Wie politisch soll Schönstatt, soll Kirche sein?

Veröffentlicht am 2024-03-23 In Leben im Bündnis

Wie politisch darf, muss Schönstatt sein?

DEUTSCHLAND, Renate Siebenkäs • 

Bündnisfeier auf dem Marienberg am Vorabend des Festes des heiligen Josef, traditionell immer eine Feier mit dem heiligen Josef… Doch bei Diözesanpräses Martin Emge sollte man sich nicht darauf einstellen, eine Predigt zurückgelehnt in der Kirchenbank zu hören. Ich würde diesen Bündnisgottesdienst überschreiben mit: Wie politisch darf/soll/muss die Schönstattbewegung sein? Wollte P. Kentenich eine Bewegung, die sich betend ins Heiligtum zurückzieht? Ich persönlich wurde einfach endlich wachgerüttelt, damit ich Politik mit Schönstatt verknüpfe. Schön, Weltgestalter sein zu dürfen. —

Diözesanpräses Martin J. Emge stellte seine Predigt unter das Thema der Gerechtigkeit; von Josef wird in der Heiligen Schrift mehrfach gesagt, dass er „gerecht“ war. In der Bibel sind Menschen „gerecht“, wenn sie ihr Vertrauen auf Gott setzen, nach der Tora – den fünf Büchern Mose als Lebensgesetz Gottes für sein Volk – leben und für andere zu deren Wohl handeln (vgl. z.B. Ps 112).

„Josef ist der erste Mensch, der im Neuen Testament, „gerecht“ genannt wird, und das noch vor seinem Sohn Jesus. Der Evangelist Matthäus erzählt, wie Josef dabei mit der Tora in Konflikt gerät, weil Maria seine ihm verlobte Frau öffentlich sichtbar ein Kind in ihrem Leib trägt, das nicht von ihm stammt. Er ist entschieden, sich heimlich von ihr zu trennen und sie damit nicht öffentlich bloßzustellen. Damit wäre er einem Weg gefolgt, der von der katholischen Kirche ziemlich breitgetreten ist: nämlich öffentlich die Regeln des Gesetzes zu proklamieren, aber im Stillen – „in camera caritatis“ – Barmherzigkeit zu gewähren. Matthäus erzählt aber, wie Josef durch einen Lernprozess geht, indem er sich auf seine Träume verlässt und auf den Boten Gottes, der da zu ihm spricht. Er nimmt Maria öffentlich als seine Frau an, und wird so der Vater des fremden Kindes, mit dem sie schwanger geht. Josef entscheidet sich dazu, dass schlichte Gesetzestreue der falsche Weg ist. Es gibt ein dem Buchstaben übergeordnetes Prinzip der Gerechtigkeit, das das Gemeinwohl im Blick hat. Die biblische Weisheit kennt diese Gerechtigkeit, und stellt sie dem Verhalten der Übeltäter gegenüber, welche sich mit ihrem Verhalten aber oft genug auf das erlassene Gesetz berufen: „Der Gerechte freut sich, wenn Recht geschieht, doch den Übeltäter“ – wie etwa den Despoten Herodes – „versetzt das in Schrecken“ (Spr 21,15); „der Gerechte hat Verständnis für den Rechtsstreit der Armen“ (Spr 29,7). Josef lernt, dass Gerechtigkeit mehr bedeutet, als geschriebenen Gesetzen zu folgen“, schreibt der Jesuit Pater Ansgar Wucherpfennig SJ.

Gerechtigkeit – in Russland?

Zunächst ging Martin Emge auf das Tagesgeschehen ein: die „Wahl“ Putins. Gerecht? Das war keine Wahl. Jeder wusste, wie sie ausgehen würde. Es gab keine Alternative, keine anderen Kandidaten.

Und Nawalny? Er ging 2021 ganz bewusst das Risiko ein, wieder verhaftet zu werden, als er in seine Heimat nach Russland zurückkehrte.

Nawalny setzte sich ein für Freiheit, freie Meinung, Gerechtigkeit, und dass sein Volk das Recht bekäme, wirklich frei und ehrlich zu wählen, wie es das Herz entscheiden würde.

Nawalny, ein Mann des Mutes, der ungebrochenen Zuversicht. Als er am 20.02.21 vor Gericht stand, bezog er sich auf die Seligpreisungen der Bergpredigt Jesu: „Selig die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit…!“ Aus seinem Glauben an Gott schöpfte er Kraft, sich für die Gerechtigkeit einzusetzen, für sie zu kämpfen. (Quelle: https://promisglauben.de/alexei-nawalny-bezog-kraft-aus-den-seligpreisungen-der-bergpredigt/)

Dafür stand er, dafür starb er. Der Präsident der Herzen ist tot. Er ist ein politischer Märtyrer, erklärte Martin Emge.

