Elefante

Veröffentlicht am 2023-06-29 In Kentenich, Themen - Meinungen

Der Elefant im Zimmer

Von  Luis Enrique Zamarro Méndez, Spanien •

Laut Wikipedia (englisch) ist „Elephant in the room“,  „Elefant im Raum“ oder „Elephant im Zimmer“,  ein metaphorischer Ausdruck, der sich auf eine offensichtliche Wahrheit bezieht, die ignoriert wird oder unbemerkt bleibt. Er bezeichnet ein Problem, das zwar für eine Gruppe von Menschen klar erkennbar und bedeutsam ist, aber von diesen nicht thematisiert wird, so Wikipedia (deutsch).  Die Gründe für das Schweigen können vielfältiger Natur sein, beispielsweise die Angst vor persönlichen Nachteilen und Repressionen oder die Furcht, jemanden – womöglich Anwesende – zu verletzen, ein Tabu zu brechen oder allgemein ungeschriebene Regeln zu missachten. —

Es wird davon ausgegangen, dass die Anwesenheit eines Elefanten im Raum nicht zu übersehen ist. Die Menschen im Raum, die so tun, als wäre der Elefant nicht da, wollen das riesige Problem nicht angehen. Die bloße Anwesenheit eines so großen und offensichtlichen Problems wird jedoch für alle Beteiligten unangenehm. Sie vermeiden es dennoch weiterhin, sich mit dem Problem zu befassen oder darüber zu sprechen.

Seit dem Erscheinen des Buches von Frau von Teuffenbach haben wir in Schönstatt einen Elefanten, über den nicht gesprochen wird, von dem viele so tun, als gäbe es ihn nicht, als sei er nicht da. Aber der Elefant ist zu groß, der Elefant riecht nach Elefant, und man kann ihm nicht mehr ausweichen. Und damit meine ich nicht den Heiligsprechungsprozess oder die Heiligkeit Pater Kentenichs (das ist ein noch größerer und unangenehmerer „Elefant“, aber damit wollen wir uns jetzt nicht beschäftigen).

Die Erzählung

Bis zur Veröffentlichung des oben erwähnten Buches wurde die Geschichte des dritten Meilensteins vom 31. Mai und der anschließenden „Verbannung“ Pater Kentenichs nach Milwaukee in groben Zügen wie folgt erzählt: Kentenich hatte einen Kreuzzug für „organisches Denken, Lieben und Leben“ gegen den Mechanismus begonnen, der in Europa und zum Teil auch in der Struktur der deutschen Kirche Fuß fasste; die deutschen Bischöfe drängten auf eine Visitation der Schönstatt-Bewegung und Pater Kentenich antwortete mit  der „Epistola perlonga“ (langer Brief), der in der Deutschen Bischofskonferenz großen Ärger auslöste. Dies provozierte eine Visitation durch das Heilige Offizium, das Pater Kentenich nicht verstand und ihn verbannte. Nach vierzehn Jahren kam wie durch ein Wunder und durch die Hand der Heiligen Jungfrau ein Telegramm von wer weiß woher, und Pater Kentenich ging nach Rom und wurde nach verschiedenen Abenteuern rehabilitiert und verbrachte seine letzten Jahre in Schönstatt. Diese Geschichte wurde gewürzt mit den Reisen und Vorträgen, die Sr. Petra in allen Ländern hielt und in denen sie von den Tugenden und wunderbaren Taten Pater Kentenichs während der 14 Jahre seines Aufenthaltes in Milwaukee erzählte (diese Zeugnisse belegen übrigens, dass Pater Kentenich die Anordnungen des Heiligen Offiziums in eklatanter Weise missachtete, wie wir später noch analysieren werden).

Die Bewegung ging in die Defensive

Das Buch von Teuffenbach ist nichts anderes als die Veröffentlichung von Akten in einem öffentlich zugänglichen Archiv, in dem eine Reihe ehemaliger Marienschwestern (Schwester Georgia und andere) über ihre Erfahrungen mit Pater Kentenich im Zusammenhang mit dem eröffneten Seligsprechungsprozess geschrieben haben. Unabhängig von den Kommentaren der Autorin, denen ich persönlich keine Beachtung schenkte, bezogen sich die Dokumente auf Dinge, die mir völlig neu waren: Pater Kentenichs Prinzip der väterlichen Führung des Instituts der Marienschwestern (Vaterprinzip), die Akte der Verbundenheit mit Pater Kentenich, die Ölbergshaltung, das Kindesexamen usw.

