Veröffentlicht am 2020-07-06 In Kentenich

Raus aus dem Exil…

Gonzalo Morales Sepúlveda, Heiligtum Monte Horeb Chillán, Chile •

Ich schreibe in diesen eigenartigen Momenten, getrieben von verschiedenen Gefühlen und Gedanken, die kommen und gehen. Ich tue dies, um meine Gedanken zu ordnen und um mir in meinem Unterscheidungsprozess zu helfen. Ich schreibe kurz, um mehr zu verstehen und im Dialog mit mir darüber nachzudenken, was geschehen ist, was mich herausfordert, wozu ich eingeladen bin und möchte auch Sie an dieser Reflexion teilhaben lassen. —

Früh am Donnerstag wurden wir gewarnt und auf eine Nachricht vorbereitet, die in den deutschen Medien erscheinen würde. Diese Warnung hat uns bereits in Alarmbereitschaft versetzt, vielleicht in zu große Alarmbereitschaft. Was war daran so wichtig? Was war diese Nachricht, die die Patres so abrupt mobilisierte und uns aus unserer Telearbeit, aus unserem täglichen Leben, aus den Sorgen der Pandemie, aus dem, was jeder von uns tat, herausholte? Was war das für eine Nachricht, die die Patres so abrupt mobilisierte und uns aus unserer Telearbeit, aus unserem täglichen Leben, aus den Sorgen der Pandemie, aus dem, was jeder von uns tat, herausholte? Im Laufe der Stunden erfuhr ich von den Anschuldigungen gegen den Vater und Gründer, von den Ermittlungen, denen er ausgesetzt war, und von jenen „anderen Gründen“, die sein Exil erklärten.

Dann erschienen die Erklärungen. Das erste, das ich gelesen habe, war die Stellungnahme des Generalpräsidiums des Internationalen Schönstattwerkes. Da ist mir etwas Unangenehmes passiert. Die Erklärung war für mich ein Schnellschuss. Was der Artikel der Historikerin Alexandra von Teuffenbach nicht in mir ausgelöst hatte, löste nun diese Stellungnahme aus. Es ist seltsam,  Pater Kentenich habe ich nicht hinterfragt, sondern  diejenigen, die ihm folgten, die nach ihm kamen, und dass einige von ihnen mehr, andere weniger, aber alle relevante Informationen „ausgelassen“ haben. Ich hatte auch den Eindruck, dass diese erste Antwort versuchte, diese Haltung beizubehalten, ohne die Vorwürfe aufzunehmen, die Historikerin zurückzuweisen und die Gründe für die Unterlassung mit „Sicherheit“ zu verteidigen. Ich wurde von etwas verbannt, ich lebte einige Stunden lang dieses Gefühl der Entwurzelung aus dem Heimatland, das ein Exilant empfinden muss. Aber diesmal war es ein anderes Exil, es war ein Exil, weil ich mich nicht berücksichtigt fühlte, weil ich nicht alle Informationen kannte, weil mir ein relevanter Teil verborgen blieb, aber wissen Sie… hauptsächlich fühlte ich mich im Exil, weil ich selbst mich vorher nie darum gekümmert hatte, tiefer zu gehen, mehr zu hinterfragen, weil ich mich von meiner Verantwortung der persönlichen Wahrheitssuche dispensiert hatte, weil ich mich als engagierter Laie betrachtete und nicht weiter ging.

Dann kamen weitere Erklärungen und viele Gespräche. Die Stellungsnahme von Pater Diogo Barata, Oberer der Schönstatt-Patres in Spanien, war es schließlich, die anfing, mich aus dem Exil heraus zu führen. Die Erklärungen von Pater Patricio Moore (spanisch)  und der Schwestern in Chile haben zweifellos auch geholfen.

Krisen sind Chancen für Wachstum und Stärkung

Ich denke, dass die Krise von heute nicht so sehr mit der Gestalt Pater Kentenichs zu tun hat. Zweifellos sollten wir sie überdenken, in Frage stellen, eingehender untersuchen, um uns der Wahrheit zu nähern. Wir sollten die Art und Weise, wie wir ihn sehen, überprüfen: ein Vater, ein Gefährte, ein Gegenstand der Verehrung, von allem ein wenig. Ich bin zuversichtlich, dass diese Suche nach der Wahrheit uns (nach geraumer Zeit) dazu führen wird, seine Gestalt neu zu bewerten und vor allem Schönstatt einen Impuls zu geben.

Was für eine Krise haben wir dann? Ich glaube, es ist eine Glaubwürdigkeitskrise, denn das, was wir erklären, was wir als spirituellen Sinn verfolgen, was wir als Lebensideal, als Bewegung projizieren, wird durch diese jahrelange Unterlassung vorhandener Information in Frage gestellt… Es ist aber auch eine enorme Chance.

Demütig sein, uns der Wahrheit verpflichten

Ich denke, der Schlüssel dazu ist, demütig zu sein, im Bewusstsein, dass wir Gottes vervollkommnungsfähige Kinder sind. Dass er uns so liebt, wie wir sind, mit unseren Tugenden und unseren Fehlern. Wenn ich mich so akzeptiere, wie ich bin, in dem, was gut ist und was nicht so gut ist, werde ich in der Lage sein, mich meinem Nächsten auf die gleiche Weise hinzugeben.

Es stimmt, es gab eine Auslassung. Aber das wurde jetzt anerkannt und eine Verpflichtung zur Wahrheit erklärt. Wir müssen alle daran arbeiten, die Wunde zu heilen und das Vertrauen zurückzugewinnen. Es wird ein langsamer und harter Prozess sein. Wir werden Schmerz erleben, wir werden das Gefühl der Täuschung erleben, wir werden von der Romantik zum Realismus übergehen müssen, und dann werden wir uns fragen, wie wir aus diesem voreiligen Exil herauskommen. Ich habe nicht die Antworten, aber ich habe einige Anhaltspunkte: indem wir  Schmerz und Trauer leben, indem wir die Wahrheit suchen, indem wir die Gestalt unseres Vaters und Gründers mit Glauben und viel Vertrauen hinterfragen, indem wir uns in unserem Bündnis mit der Gottesmutter stärken, indem wir Jesus als Mittelpunkt leben, und vor allem, indem wir danach streben, die Wunden zu heilen, indem wir unsere Beziehung zu den Patres und Schwestern und umgekehrt neu überdenken, durch ständigen Dialog, Vertrauen und Transparenz, indem wir die Spiritualität verantwortungsvoll leben, indem wir kritisch sind, aber vor allem, indem wir uns erlauben, aufzunehmen, umzuwandeln und auf Begegnung zuzugehen. Die Geschichte hat uns in diese entscheidende Phase versetzt. Lasst uns nicht Zuschauer sein, lasst uns Schönstatt weiterbringen, lasst uns aus dem Exil herauskommen und zeigen, warum… Nichts ohne dich, nichts „ohne uns“.

 

Verbunden,
Gonzalo Morales Sepúlveda
Heiligtum Monte Horeb
Chillán, Chile, 5. Juli  2020

Original: Spanisch, 5. 07.2020. Übersetzung: Maria Fischer @schoenstatt.org

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