Veröffentlicht am 2015-06-30 In Leben im Bündnis

Nachrichten von den Schönstattpatres in Nigeria

NIGERIA, von Pater Juan Pablo Catoggio, Oberer der Schönstattpatres in Nigeria •

Kürzlich wurde eine neue Regierung gewählt, da das Land sechzehn Jahre demokratisch gelebt hat. Vor dieser Wahl regierte die PDP – Popular Democratic Party – [Demokratische Volkspartei], die jedoch diesmal die Wahl verloren hat. Nun regiert eine Koalition – die APC All Progressive Party [Partei Fortschritt für alle]. Alles, die Wahlen und der Übergang, verliefen in einem sauberen, demokratischen Prozess. Der scheidende Präsident, Jonathan Goodluck, ist ein (nicht katholischer) Christ, der neue, Muhammadu Buhari, ist ein Muslim. Die großen Dramen in Nigeria wurden verursacht durch die unkontrollierte Korruption auf allen Ebenen und haben ihre Konsequenzen auf der moralischen und wirtschaftlichen Ebene. Dazu gibt es Unsicherheit und Gewalt, besonders – aber nicht nur – durch die fundamentalistische Terrorgruppe Boko Haram, die Gräueltaten im Norden des Landes verübt: sie tötet überall, fegt Nachbarschaften hinweg, entführt kleine Mädchen und Frauen und zwingt die Überlebenden, anderswo Zuflucht zu suchen. Die vorherige Regierung war absolut nicht in der Lage etwas zu tun, und darum sind die heutigen Erwartungen groß.

Buhari ist ein ehemaliger Militär; er ist 73 Jahre alt, war in den Achtziger und Neunziger Jahren de facto-Präsident, der mit harter Hand regierte. Einige fürchten sich vor einem bestimmten islamischen Einfluss, und davor, dass er diktatorisch regieren wird. Doch er ist bekannt als moralisch gesund. Zwei seiner Sätze: „Wenn Nigeria die Korruption nicht tötet, wird die Korruption Nigeria töten…“ (Es kann auf viele Orte angewandt werden, oder?) Und als er sein Amt antrat, sagte er: „Ich gehöre allen, und ich gehöre nicht jedem.“ (Was bedeutet, dass ihn keine bestimmte Gruppe handhaben kann.) Das Zauberwort seiner Kampagne: Change, Änderung!

Zumindest kann man sagen, dass Boko Haram beträchtlich an Stärke verloren hat und dabei ist, sich zurückzuziehen. Während der letzten paar Monate bekämpften vereinte Streitkräfte aus verschiedenen benachbarten Ländern (Nigeria, Niger, Chad und Kamerun) sie heftig, und sie haben viele Verluste erlitten.

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Das Leben wird gefeiert

Während dieser Zeit habe ich an drei Beerdigungen teilgenommen. Bei zwei davon waren es die Eltern von Patres der Gemeinschaft; es war etwas Eindrucksvolles. Die Beerdigung wird frühestens zwei Wochen, nachdem die Person gestorben ist, gefeiert, und in der Regel braucht das länger. Kein naher Verwandter darf sie versäumen, und darüber hinaus braucht es viele Vorbereitungen. Es ist ein Ereignis für die Familie und das ganze Dorf. Auf jeden Fall ist die Beerdigung wichtiger als eine Hochzeit oder irgendeine andere Familienfeier. Das Leben wird gefeiert; an den Verstorbenen wird erinnert, und er wird geehrt, und eine Broschüre wird veröffentlicht mit einer kurzen Lebensbeschreibung, Zeugnissen, ehrenden Worten von vielen Leuten, etc. Es wird mehrere Tage gefeiert vor und nach dem Begräbnis, wobei jeder, der kommt, willkommen ist und verpflegt werden muss. Poster und T-Shirts mit dem Foto der Person werden gemacht, Andenken werden verteilt, und vor allem wird die Familie besucht, alle tragen den gleichen Stoff, Männer und Frauen. Wenn der Verstorbene vom Leichenhaus zum Begräbnis gebracht wird, weinen die Familienangehörigen und andere Trauernde und bringen ihr Leid zum Ausdruck. In anderen Momenten, vorher und nachher, gleicht die Atmosphäre mehr einem Fest und einer Feier.

Sicherlich hat das etwas mit der Verehrung der Ahnen zu tun – daher kommt auch der tiefe Respekt vor den Älteren und alten Menschen in dieser Kultur. Die Älteren und die Ahnen sind die Geschichte, das Gedächtnis und die Wurzeln. Auf eine Art leben sie in uns weiter. Die Christen beerdigen die Ihren in ihrem „village“, im Garten ihres eigenen Hauses; es spielt keine Rolle, ob sie immer in einer anderen Stadt gelebt haben oder im Ausland oder ob sie ganz woanders gestorben sind. Am Ende kehren sie zu ihrem Land und zu ihrem Ursprung zurück. Das ist der Grund, warum das eigene Land, der Boden heilig ist – keine Familie ist ohne Land. Eine andere Eigenheit ist, dass mit der Zeit das Grab verschwindet, das heißt, es gibt kein äußeres Zeichen – es gibt keinen Grabstein, Kreuz oder Inschrift – nur Erde, und mit der Zeit wachsen Pflanzen darauf und nichts weist darauf hin, dass dort ein Grab ist.