Die heftige interne und externe Diskussion drehte sich sofort um möglichen Autoritäts- und Machtmissbrauch und sogar sexuellem Missbrauch Pater Kentenichs gegenüber diesen Schwestern. Sowohl die Leitung der Schwestern als auch das Generalpräsidium veröffentlichten sofort Stellungnahmen, die die Bewegung in die Defensive drängten und bestimmte Vorwürfe gegen die Autorin des Buches und die ehemaligen Marienschwestern, die die veröffentlichten Dokumente verfasst hatten, erhoben. Über offizielle und inoffizielle Kanäle wurde das Ansehen von Frau von Teuffenbach und Schwester Georgia angegriffen. Letztere und ihre Gefährtinnen wurden als unausgeglichen und labil hingestellt, ihr Urteilsvermögen und ihre Motive für das Schreiben der Briefe angezweifelt. Nicht einmal die Barmherzigkeit, die den Verstorbenen gebührt, die zudem prominente Mitglieder der Marienschwestern waren, kam zum Ausdruck.

Kurz gesagt, die Bewegung hat sich offiziell in sich selbst verschlossen, wurde defensiv und wandte unsere eigene Spiritualität nicht an: den praktischen Vorsehungsglauben und das Gesetz der geöffneten Tür. Sie hat sich nicht gefragt: Warum und wozu lässt Gott dies zu diesem Zeitpunkt zu?

El elefante en la habitación

Heben wir alle Teppiche hoch, werfen wir den Elefanten aus dem Zimmer!

Pater Kentenichs Art, die Marienschwestern zu führen

Ich kann in aller Bescheidenheit sagen, dass ich mir diese Frage gestellt habe, wie viele andere, die vor mir mutige Positionen auf diesem Gebiet eingenommen haben. Ich beschloss, alles zu studieren, was ich über den 31. Mai und die Zeit vor Pater Kentenichs Weggang nach Milwaukee finden konnte, was original, d.h. nicht durch das Sieb eines anderen gegangen war. Ich las mehrere Bücher, in denen die Schriften Pater Kentenichs über diese Zeit gesammelt waren, und erhielt über „informelle“ Kanäle die „Epistola perlonga“, die „Apologia pro vita mea“ und das Visitationsprotokoll von Bischof Stein.

Die Lektüre all dieser Dokumente hat mich, wie auch andere, zu einer eindeutigen Schlussfolgerung geführt: Die Versetzung Pater Kentenichs nach Milwaukee steht in direktem Zusammenhang mit der Art und Weise, wie Pater Kentenich die Schönstätter Marienschwestern geführt hat und wie sie zu ihm standen. Deshalb ist die ganze geschönte Version, die uns bisher erzählt wurde, eine Lüge oder eine ausgeschmückte Geschichte, um ein möglicherweise peinliches „Familiengeheimnis“ zu verbergen.

Mir persönlich fehlte noch ein Puzzleteil: Es war die Visitation des Heiligen Offiziums durch Pater Tromp, der Pater Kentenich aus der Bewegung entfernt hatte, aber ich war bisher nicht an seine Protokolle und Dekrete gekommen. So habe ich mich erneut an meine Quelle gewandt und erhielt diese Texte. Deren Lektüre bestätigte mir Punkt für Punkt meinen  vorherigen Eindruck: Das Heilige Offizium verurteilt Kentenichs Leitung des Schwesterninstituts und die Bräuche, die Symbolik, die konkreten Handlungen der Verbundenheit und andere Riten, die die Schwestern in Bezug auf Pater Kentenich praktizierten.

Hier haben wir unseren Elefanten: Wir alle wissen, dass die Erzählung vom 31. Mai mindestens offensichtlich unrichtig oder unvollständig ist, aber niemand wagt, das anzusprechen. Wir wissen auch, dass es bestimmte Praktiken und Bräuche gibt, die die Kirche für unangemessen hielt (und hält, da die Anweisung nicht widerrufen wurde) und die sie verboten hat, und die im Leben der Bewegung immer noch in Kraft sind.

