Kentenich Milwaukee

Veröffentlicht am 2022-07-10 In Kentenich

Aus Milwaukee nichts Neues? Doch

THEMA KENTENICH, Maria Fischer •

„Ich bitte um Nachsicht, dass ich mich erst heute wieder melde. Wir haben mittlerweile auch den Bericht des amerikanischen Anwalts in der Zusammenfassung online hier verlinkt“, so die Pressesprecherin des Bistums Trier in ihrer Antwort auf den aus Schönstatt — unter anderem von der Redaktion von schoenstatt.org – geäußerten Wunsch nach Veröffentlichung des Gutachtens, das Bischof Ackermann in Blick auf Vorwürfe eines amerikanischen Bürgers gegen P. Kentenich in Milwaukee bei der Kanzlei Biskupic & Jacobs in Auftrag gegeben hatte. —

Wenige Tage nach der Veröffentlichung des Dekretes über die Suspendierung des Seligsprechungsverfahrens für P. Josef Kentenich gewährt des Bistum Trier nun einen teilweisen Einblick in das Gutachten aus Milwaukee – auch wenn man gut recherchieren muss, um es zu finden, ist es doch nur als Link in der Pressemeldung vom 3. Mai versteckt. Es handelt sich um eine vom Gutachter selbst verfasste Zusammenfassung (19.01.2022, an Dr. Holkenbrinck) auf vier Seiten, die das Bistum Trier in deutscher, englischer und spanischer Fassung veröffentlicht. Das eigentliche Gutachten umfasst 47 Seiten mit verschiedenen Anhängen; dieses Material ist den Mitgliedern des Generalpräsidiums vom Bistum Trier übergeben worden. Eine vollständige Veröffentlichung seitens des Bistums ist offenbar nicht vorgesehen. Die Zusammenfassung bietet jedoch einen klaren, objektiven Einblick in die Anschuldigungen von „John Doe“, die Untersuchung des Jahren 1994/5 durch die Erzdiözese Milwaukee, die Untersuchung durch Rechtsanwalt Steven Biskupic und einen erfahrenen ehemaligen FBI-Agenten aufgrund der Beauftragung durch Bischof Ackermann, und die Schlussfolgerungen.

Das Ergebnis ist: offen

Wir zitieren hier nur die Schlussfolgerungen, die die Zusammenfassung nennt:

'Zusammenfassung' des Biskupic-Gutachtens - letzter Teil
  1. JD beharrt bis heute vehement darauf, dass er vor mehr als 60 Jahren von Pater Kentenich sexuell missbraucht wurde.
  2. Es gibt heute keine direkten Beweise aus dieser Zeit, die die Behauptungen von JD schlüssig unterstützen oder widerlegen. Kein Zeuge hat direkt ein unangemessenes Verhalten zwischen den beiden beobachtet und Pater Kentenich lebt nicht mehr, um seine Darstellung der Geschehnisse wiederzugeben.
  3. Weitere verfügbare Indizien, die im Rahmen des Berichts geprüft wurden, stützen und widerlegen bestimmte Aspekte der Anschuldigungen, so dass der Bericht in Bezug auf die drei vom Bischof in Auftrag gegebenen Fragen zu folgendem Schluss kommt.

a) Angemessenheit der Untersuchung von 1994-95. In dem Bericht heißt es wie folgt: Die Untersuchung von 1994-95 hat mehr Schritte unternommen, als zum damaligen Zeitpunkt als rechtlich notwendig angesehen werden konnten. In den Jahren 1994-95 war Pater Kentenich verstorben, so dass sich nicht die Frage stellte, ob sein Verhalten nach den 1994 geltenden rechtlichen Standards haftbar gemacht werden konnte. Daher war die Tatsache, dass die Erzdiözese Milwaukee die Anschuldigungen ernst nahm, eine detaillierte Untersuchung einschließlich einer Aussage von JD durchführte und danach weiter mit JD korrespondierte, bewundernswert. Nichtsdestotrotz ist es klar, dass der Schwerpunkt der Untersuchung 1994/95 auf JD lag und nicht auf dem Verhalten von Pater Kentenich im weiteren Sinne. Vielleicht ist das verständlich, wenn man bedenkt, dass Anschuldigungen gegen Pater Kentenich in anderen Zusammenhängen erst viele Jahre später aufkamen. Dennoch würden 1994-95 keine detaillierten Anstrengungen unternommen, um diejenigen zu befragen, die mit Pater Kentenich in Milwaukee lebten und arbeiteten, um ihre direkten Beobachtungen von Pater Kentenichs Umgang mit JD zu ermitteln. Daher sollte die Untersuchung von 1994-95 nach den heutigen Kriterien für die Überprüfung solcher Vorwürfe nicht als ausreichend angesehen werden, zumal in der Zwischenzeit weitere Vorwürfe gegen Pater Kentenich aus seiner Zeit in Südamerika bekannt geworden sind.