Gerechtigkeit – in Nazaret

Josef, Statue im Heiligtum der Verbundenheit

St. Josef

Die Gerechtigkeit führt uns auch nach Nazareth. Dort, in der Nähe der Verkündigungsbasilika, hütet eine Schwesternkongregation im „Haus des Gerechten“ einen Schatz, ein uraltes Grab, das Grab des Gerechten. Es könnte das Grab des heiligen Josef sein.

Im Schrifttext (Mk 1,19) hörten wir: „Josef, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte“. Gerecht bedeutete im Alten Testament: im Einklang mit Gott und den Menschen zu leben. Nach damaligem Recht hätte Maria, die ein uneheliches Kind erwartete, gesteinigt werden müssen.

Josefs Gottvertrauen ist unglaublich groß. Er vertraute der Stimme des Engels. Er vertraute darauf, dass alles mit göttlichem Recht geschah. Dass seine Frau schwanger war und ihn gerade in dieser Situation dringend brauchte.

Er wirkt mit bei der Erziehung dieses Kindes. Auch Jesus braucht jemanden, von dem er lernt, gerecht zu werden. Das konnte er gut bei Josef, dem Gerechten, lernen.

Josef, ein Kämpfer der Gerechtigkeit, lässt sich vom Engel führen, lässt Gott mitreden, ist offen für seine Lebensberufung und hört genau hin. Josef ist einer, der unbestechlich geblieben ist. Immer offen für Gottes Wünsche.

Und wir heute?

Daran können wir uns auch heute noch orientieren. Welchen Blickwinkel brauchen wir dazu?

Sind wir Kämpfer wie Nawalny und jetzt seine Frau? Oder wie der Heilige Josef? Oder wie Josef Engling mit seinem Lebensideal: „Ich will allen alles werden und Maria ganz zu eigen.“

Und Josef Kentenich?

Machen wir unseren Mund auf, wenn offensichtliches Unrecht in unserer unmittelbaren Umgebung geschieht? Oder schweigen wir lieber?

Die Frage der Gerechtigkeit ist unser Thema, ein ganz wichtiges Thema der Schönstattbewegung, der Schönstattfamilie!

Ein interessanter Aspekt: Josef Kentenich, der Gründer, hat unglaublich viele Gliederungen für sein Werk gegründet oder entstehen lassen: für Priester, Frauen, Männer, Ehepaare, Jugendliche, Diakone, und das alles in unterschiedlichen Einsatz- und Verbindlichkeitsoptionen. Ob wir sie alle kennen? Pater Josef Kentenich wollte, dass jeder zu seinem Recht kommt. In keiner geistlichen Gemeinschaft gibt es so viele einzelne Gliederungen.

Ich träume von einem Schönstatt, das den Mund aufmacht

Die Schönstattfamilie braucht wache Menschen, die spüren, was der andere braucht!

Martin Emge wörtlich:

„Ich träume von einem Schönstatt, das nicht nur fromm den Mund aufmacht, sondern Dinge sagt, die gesagt werden müssen. Wollte Pater Kentenich, dass wir mehr Rosenkränze beten, oder dass wir uns einmischen, Verantwortung übernehmen, den Mund aufmachen wie der heilige Josef? Lassen wir uns ermutigen mit gläubigem Vertrauen“.

Was mich bewegt und nachdenklich gemacht hat

Auf der Heimfahrt haben mich die Gedanken der Predigt sehr bewegt. Sie haben mich mit dem Blick auf die Gerechtigkeit regelrecht aufgewühlt und viele Fragen sind aufgetaucht:

Wie politisch wollte Pater Josef Kentenich seine Schönstattbewegung sehen?

Er selbst war ja sehr politisch, hat sich mit Hitler angelegt, sonst wäre er nicht im KZ gelandet. Er hat sich auch für seine Kirche eingesetzt – die Folge war das Exil in Milwaukee.

Wollte er eine betende Gemeinschaft, die sich in ihre Heiligtümer zurückzieht und den Rosenkranz betet?

Und ich? Wie engagiere ich mich für die Sache Gottes, für die Gerechtigkeit?

Selbst Nawalny bewegt mich ganz neu. Er hat offen bekannt, dass er durch seinen christlichen Glauben die Kraft bekommt, sich für Gerechtigkeit in Russland einzusetzen.

Kann es sein, dass ich an den Bündnisabenden durch den Gnadenstrom der Erneuerung des Liebesbündnisses mit der Gottesmutter die Kraft bekomme, mich in meinem Umfeld bewusst für Gerechtigkeit einzusetzen?

Und jetzt wird es real. Wie stehe ich den Asylsuchenden gegenüber? Trete ich für sie ein, wenn sie beschimpft werden?

Heiliger Josef, hilf mir, Herz, Augen, Ohren und Mund für die Gerechtigkeit einzusetzen und den Willen Gottes zu erkennen.

Marienberg

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