Das Buch „Visitación del Vaticano al Movimiento de Schoenstatt (1951-1953)“ (Vatikanische Visitation der Schönstatt-Bewegung (1951-1953)

Visitación del Vaticano al Movimiento de Schoenstatt

Visitación del Vaticano al Movimiento de Schoenstatt, in spanisch bei Nueva Patris

Wir haben gerade gesagt, dass sich niemand traut, es anzufassen, und ich muss mich korrigieren. Denn gerade ist das Buch “ Visitación del Vaticano al Movimiento de Schoenstatt (1951-1953)“ Editorial Nueva Patris, Chile, geschrieben von Pater Patricio Moore Infante, erschienen (auf Spanisch, Anm. d. Ü.)

Dieses Buch hat das große Verdienst, diese Zeit anhand der Berichte, Dokumente, Protokolle und Beschlüsse von Pater Tromp während des angegebenen Zeitraums zu behandeln. Man muss ihm für seinen Mut und seine Entschlossenheit danken, „ein Fenster im Raum“ zu öffnen. Wie wir sehen werden, hat er den Elefanten zwar nicht aus dem Raum geholt, aber zumindest riecht er drinnen weniger.

Das Buch verortet uns historisch und soziologisch in der Situation des Nachkriegsdeutschlands, was dazu beiträgt, die Landschaft zu zeichnen, in der sich unsere Handlung entfaltet, und erklärt die Visitation in beträchtlichem Detail; außerdem werden zum ersten Mal die Einwände des Heiligen Offiziums gegen Pater Kentenich öffentlich gemacht.

Allerdings leidet das Buch meiner Meinung nach unter einigen Mängeln:

  • Es zeichnet ein biographisches und psychologisches Profil der Hauptakteure in der Linie der offiziellen Reaktion im Jahr 2020. Tromp wird als wütend, distanziert, schlecht gelaunt und streng beschrieben. Der Verfasser beharrt auf dem Profil von Schwester Georgia und Schwester Anna als hysterisch und unausgeglichen, und Pater Kentenich wagt er maximal als starrsinnig zu bezeichnen (ohne das genaue Wort zu verwenden). Mit anderen Worten, es wird eine Voreingenommenheit erzeugt, die darauf abzielt, die Vorwürfe zu entkräften.
  • Pater Kentenich und Pater Tromp werden auf die gleiche Stufe gestellt, wobei vergessen wird, dass Pater Kentenich 1951 ein einfacher Priester in einer nicht gerade elitären religiösen Einrichtung und Pater Tromp (ein Jesuit) der Visitator des Heiligen Offiziums war.
  • Die Weisungen von Pater Tromp hat der Autor auf Latein, der Originalsprache der Dokumente, transkribiert, ohne sie ins Spanische zu übersetzen (zumindest in der Kindle-Version, die ich gekauft habe). Ich kann mir nicht vorstellen, dass es nachvollziehbare Gründe gibt, dem Leser das Verständnis zu erschweren, schlage aber vor, dies bei künftigen Ausgaben zu berücksichtigen.
  • Die erwähnten Einwände (auf die wir später noch eingehen werden) werden vom Autor als „die Bäume“ bezeichnet und die geistigen Grundlagen oder Prinzipien, die Pater Kentenich verteidigt, als „der Wald“. Er sagt, dass die Bäume Tromp daran hinderten, den Wald von Pater Kentenich zu sehen und dass dessen Leidenschaft für seine Prinzipien ihn daran hinderte, die Einwände von Tromp zu analysieren und zu erkennen. Der Autor hat Recht mit seiner Analyse: beide hielten an ihrer eigenen Sicht des Problems fest, aber ich denke, er irrt sich, wenn er beide Ansichten auf dieselbe Ebene stellt. Tromp kommt nicht, um mit Pater Kentenich über Theologie oder die Grundlagen des Gesetzes der organischen Übertragung oder das Prinzip der väterlichen Führung zu streiten, er kommt, um das Skalpell darauf anzusetzen, wie diese Theorien in der Beziehung Pater Kentenichs zu den Schwestern in die Praxis umgesetzt werden.
  • Kentenichs Beziehung zu den Schwestern: Der Autor konzentriert sich auf das Problem und zeichnet das Spielfeld, ergreift aber keine Partei. Darüber hinaus empfiehlt er, die Motivationen und die Geschichte der Nebendarsteller (Schwester Georgia, Schwester Anna und einige Pallottiner-Priester) näher zu beleuchten. Manche Spin-Offs von Blockbuster-Filmen oder -Serien können unterhaltsam sein, aber in diesem Fall lenken sie uns vom Hauptproblem ab.

