Nähmaschine

Veröffentlicht am 2024-03-20 In Leben im Bündnis, Themen - Meinungen

Haltbar und belastbar

Von P. Elmar Busse •

„Mutti, kannst du mir die Hose länger ma­chen?“ – „Mutti, kannst Du mir den Rock weiter machen?“ Mutti kann das, denn sie hat eine Nähmaschine und einen Nähkurs besucht. Schon 1814 reichte der österreichi­sche Schneider Madersperger das Patent der ersten Nähmaschine ein. Die grundle­gende Idee war, mit zwei Fäden zu arbei­ten, wobei der eine unterhalb des Stoffes auf einer kleinen Spule auf seine Verwen­dung wartete. Das Hauptproblem war: Wie kann man Ober- und Unterfaden so miteinander verschlingen, dass tatsächlich eine haltbare Naht zustande kommt? —

Heute gibt es die verschiedensten Nähmaschinentypen mit etlichen elektronischen Zierstich-programmen. Doch das Grundprinzip ist gleichgeblieben: ein Unterfaden wird mit dem Oberfaden kunstvoll bei jedem Stich der Nadel verknüpft. Manchmal sind wir nicht zufrieden, wenn etwas mit der „hei­ßen Nadel“ genäht worden ist, d.h. wenn ein Knopf nach der zweiten Wäsche ver­schwunden ist, oder wenn beim Bücken auf einmal die Naht platzt. Je kürzer der Abstand zwischen den einzelnen Nadelsti­chen, desto haltbarer ist die Naht, voraus­gesetzt, dass das Nähgarn etwas taugt.

Die Nähmaschine als Symbol meiner Beziehung zu Gott

Die Nähmaschine kann zum Symbol wer­den für meine Beziehung zu Gott: Wie gut gelingt es mir, den Stoff meines Lebens mit dem Willen Gottes zu verbinden? Wie kann diese Verbindung belastbarer wer­den? Wie gelingt Treue im Bund mit Gott?

Pater Kentenich hat für diese Fragen eine Spiritualität entwickelt, die auf dem Bünd­nisgedanken aufbaut. Das Liebesbündnis mit dem Bündnispartner Maria befähigt uns, im Lauf der Zeit unsere ganze Gottes­beziehung nach dem Grundmuster des Bündnisses zu gestalten. Gott bietet der Menschheit, aber auch jedem einzelnen ei­nen Bündnisfaden an und rechnet damit, dass wir unseren Bündnisfaden mehr oder weniger kunstvoll mit dem göttlichen ver­knüpfen.

Im 4. Hochgebet der Messe betet der Priester: „Immer wieder hast du den Menschen einen Bund angeboten und sie durch die Propheten gelehrt, das Heil zu erwarten.“ Rechnen wir damit, dass dieses „immer wieder“ ein tägliches Angebot Gottes an uns ist, aber auch eine tägliche Anfrage? Gott möchte, dass wir unser Le­ben nicht losgelöst von ihm leben, sondern Lebensgemeinschaft mit ihm pflegen. „In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“, so formuliert Paulus auf dem Athe­ner Marktplatz sein Evangelium. An die Korinther schreibt er: „Er (Christus) ist für alle gestorben, damit die Lebenden nicht mehr für sich leben, sondern für den, der für sie starb und auferweckt wurde.“ (2 Kor 5,15) Im Galaterbrief gibt er folgendes Zeugnis: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir. Soweit ich aber jetzt noch in dieser Welt lebe, lebe ich im Glau­ben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat.“ (Gal 2,20)

Im Bündnis mit Maria bündnisfähig werden

Der Weg zu einer Gottverbundenheit, die das ganze Leben umfasst, so wie sie Paulus uns vorgelebt und bezeugt hat, ging für Pa­ter Kentenich über Maria. In der gläubig-herzlichen Bindung an sie wächst unsere Fähigkeit zur Bündnispartnerschaft. Denn Liebe verähnlicht. So werden zu wollen wie sie, spornt uns an, die Botschaft Gottes für unser Leben zu hören und ein mutiges Ja dazu zu sagen. „Nichts ohne dich, ­nichts ohne uns“, so lautet das kleine Merksätzchen, das uns an unseren Beitrag zur Verwirklichung der Heilspläne Gottes erinnert und das das Vertrauen in uns stär­ken möchte, dass wir nie allein auf uns ge­stellt das Leben meistern müssen. Leben gelingt mit ihr.

