Sínodo Madrid

Veröffentlicht am 2022-03-11 In Kirche - Franziskus - Bewegungen, Synodale Kirche

Sprechen Sie frei, sagen Sie, was Ihnen durch den Kopf geht

SPANIEN, Javier Nieves • 

Mein Name ist Javier, ich bin Journalist und Radiomoderator und außerdem Mitglied des Schönstatt-Instituts der Familien. Vor ein paar Tagen erhielt ich einen ungewöhnlichen Anruf. Er kam vom Leiter „Institutionelle Beziehungen“ des Erzbistums Madrid: „Guten Tag, mein Name ist Andrés Ramos und ich rufe Sie im Namen von Kardinal Carlos Osoro an“. Guten Tag, und was brauchen Sie von mir? —

Don Andrés erklärte mir, dass der Kardinal sich mit verschiedenen Sektoren der Gesellschaft trifft und dass er in den nächsten Tagen eine Gruppe zusammenbringen möchte, die sich mit Kultur und Kunst beschäftigt. Das erste, was ich dachte, war, dass er aufgrund meiner Arbeit, durch die ich etliche Kontakte in diesem Sektor habe, Hilfe brauchte, um Telefonnummern zu bekommen: „Nun, was brauchen Sie, einige Telefonnummern?“ –“Nun, antwortete er, ich könnte sie gebrauchen, aber eigentlich wollte ich Ihnen die Einladung zur Teilnahme an dem Treffen übermitteln.“ Natürlich habe ich schnell geantwortet, ich habe nicht einmal gefragt, was die anderen Teilnehmer machen.

Einige waren genauso überrascht wie ich über die Einladung

Der Kardinal empfing uns am Montag, den 7. März um 17:00 Uhr im Bischofshaus von Madrid. Ich war unter den ersten, die ankamen, und traf einen berühmten Fernsehmoderator, den ich bereits kannte, und einen bekannten Filmregisseur, den ich nun ebenfalls kennenlernen durfte. Weitere Gäste trafen ein: zwei bekannte Sänger, eine Instagrammerin, ein Stierkämpfer, eine Olympiamedaillengewinnerin, ein Bildhauer, ein Dichter, ein Tänzer, eine Paralympics-Medaillengewinnerin, ein Schauspieler, ein Direktor des Teatro Real, des Reina Sofía Museums, ein Filmproduzent. Alle sehr bekannt, alle sehr populär und auf ihrem Gebiet anerkannt. Einige von ihnen drückten ihre Überraschung über das Treffen aus und rätselten, warum sie zu der Veranstaltung eingeladen worden waren und nicht andere Menschen, die so viel gläubiger waren.

Ein offener Dialog mit allen Bereichen der Gesellschaft

Der Dialog, der mehr als zwei Stunden dauerte, begann mit einer kurzen Einführung durch den Kardinal, der erklärte, dass der Papst die apostolischen Verantwortlichen in dieser Zeit der Synode gebeten habe, einen offenen Dialog mit allen Bereichen der Gesellschaft zu führen. Don Carlos hatte die Idee, diese Art Treffen abzuhalten und gab sie an den Papst weiter, der ihn ermutigte, damit fortzufahren. Er erzählte uns, dass er dieses Treffen bereits mit politischen Führern aller Ideologien, ob gläubig oder nicht, mit Gewerkschaften, Arbeitgebern, Universitätsprofessoren und nun auch mit der Welt der Kultur und Kommunikation abgehalten hat. Es wird noch eine weitere mit gefährdeten Menschen geben, die auf der Straße oder in schwierigen Situationen leben.

Die Mission, Brücken zu bauen und Mauern einzureißen

Die Kirche habe in diesen historischen Zeiten die Aufgabe, durch klare Botschaften und gute Taten Brücken zu bauen und Mauern einzureißen. Er bemerkte, dass Krisen vor allem auf drei Arten überwunden werden können: durch den gemeinsamen Dialog, die Arbeit an gemeinsamen Projekten und die konstruktive Lösung von Konflikten. Aus all diesen Gründen wollte er allen zuhören, indem er die folgende Frage stellte: Was möchten Sie, Menschen aus der Welt der Kultur und der Kommunikation, von der Kirche in diesen historischen Zeiten verlangen?