Dank Pater Patricio Moore können wir auf jeden Fall offen über den „Elefanten, der den Raum der Bewegung füllt“ sprechen, was mir erlaubt, in der Debatte Partei zu ergreifen.

Was wurde von Pater Kentenich verlangt?

In den Dokumenten, die ich in die Hand genommen habe, gibt es Dekrete, die an Pater Kentenich und andere, die an die Marienschwestern gerichtet sind.

In dem Dekret des Heiligen Offiziums vom 27. November 1951, das an Pater Kentenich gerichtet ist, heißt es:

P. Kentenich solle

  • sich mit größerem Respekt vor der kirchlichen Autorität verhalten.
  • auf großspurige Ausdrücke zu verzichten, die die Gläubigen in die Irre führen könnten (Schönstatt ein von Gott besonders geliebtes Werk, usw.):
  • sich der geistlichen Leitung von Marienschwestern, sei es mündlich oder schriftlich, enthalten
  • Schönstatt nicht betreten
  • weder direkt noch indirekt, weder mündlich noch schriftlich, irgendeine Art von Kommunikation mit dem Institut der Marienschwestern im Allgemeinen und ihren Oberinnen, noch mit einer einzelnen Schwester unterhalten.

Am 1. Dezember 1951 verfügte Tromp, als wäre das nicht deutlich genug, dass er sich in der Zwischenzeit jeglicher Führung des Schönstattwerks mit all seinen Gemeinschaften und Gliederungen enthalten müsse.

Am 9. August 1952 schrieb Pater Tromp an Pater Turowski (General der Pallottiner) die folgenden Anweisungen:

  • Dieser Priester darf sich in keiner Weise in die Angelegenheiten der Apostolischen Visitation einmischen.
  • Es ist ihm auch untersagt, sich, aus welchem Grund auch immer, zur Schönstattfrage zu äußern, weder mündlich noch schriftlich, weder direkt noch indirekt.

Es gibt Dokumente aus dem Jahr 1953, als die Visitation endete, und aus dem Jahr 1955, die die hier niedergeschriebenen Anweisungen in allen Punkten bestätigen.

Obwohl es nicht Gegenstand dieses Dokuments ist, ist es offensichtlich, dass Pater Kentenich wiederholt, freiwillig und bewusst die Anweisungen des Heiligen Offiziums, das heißt der Kirche, nicht befolgt hat. Es scheint, dass er in seinem Leben keine Autorität respektiert hat. Ich persönlich weiß nicht, ob er die Kirche geliebt hat, aber wenn, dann auf eine ganz besondere Weise… Wir mögen es drehen und wenden, wie wir wollen, aber die Tatsachen und die Realität sind hart. Eine Möglichkeit, die Wunden der Pallottiner und der Kirche zu heilen, vor allem von Seiten derer, die den Heiligsprechungsprozess Pater Kentenichs voranbringen wollen, wäre vielleicht, dass die Bewegung in seinem Namen um Verzeihung bittet, dass er so klare Anweisungen wie diese nicht befolgt hat.