Es spielt beim Nähen keine Rolle, ob – be­dingt durch den Lebensstoff – unsere Bünd­nisnaht eher an eine Dreifachnaht für der­ben Jeansstoff erinnert oder an zarte Zierstiche auf duftigem Tüll. Es gibt Lebenspha­sen, da schweben wir vor Glück und Freu­de, dann wieder gibt es Zeiten, da schlep­pen wir uns mühsam über steinige Wege. Es gibt Jahre, da ertrinken wir in Arbeit, es gibt Tage, da quält uns Langeweile. Egal, wie unser Lebensstoff beschaffen ist, es kommt darauf an, ihn mit Gott zu verbin­den. Das heißt Leben im Bündnis.

Naht

Wie geht das praktisch?

Wie wird der Glaube zur Kraft, die durch den Knoten geht?

Im Morgengebet können wir uns Gott als seine Werkzeuge zur Verfügung stellen, wir können ihm anbieten, dass wir alles, was wir heute tun, zu seiner größeren Ehre tun. Und wir können darum bitten, dass er unser Tun segnet. Eine solche Haltung wirkt sich auf unser Tun aus. Viel Hektik, viel Oberflächlichkeit, viel Lustlosigkeit verschwinden, wenn wir das, was unsere Aufgabe ist, wirklich gut machen wollen, wenn wir wissen, wofür und für wen wir uns anstrengen. Das Bemühen um diese positive Grundhaltung – die Älteren unter Ihnen kennen es vielleicht unter dem Begriff „Erneuerung der guten Meinung“ – ist keine überflüssige Gedankenakrobatik. Wenn man als Schüler mit Grauen an die „blöden Lehrer“ denkt, als Sekretärin an die neidische Kollegin, als Krankenschwester an die nervigen Patienten, als Arbeitsloser an das Zeitloch, das früher der Beruf füllte, dann fühlt man sich, als würde man mit angezogener Handbremse mit dem Auto losfahren: Es scheint nicht richtig zu ziehen, und mit der Zeit fangen die Bremsen an zu stinken und zu qualmen.

Ein herzliches Ja zu dem, was mich heute erwartet, ein herzliches Ja zu den Menschen, die mich heute erwarten, ist wie das Lösen der Handbremse. Dieses herzliche Ja gelingt oft nicht ohne die Liebe zum Kreuz. „Ja, Gott, ich will versuchen, diese Schwierigkeit zu meistern.“ Die nächste Übung ist eine Lockerungsübung: Die vielen Dinge können zur Hektik führen, oder ich empfinde die Arbeitslast wie einen unüberwindlichen Berg. Deshalb ermutigt uns Pater Kentenich, im Morgengebet ganz bewusst Vertrauen einzuüben:

„Wenn wir auf eigene Kräfte schauen, sinkt je­des Hoffen und Vertrauen; wir reichen, Mut­ter, Dir die Hände und fleh‘n um reiche Liebes­spende. Dem Bund, den Du mit uns geschlossen,… wirst Du die Treue stets bewahren.“ (HW, S. 15)

Zur Lockerungsübung gehört auch die Grundeinstellung: „Ob Misserfolg, Erfolg wir finden, wir wollen Deine Liebe kün­den.“ (HW, S. 14) Bei allem gesunden Ehr­geiz und Ringen um Erfolg – Erfolg ist nicht das Letzte. Letztlich zählt das, was aus Liebe getan ist.

An der Bündnisnaht weiternähen

Nach diesem Doppelknoten in meiner Bündnisnaht am Morgen gibt es im Laufe des Tages viele Möglichkeiten, durch Stoßgebete, durch bewusste Entscheidungen, durch Opfer, durch kleine Aufmerksamkeiten Gott und den Menschen gegenüber an der Bündnisnaht weiter zu nähen. Gefährlich wird es, wenn man sich treiben lässt, ohne sich zu entscheiden, wenn man nur die Schweißtropfen im Taschentuch zählt, aber das Wofür aus den Augen verliert. Lustlosigkeit und Unzufriedenheit wurzeln oft in einem halbherzigen Engagement.

