Veröffentlicht am 2019-08-22 In Hörde, Leben im Bündnis

Wie werde ich aufmerksam dafür, wo der Heilige Geist die Seele eines Menschen öffnet?

HÖRDE – UND WAS NUN?, Maria Fischer •

Nach der Liebesbündnisfeier am Urheiligtum, um kurz nach zehn Uhr abends am 18. August 2019, während das Feuer mit den vielen Zetteln, auf denen die Beiträge zum Gnadenkapital stehen, noch brennt und ein paar Fahnen wehen, sehe ich Dr. Michael Gerber, den Bischof von Fulda, etwas entfernt stehen, begrüße ihn und danke für die Predigt wenige Stunden zuvor bei der Aussendungsmesse am Ende der Internationalen Tagung, die mich an so vielen Stellen an die aufrüttelnd-unbequeme Predigt von Erzbischof Dr. Robert Zollitsch bei der Feier des 40. Todestages von Pater Kentenich im September 2008 erinnert hat. Beide kreisten um das große Thema des Apostolates von Schönstatt heute, in und für die Kirche, und der Kirche selbst in dieser heutigen Welt, kreisten um die große Frage: Wie werde ich aufmerksam dafür, wo der Heilige Geist die Seele eines Menschen öffnet?

 

Wir sprechen über seine Erwähnung des Briefes der chilenischen Jugend. „Das habe ich spontan und sehr bewusst gemacht“, antwortet er, „dass ich „Maria 2.0.“ erwähnt habe und den Brief der Jugend Chiles an die Schönstattbewegung. Davon wusste ich noch nicht, als ich vor zwei Wochen den Text der Predigt zur Übersetzung geschickt habe. Ich hatte mich schon gewundert, wie dieser Brief ins Deutsche übersetzt und veröffentlicht worden war. Klar, das war schoenstatt.org. Es gab spontan bei den Gesprächen unmittelbar im Anschluss an den Gottesdienst hier deutliche Rückmeldungen von Chilenen, die den spanischen Text (ohne diese Erwähnung) mitlesen konnten und zugleich den Deutschen gehört haben und mich baten,  im Blick auf die Situation und den Fortgang des Prozesses, dies auch in die Veröffentlichung des Textes in den verschiedenen Sprachen hineinzunehmen.“

Ein deutscher Bischof, aufmerksam dafür, wie der Heilige Geist in den Seelen einiger Jugendlicher wirkt. Ein deutscher Bischof, der uns alle herausfordert und hinterfragt: “Fragen wir uns kritisch: Wie habe ich reagiert – in Deutschland – auf die Initiative „Maria 2.0“ – oder wie habe ich reagiert – in Chile – auf den „Brief der Jugend Chiles an die Schönstattbewegung in Chile“? Gab es da eine unmittelbare Abwehrreaktion? Wo frage ich tiefer nach: Welche Seelenstimmen regen sich in so einer Initiative? Welche Erfahrungen stecken da möglicherweise dahinter? Was will der Geist Gottes mir und uns dadurch sagen? Das bedeutet längst nicht, dass ich mit den dort vertretenen Positionen übereinstimmen muss. Aber die Frage: „Welche Regungen der Herzen stecken dahinter?“ eröffnet mir einen ersten Zugang und die Chance, wirklich in einen konstruktiven Dialog zu kommen.“

Ein deutscher Bischof, der uns eine Sternstunde am Ende einer an Vorträgen und Schulung ja nicht eben armen Tagung geschenkt hat. „Ich hätte mir gewünscht, dass wir nach der Messe in vielen kleinen Gruppen direkt über diese Predigt gesprochen hätten“, sagt ein spanischer Mitarbeiter von schoenstatt.org. „Das ist ein Text, mit dem wir in unseren Gruppen und Gemeinschaften arbeiten müssen“, damit wir, gemeinsam und jeder einzeln nach seinem persönlichen Charisma entdecken können, wie wir in Kirche und Welt das so Neue von Schönstatt einbringen können, ohne Angst, ohne ängstliches Anpassen an traditionalistische und fundamentalistische Tendenzen, ohne das Charisma Pater Kentenichs auf etwas Harmlos-Frommes zu reduzieren, ohne Angst, keine Antworten zu haben auf die Fragen und Anliegen einer „postmodernen, multioptionalen Welt“, ohne dieses mittelmäßige Denken, das glaubt, um des Wachstums des Eigenen willen zunächst einmal all das, was andere machen und zum Wachsen bringen, niedermachen und unterminieren zu müssen.

Apostel aus vielen Völkern und Sprachen

Ein paar Stunden zuvor strömten die Teilnehmer der Hörde-Tagung und manche anderen zur Dreifaltigkeitskirche auf Berg Schönstatt, nicht ohne zuvor die paar kostbaren Minuten für einen Austausch, Kaffeetasse in der Hand, mit Freunden  – schon seit ewig oder gerade erst kennengelernt -zu nutzen und über Projekte, Anliegen, Apostolat, Familie und Gemeinschaft zu reden. Während wir mit ein paar Mitarbeitern aus der Redaktion über die großartige Präsetantion von Alejandro Robles und Elizabeth Fields über ihr Projekt der „Miteinander- und Teilhabe-Runden“, dem Highlight der Tagung für viele, reden, stehen die beiden auf einmal da und begeistern sich für das Thema Kommunikation des realen Lebens, und ja, dass sie einen Artikel über ihr Projekt und wie es entstanden ist, schreiben sollen, hat ihnen schon ein anderer Mitarbeiter von schoenstatt.org gesagt. Carlos und Lilita Ricciardi aus La Plata treffen immer wieder auf Leute aus zahlreichen Ländern, die sich für die Familien-Misiones begeistern. Eduardo Shelley aus Mexiko fasst einen besonderen Moment des kurzen Treffens der Mitarbeiter von schoenstatt.org im Jugendheim zusammen: “Miguel Ángel  und Paz sind nicht mehr meine Whatsapp-Freunde, sondern Freunde aus Fleisch und Blut.“ Über den richtigen Gebrauch von Groß- und Kleinschreibung werden er und Miguel Ángel sich im Proofreading-Team weiterhin streiten, „aber anders“.