Selektions-Treffen

2014-10-31-13-01-nigeriaLassen Sie mich etwas über die Gemeinschaft erzählen, das Ihre Aufmerksamkeit wecken und vielleicht nicht ganz verstanden werden kann. Während der Karwoche hatten wir wie in jedem Jahr das „Selektions-Treffen“. Was ist das überhaupt? Jedes Jahr bekommen wir annähernd 300 oder 350 Bewerbungsbriefe von Jungen, die daran interessiert sind, sich unserer Gemeinschaft anzuschließen. Das gleiche – mehr oder weniger – geschieht in fast allen religiösen Gemeinschaften und Diözesen. Unter den vielen Interessenten werden viele zu Beginn abgelehnt wegen ihres Alters (einige sind noch zu jung oder schon zu alt) oder wegen mittelmäßiger Schulergebnisse – wir fordern etwas mehr, als für die Universität erforderlich ist – oder aus anderen Gründen.

Dann laden wir etwa dreißig, nicht mehr, zu Beurteilungs-Exerzitien ein: sie sind für fünf Tag hier, in denen sie etwas über Schönstatt und die Gemeinschaft kennenlernen, und wir lernen sie kennen durch verschiedene Dynamiken und Aktivitäten und in mehreren persönlichen Gesprächen mit den Priestern. Dann beten wir intensiv zum Heiligen Geist, und dann entscheiden wir, wer in diesem Jahr angenommen wird, in Übereinstimmung mit den Eindrücken der älteren Studenten, die uns alle in dieser Woche begleitet haben und dem Austausch unter den Priestern. Im vergangenen Jahr war ich schon ein „Beobachter“, aber in diesem Jahr nahm ich aktiv teil; es war wirklich ein sehr starkes Erlebnis.

Sie haben sicher mehr als tausend Fragen wie z. B: Warum sind so viele Jungen am Priesteramt interessiert? Kann es sein, um aus schlechterer sozialer Bedingung herauszukommen und bessere Chancen im Leben zu haben? Man neigt zu dem Verdacht, dass es so sein könnte. Doch ich kann versichern, dass, auch wenn es bei einigen der Fall sein mag, es nicht bei vielen und sicherlich nicht bei der Mehrheit so ist. Warum dann? Letztlich ist das ein Geheimnis, und nur Gott kennt es. Aber zweifellos muss die Erklärung gefunden werden in der tiefen Religiosität des Volkes und der Familien. Beinahe alle diese Jungen gingen täglich zur Messe, seit sie Kinder waren! Und sie beteten als Familie jeden Abend den Rosenkranz, oder sie sprachen über das Evangelium! Darüber hinaus ist der Priester gesellschaftlich anerkannt und sehr gut angenommen, und es ist sicher ein attraktiver Beruf für viele von ihnen. Ich weiß, dass die Seminaristen, die wir haben, eine gute soziale Position haben könnten und eine gute Karriere, wie ihre Brüder auch – wenn sie nicht hier wären. Eine andere Frage, die gestellt wird: Und wie wissen Sie, wer zu wählen ist und wer nicht? Die Wahrheit ist, dass in vielen Fällen, ungeachtet der kurzen Zeit, die man sie kennt, es tatsächlich klar und einfach ist, die Entscheidung zu treffen, ob es ein Ja oder ein Nein ist. In anderen Fällen ist es ein Sprung ins Ungewisse und wir vertrauen auf den Heiligen Geist. In jedem Fall beginnen sie, sobald sie eintreten, einen langen Weg der Unterscheidung. Sie studieren vier Jahre lang Philosophie – wobei sie gleichzeitig tiefer in Schönstatt eingeführt werden –, und zwar vor dem zweijährigen Noviziat, und dann fahren sie fort mit weiteren vier Jahren Theologie, sowie einem weiteren Jahr Praktikum und einem Jahr der gemeinschaftsinternen Erziehung.

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Marienmonat

Zum Schluss ein Erlebnis der Bewegung: In Nigeria wird generell der Marienmonat gefeiert, und er wird überall mit großer Hingabe gefeiert. Wir haben ein besonderes Programm im Heiligtum an jedem Dienstag- und Donnerstagnachmittag, und es endet mit einer großen Kantate zu Ehren der Jungfrau Maria. Das fand statt am Donnerstag, dem 28. Mai auf dem Platz vor dem Heiligtum. Die Kantate begann nach einer Zeit der Anbetung und dem gemeinsamen Rosenkranzgebet. Wir luden acht Chöre aus der Stadt ein (aus dem Priesterseminar, der Universität, aus einigen Pfarrgemeinden); sie waren wirklich sehr gut. Annähernd 400 Menschen kamen an einem schönen Nachmittag, und unser Chor war hervorragend. Gesang, Musik und Tanz sind die Sprache Afrikas! So bringen sie ihren Glauben zum Ausdruck.

Freunde, ich glaube, dass ich genug von einigen meiner Erlebnisse hier mitgeteilt habe, und es Ihnen reicht, von dem zu wissen, was ich tue. Ich schätze Ihre Gebete; ich weiß, dass viele Menschen mich mit ihren Gebeten begleiten. Ich weiß, dass ich es in sehr konkreter Weise fühlen kann. Ich denke ebenfalls sehr viel an Sie und ich nehme Sie mit ins Heiligtum.

Empfangen Sie meine herzlichen Grüße und den Segen vom Siegesheiligtum,

Ihr Pater Juan Pablo

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Alle Fotos: 18.10.2014 im Heiligtum von Ibadan, Nigeria

                                             Original: Spanisch. Übersetzung: Ursula Sundarp, Dinslaken, Deutschland

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