„Manchmal fühlen wir uns mehr verurteilt als angehört“

Die Teilnehmer begannen, in geordneter Weise das Wort zu ergreifen. Sie waren alle dankbar für die Einladung und bekundeten ihren Glauben. Als der Kardinal dies hörte, betonte er noch einmal: Sprechen Sie frei, niemand kommt, um Sie zu verurteilen, ich komme, um zuzuhören, sprechen Sie frei, sagen Sie, was Sie denken. Bald begann ein wertvoller Austausch, bei dem die Teilnehmer der Reihe nach über ihren Glauben sprachen und darüber, wie einige von ihnen ihn verloren hatten, warum sie die Kirche verlassen hatten. Einige von ihnen sagten, dass sie sich wegen ihrer sexuellen Orientierung verurteilt fühlten, andere, dass eine Scheidung und eine anschließende Zivilehe ihnen nicht erlaubte, die Kommunion zu empfangen, und dass sie sich nicht in der Lage fühlten, die Nichtigkeit zu beantragen, da dies bedeuten würde, ihren ehemaligen Partner schlecht zu machen, was sie nicht tun wollten. Die Themen, die zur Sprache kamen, waren sehr unterschiedlich: die Homo-Ehe, der Zugang von Frauen zum Priesteramt, die Starrheit der Zeremonien, die Zurschaustellung des Reichtums der Kirche in einigen Kathedralen. Die meisten von ihnen erklärten, Agnostiker oder nicht praktizierende Gläubige zu sein, und äußerten die Erfahrung, dass sie sich vor der Kirche, sowohl der Hierarchie als auch dem christlichen Volk, oft mehr verurteilt als angehört fühlten, und baten um mehr Offenheit für ihre persönliche Verfassung oder Situation.

Jesus ist doch gekommen, um bei allen zu sein

Angesichts all dessen behielt der Kardinal eine Position bei, in der er nicht nur zuhörte, sondern auch willkommen hieß. Es war für mich beeindruckend zu sehen, wie sich jeder öffnete und etwas so Tiefgreifendes wie sein Glaubensleben anderen mit der Sehnsucht von jemandem zeigte, der Gott sucht oder irgendwann in seinem Leben gesucht hat. Der Kardinal erinnerte sie daran, dass Jesus gekommen war, um bei allen Menschen zu sein, dass er jeden akzeptierte, unabhängig von seinem Zustand, seiner Arbeit oder seiner Denkweise. Auch das Thema Kindesmissbrauch kam zur Sprache. Der Kardinal betonte eindringlich, dass innerhalb der Kirche kein einziger Fall von Missbrauch geduldet werden dürfe, da es sich um ein sehr ernstes Problem handele, das aber die gesamte Gesellschaft betreffe, nicht nur die Kirche, und dass die gesamte Gesellschaft alles in ihrer Macht Stehende tun müsse, um es zu bekämpfen, wie es die Kirche bereits tue.

Die Gesellschaft ist verängstigt und sucht nach Antworten

Ich wollte dem Kardinal besonders für die Einladung danken und erzählte ihm von meiner Besorgnis über den Moment, den wir gerade erleben: Die Pandemie hat uns verwundbar gemacht, sagte ich ihm. Die Wissenschaft, eine unserer Säulen, hat uns gezeigt, dass es Zeiten gibt, in denen man sagen muss: NEIN, ICH WEISS ES NICHT. Die Grundlagen der liberalen Demokratie und die Pfeiler, auf die wir unser Zusammenleben stützen, die Bedrohung durch Tyranneien, der Kulturkampf mit dem Islam, in dem die Religion nicht vom Staat getrennt ist, der Übergang von einem hegemonialen Staat (USA) zu einem anderen (China), die neue fremdenfeindliche, populistische und nationalistische Politik, die technologische Revolution, der Klimawandel – all das erschüttert. Die Gesellschaft ist verängstigt und sucht nach Antworten, und die Kirche hat die Pflicht, der Welt diese Antworten zu geben, denn sie kennt sie. Aber sie muss dies in einer klareren, direkteren Sprache tun. Die Kirche muss lernen, in der Welt von heute zu bestehen.

Ein weiterer grundlegender Punkt ist für mich die Einheit innerhalb der Kirche, um der Welt zu zeigen, wie man die umstrittensten Probleme, wie Nationalismus und Unabhängigkeit, mit Dialog, Brüderlichkeit und Einheit lösen kann, nicht nur mit Worten, sondern auch durch ein Beispiel. Ich habe ihn auch gebeten, dass er in diesen Zeiten, in denen es an Kräften mangelt und Berufungen immer seltener werden, die Laien noch mehr in den Vordergrund stellen sollte, denn es scheint, dass wir bisher für alles um Erlaubnis bitten müssen. Schließlich möchte ich, so sagte ich ihm, den Wert der Ehe als eine Berufung zur Heiligkeit hervorheben, die ebenso gültig ist wie die anderer Formen des geweihten Lebens.

Wir leben in einem historischen Moment

Der Kardinal beendete das Treffen, indem er den Anwesenden für ihre Zeit und ihre Anwesenheit dankte und eine kurze Reflexion über das Gehörte anstellte: „Es ist eine Sache, gesagt zu bekommen, was die Gesellschaft denkt, und eine ganz andere, es direkt zu hören“.

Nach dieser Erfahrung kann ich nur um Gebete für diese Synode und für die Arbeit der Bischöfe und des Papstes in den kommenden Jahren bitten. Wir leben zweifelsohne in einem historischen Moment von großer Bedeutung und die Kirche muss darauf reagieren.

Original: Spanisch, 10.03.2022. Übersetzung: Maria Fischer @schoenstatt.org

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1 Responses

  1. Melle sagt:

    DANKE fuer diesen offenen, bereichernden Beitrag bei schoenstatt.org

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