Mehr als 700 Apostel aus vielen Städten und Sprachen versammelten sich nach und nach in der Anbetungskirche, und sie nutzten die Einladung, um in wenigen Minuten der Stille vor der Messe aufzuschreiben, was sie in diesen Tagen als ihre persönliche Mission entdeckt oder wiederentdeckt hatten. Es tut gut, spürt man, und man spürt darüber hinaus auch den Wunsch, mit allen über das Thema, über Erfahrungen, über Anliegen, über das, was jetzt zu tun ist, in Dialog zu treten.

Zwischen Liedern, Lesungen und auch der  Predigt in mehreren Sprachen entwickelte sich eine Messe mit einem Hauch von Internationalität und Aufbruch, freudig und bewegend trotz der drückend-schwülen Hitze.

 

Unser Bund kennt keinen Pessimismus!

„Wir werden viel über die Predigt von Bischof Gerber nachdenken und diskutieren müssen“, kommentierten wir beim Treffen des Teams von schoenstatt.org unmittelbar nach der Messe; wir werden viel über die Predigt von Bischof Gerber nachdenken und diskutieren müssen, einer Predigt, die mit natürlicher und sympathischer Internationalität in Englisch, Spanisch und Deutsch vorgetragen wird. Jeder, der die aktuelle Sprache nicht verstand, konnte die Übersetzung in der Broschüre lesen, die vor der Messe ausgegeben wurde.

„Unser Bund kennt keinen Pessimismus! Dem Radikalismus des Bösen stellt er einen Radikalismus des Guten entgegen und glaubt, dass das Gute sich durchsetzt, ja sich durchsetzen muss. Ein gesunder Optimismus allein hilft Menschen und Welt erneuern; der Pessimismus baut niemals auf, reißt oft nur nieder!“

Das Zitat von Alois Zeppenfeld ist wie ein roter Faden der Predigt, Hintergrundmusik sozusagen, die immer mitklingt, wenn es um einige Kernelemente des Vorgangs von Hörde vor 100 Jahren geht, Elemente, die zu Gaben und Aufgaben werden für das Apostolat Schönstatts heute im aktuellen Kontext von Kirche und Gesellschaft.

Da ist eine Aufforderung, eine Bitte: Leben und geben wir doch mit apostolischem Bewusstsein den Reichtum, den wir haben (und den wir manchmal nicht als prophetische Gabe erkennen und manchmal weder begreifen noch leben). Sei es das multidimensionale Leitungsmodell als Schlüssel für viele Leitungs-, Führungs- und Machtfragen in der Kirche. Sei es das Bewusstsein des Handelns Gottes in „göttlichen Initiativen … als Vergegenwärtigung der österlichen Dramatik“: „Das kann auch helfen, wegzukommen von einem Fatalismus und Pessimismus und eben zu jener Grundstimmung zu finden, die unsere Bündler vor 100 Jahren geprägt hat. Wir wissen nicht, in welcher Dramatik der Weg der Kirche unserer Tage weitergeht. Aber genau hier dürfen wir uns in tiefer Gemeinschaft mit Maria und den Jüngern jener österlichen Stunden erfahren.“ Sei es das große Thema der Aufmerksamkeit, wann und wo der Heilige Geist das Herz eines Menschen für seine Botschaft öffnet, und wo neues reales Leben aus der von Gott berührten Tiefenseele wächst.

 

Die Kirche wächst in den Seelen. Schönstatt auch.

„Zeit seines Lebens ist es eine der wesentlichen Fragestellungen unseres Gründers: Wie werden das Herz und die Seele in ihrer Tiefe für das Wirken Gottes geöffnet? Weiter gefragt: Wie werde ich aufmerksam dafür, wo der Heilige Geist die Seele eines Menschen öffnet? Damit aber bekommt unser Blick auf die seelischen Äußerungen eines Menschen, und das, was sich an seelischen Äußerungen in einer Kultur zeigt, eine neue und im wahrsten Sinne theo-logische Bedeutung. Wir fragen: Wo zeigt sich möglicherweise in einer solchen Regung das Wirken des Heiligen Geistes, der die Seelen öffnet für die Botschaft des Evangeliums?“

Die Kirche wächst in den Seelen. Schönstatt auch. Apostolat heißt dann: „Hier und heute, in dieser postmodernen, multioptionalen Welt Menschen für die gelebte Beziehung zu Jesus Christus, für das Evangelium zu gewinnen. Das kann nie allein nur bedeuten, halt die Leute zu suchen, die noch irgendwie eine „gut katholische“ Gesinnung zeigen. Nein, wenn wir an die fortgesetzte göttliche Initiative glauben, dann müssen wir damit rechnen, dass der Heilige Geist die Seelen ganz unterschiedlicher Menschen für seine Botschaft öffnet, gerade auch die Seelen derjenigen, von deren Lebensstil wir das am wenigsten erwarten.“

Danke, Bischof Michael Gerber. Wir sind gesandt, jetzt, aufmerksam zu sein dafür, wo der Heilige Geist die Seele eines Menschen öffnet.

Vollständiger Text der Predigt von Bischof Gerber – ergänzte Fassung

Fotos: Roberto González, Maria Fischer

Original (außer Predigt): Spanisch. Übersetzung: Maria Fischer @schoenstatt.org

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