackson, Pragmatik der menschlichen Kommunikation: eine Studie über Interaktionsmuster, Pathologien und Paradoxien, Bern 1969. Original Englisch: Pragmatics of Human Communication: A Study of Interactional Patterns, Pathologies and Paradoxes, 1967.
[2] Enrique Shaw “… y dominad la tierra. Mensajes de Enrique Shaw”. ACDE (2010), Seite 70.  Enrique Ernesto Shaw, geboren am 26. Februar 1921 in Paris und gestorben am 27. August 1962 in Buenos Aires. Er war ein Laie, Matrose und argentinischer Geschäftsmann, verheiratet mit Cecilia Bunge, Vater von neun KIndern. Er förderte und ermutigte das menschliche Wachstum seiner Arbeiter, indem er sich von der Soziallehre der Kirche inspirieren ließ. Er gründete die Christliche Vereinigung der Wirtschaftsführer (ACDE), eine Einheit, die Teil der Internationalen Vereinigung der Wirtschaftsführer (UNIAPAC) ist, und schrieb zahlreiche Bücher, Broschüren und Konferenzen. Seit 2001 läuft der Seligsprechungsprozess.
[3] José Kentenich, “Desafíos de Nuestro Tiempo”. Editorial Patris, 1985. Textos escogidos del padre Kentenich. “Análisis de nuestro tiempo”, Seite 15. Der Herausgeber des Buches P. Rafael Fernández umschreibt darin mit eigenen Worten Gedankengänge Pater Kentenichs aus den Jahren 1948-1950.
[4] Enrique Shaw “… y dominad la tierra. Mensajes de Enrique Shaw”. ACDE (2010), Seite 70.
[5] Enrique Shaw. “Y dominad la tierra”. Editorial ACDE (2010), Seite 83
[6]  zitiert nach: José Kentenich (Herbert King). “El mundo de los vínculos personales”. Editorial Nueva Patris (2015), Seite 90 und 91.Deutsch: Herbert King (Hg.): Josepf Kentenich – Ein Durchblick in Texten, Bd. 3: In Gemeinschaft seelisch verbunden, Vallendar 2002
[7] José Kentenich. “Mi filosofía de la educación”. Editorial Schoenstatt (1985), pág. 14. Deutsch (Original): What is my philosophy of education, Milwaukee 1961, veröffentlicht in: Herta Schlosser, Der neue Mensch – die neue Gesellschaftsordnung, Vallendar 1971, S. 134.

Original: Spanisch. Übersetzung: Maria Fischer @schoenstatt.org

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