Pater Kentenich zählte die Arbeit zu den unersetzlichen Glücksquellen des Menschen. Gott lässt uns teilhaben an seiner Schöpferkraft und will durch uns die Welt menschlicher und damit auch göttlicher machen. Von Zeit zu Zeit tut es gut, auch die kleinsten und unscheinbarsten Handgriffe bewusst in dieses große Ziel einzubringen. Denn die Erfahrung der eigenen Bedeutungslosigkeit kann manchmal eine Quelle der Unzufriedenheit sein. Wer das Gefühl hat, dass es auf ihn nicht mehr ankommt, kann sich nicht in sein Tun hineinknien. Welch großartiges Angebot macht uns dagegen Christus, wenn er sagt: „Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,40) Das bedeutet, dass bei ihm kein Akt der Liebe unbemerkt bleibt. Wie viel Müdigkeit überkommt uns, wenn unser Engagement kommentarlos und selbstverständlich einfach konsumiert wird! Was müssen Mütter für Kraftreserven haben, wenn 30 Tage lang das pünktliche und schmackhafte Essen von den Kindern kommentarlos verschlungen wird, am 31. Tag aber der zu saure Salat kritisiert wird. Dann am nächsten Tag wieder mit Liebe kochen – das hat schon Märtyrerqualitäten. Weil wir wissen, wie uns ein Wort der Anerkennung, des Lobes und des Dankes beflügelt, geizen wir auch im Umgang mit anderen nicht damit.

Kontrasterholung

Auch der Freizeitbereich bietet viele Möglichkeiten, an der Bündnisnaht weiter zu knüpfen. Das zu tun, was mir Freude macht, mich zu erholen, einen körperlichen oder seelischen Ausgleich zur Berufsarbeit zu suchen, gehört ebenso zur Erfüllung des Willens Gottes wie die Arbeit. Höffner nennt das Kontrasterholung.

Es nützt nichts, nur die Quantität der Hingabe zu erhöhen, wenn die Qualität darunter leidet.

Eine Mutter, die sich dreimal in der Woche gönnt, eine halbe Stunde allein mit dem Fahrrad durch die Gegend zu fahren, kann es viel besser ertragen, wenn sie beim Spazierengehen mit ihren drei kleinen Kindern nur langsam vorankommt. Bevor sie auf die Idee mit dem Fahrrad kam, war der Spaziergang mit den Kleinen eine unüberwindliche Geduldsprobe.

Ein Student trainiert dreimal in der Woche Volleyball, weil er sonst nicht weiß, was er mit seiner Energie anfangen soll, denn das Teppichklopfen ist dank leistungsstarker Staubsauger leider aus der Mode gekommen. Ab und zu bringt er nach einem Wettkampf eine Urkunde mit nach Hause. Das stärkt sein Selbstwertgefühl. Außerdem lernt er in seinem Team spielerisch, sich auf die Reaktionen der anderen einzustellen.

In die Wolken schauen

Wen das Reisefieber gepackt hat, der kann in der großen, weiten Welt die Schönheit von Gottes Schöpfung erleben: eine Ahnung von Unendlichkeit beim Erlebnis des Meeres, Ehrfurcht vor Gottes Größe angesichts einer Felswand, Staunen über seine schöpferische Phantasie beim Anblick fremder Flora und Fauna. Wer den Stau und die Strapazen einer langen Fahrt meidet und im Garten im Liegestuhl den weißen Wolken am Himmel nachblickt, spürt, wie Muße die Selbstverständlichkeiten des Lebens zum Genuss machen und die Wahrnehmungsfähigkeit fördern kann.

Wenn die Uhr und die Dunkelheit zum Schlafengehen mahnen, ist das eine gute Gelegenheit, den Tag noch einmal vor Gottes Angesicht Revue passieren zu lassen: Dann erst kann mir so manche Aufmerksamkeit des allgegenwärtigen Gottes wirklich bewusst werden. Dann kann ich vielleicht die eine oder andere Stelle der Bündnisnaht, die mein Leben durchzieht, noch ausbessern durch ein „Danke, lieber Gott!“ oder ein „Verzeih!“ oder durch einen Akt des Vertrauens, der Sorgen und Ängste kleiner werden lässt.

Wer auf diese Weise Gottes Bundestreue erfährt, in dessen Herzen kann Hoffnung wachsen. Davon können dann auch andere profitieren, denn Hoffnung ist ansteckend.

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