b) Aktuelle Überprüfung der Vorwürfe. In dem 47-seitigen Bericht wurden die verfügbaren Informationen, die zum jetzigen Zeitpunkt ermittelt werden konnten, detailliert aufgeführt, wobei darauf hingewiesen wurde, dass es aufgrund der Tatsache, dass viele der Personen, die über Kenntnisse aus erster Hand verfügten, inzwischen verstorben sind, nicht möglich ist, eine vollständige Untersuchung (so) durchzuführen, als ob die Vorwürfe aus der heutigen Zeit stammen würden. Der Bericht versuchte außerdem, einen breiteren Kontext des täglichen Lebens von Pater Kentenich während seines Aufenthalts in Wisconsin zu schaffen, indem er zusätzliches Quellenmaterial anführte, das nicht als Teil der Untersuchung von 1994-95 geprüft wurde.

c) Können die Vorwürfe abschließend bewertet werden? Der Bericht stellte fest, dass leider für alle Beteiligten aufgrund des Zeitablaufs und des Todes von Schlüsselzeugen eine Beweiskraft“ nicht festgestellt werden konnte, dass sie aufgrund des Zeitablaufs und aufgrund vieler anderer im Bericht genannter Umstände schwer fassbar war. Herr Biskupic schlug vor, anstelle von Beweiskraft die Anschuldigungen als einen Faktor in einer breiteren Untersuchung des Lebens von Pater Kentenich zu betrachten.

 

Eine Anmerkung aus journalistischer Ethik

Wenn eines aus Stil und Untersuchungsdesign des nun in Zusammenfassung zugänglichen Gutachtens aus Milwaukee hervorgeht, dann, dass das in den letzten beiden Jahren beobachtete „Kentenich-Bashing“ einerseits, und das ebenso vehemente „Weitermachen als wäre nichts passiert“ andererseits nicht auf der Höhe der Auseinandersetzung sind – nicht auf juristischer oder kirchenrechtlicher Ebene, nicht auf biographischer oder gründungscharismatischer Ebene – und nicht zu reden davon, dass wir es hier vielleicht auch mit einem Eingreifen Gottes, mit einer Stimme Gottes für dieses unser Schönstatt zu tun haben. Und um auf diese Stimme zu hören, dazu gibt die Suspendierung des Prozesses – vielleicht – Zeit und Stille.

„Kein anderes Ergebnis“ – so titeln schoenstatt.de und  und gleichlautend schoenstatt.com die Meldung über die Veröffentlichung der Zusammenfassung des Gutachtens. Und das weckt ein Unbehagen in meiner Journalistenseele – und hier verlasse ich den Modus sauberer, unparteiischer Information und gehe in den Kommentarmodus, keine Frage.

  • Allein dass es dieses Gutachten gibt, und dass es (teilweise) veröffentlicht wurde, ist ein anderes Ergebnis.
  • Kein anderes Ergebnis? Kein endgültiges, kein entscheidendes Urteil, in der Tat. Die Beweislast ist nicht erfüllt, nicht auf der einen und nicht auf der anderen Seite. Und das sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Wenn die Beweislast nicht erfüllt wird, bedeutet das, dass die Beweise nicht ausreichen, um die Waage aus dem Gleichgewicht zu bringen, so dass keine andere Wahl bleibt, als die Waage in der „Schwebe“ zu lassen: Der Beschwerdeführer ist nicht glaubwürdig genug. Der Angeklagte kann weder als schuldig noch als unschuldig bewiesen werden. Ein Gutachten, das weder Schuld noch Unschuld beweisen kann. Das ist ein anderes Ergebnis.
  • Und dass der Prozess im Jahr 2022, anders als 1994/95, suspendiert wurde, ist auch ein anderes Ergebnis.
  • Und diesem anderen Ergebnis, der Schwebe, dürfen wir uns stellen. In Ehrlichkeit und in Vertrauen und Dank an das Bistum Trier für die (Teil-)Veröffentlichung des Milwaukee-Berichtes.

Zusammenfassung des Biskupic-Gutachtens – veröffentlicht vom Bistum Trier (englisch, deutsch, spanisch):

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1 Responses

  1. B.M.Oelschner sagt:

    Hat er oder hat er nicht? Wer den Bericht aus Milwaukee gelesen hat und erfährt, dass der Kläger „vehement“ an seinen Aussagen über P. Kentenich festhält, könnte vieleicht ins Grübeln geraten oder sogar ins Zweifeln kommen, obwohl es ausdrücklich heisst, dass es keine eindeutigen Beweise gibt, Aber ist es nicht geradezu typisch für den Gründer, dass er niemanden zwingen wollte, an das Schönstattwerk und dessen Sendung zu glauben, sondern jedem die volle Freiheit liess, sich selbst zu entscheiden?. Das habe ich persönlich erlebt, als ich in einer schwierigen Lebenslage ihn um Rat bat und er mir lediglich die Freiheit gab, das zu tun, was mir zunächst als unmöglich erschien. Diese Freiheit, meine ich, gibt er uns auch heute. Wir können an ihm irre werden oder versuchen, uns diese seine innere Freiheit zu eigen zu machen im Vertrauen auf die MTA.

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