Was von den Marienschwestern verlangt wurde

Am 10. August 1951 erlässt Pater Tromp im Namen des Heiligen Offiziums ein Dekret an die Marienschwestern mit den folgenden Bestimmungen (zur besseren Lesbarkeit zusammengefasst):

  • Sie sollen bescheiden und ohne Übertreibung über das Schönstattwerk sprechen.
  • Völlig verboten sind Ausdrücke, die zu Irrtümern führen könnten: Schönstatt als Gottes Lieblingsschöpfung, Schönstattglaube und Ähnliches.
  • Es ist verboten, in Bezug auf Schönstatt die Frage (des Glaubensbekenntnisses) zu stellen: Glaubst du? Ich glaube.
  • „Vaterakte“ aller Art und Ausdrucksformen sind verboten, ebenso wie das Kindesexamen
  • Die Gethsemenani-Haltung ist nur erlaubt, wenn Sie allein oder im Schuldkapitel eingenommen wird
  • Kopien verschiedener Dokumente, einschließlich der „Epistola perlonga“, sind zu vernichten
  • „Himmelwärts“ darf nur im privaten Rahmen benutzt werden
  • Die Kurse dürfen keine Geheimnisse haben, die nicht der Generaloberin offenbart werden können.
  • Familiengeheimnisse sind vor der kirchlichen Autorität nicht gültig.
  • Jede persönliche Verehrung Pater Kentenichs zu vermeiden und in der Art und Weise, wie man sich in Bezug auf den „Mariengarten“ äußert, maßvoll zu sein.
  • Die Schwestern, die die „Vaterakte“ nicht befürwortet haben, sollen in ihre Ämter wieder eingesetzt oder entschädigt werden

Darüber hinaus schrieb Pater Tromp am 14. November 1951 ein Dokument an die Generalleitung der Marienschwestern, in dem er seine Ablehnung des „Vaterprinzips, wie es sich bei den Schwestern entwickelt hatte“, bekräftigte und die Gründe dafür darlegte:

  • Gemeinschaften, in denen der „Moderator“ (Leiter) eine absolute Machtposition innehat, werden von der Kirche nicht wohlwollend betrachtet.
  • Spezifische Gründe für die Ablehnung des Vaterprinzips:
    • Unter den Schwestern haben sich viele Bräuche entwickelt, die die Frage aufgeworfen hätten, ob es sich um eine Gemeinschaft von Ordensschwestern oder um ein psychopathisches (sic!) Institut handelt.
    • Um den Gründer vor allzu zärtlichen Zuneigungsbekundungen seitens fantasievoller oder überschwänglicher Schwestern zu schützen.
    • Beim „Kindesexamen“ kann es Schwestern geben, die nicht den Priester, sondern auch den Mann sehen.
    • Das Heilige Offizium lehnt den Einsatz des Kindesexamens zur Lösung von sexuellen Schwierigkeiten oder Spannungen ab.
  • Das Vaterprinzip macht es den Schwestern schwer, mit der kirchlichen Autorität umzugehen.

Sie werden auch dazu angehalten, innerlich und äußerlich den Anweisungen der Kirche zu gehorchen.

Hier werden die „Bäume“, von denen Pater Patrick Moore in seinem Buch spricht, deutlich gezeichnet. Meine These ist, dass Pater Tromp, unabhängig davon, ob er die theologischen, philosophischen oder psychologischen Grundlagen des Prinzips der väterlichen Führung und des Gesetzes der organischen Übertragung verstanden hat oder nicht, ganz klar die Gefahren und Fehlentwicklungen ihrer konkreten Umsetzung verstanden und voll erfasst hat. Tromp erkannte die Probleme und wollte ihnen Einhalt gebieten, und der einzige Weg war, Pater Kentenich von seinem Werk zu trennen. Ich behaupte, dass die Kirche nicht im Unrecht war, aber ihre Hinweise trugen nicht die Früchte, einen „gesunden Bindungsorganismus“ (im Schönstatt-Jargon) hervorzubringen, weil auch die Schwestern diese Verpflichtungen nach außen und nach innen auf die eine oder andere Weise nicht erfüllten.

Das Prinzip der väterlichen Autorität / Vaterprinzip und das Gesetz der organischen Übertragung gingen davon aus, dass die natürliche Bindung an Pater Kentenich, eine natürliche kindliche Bindung an ihn, die Schwestern (und damit auch den Rest der Familie) zu einer spirituellen Erfahrung von Gott, dem Vater, führen würde, so wie die heilige Therese durch die Liebe und Bindung an ihren eigenen leiblichen Vater geführt wurde. Wir können die Theorie teilen, aber es ist offensichtlich, dass ihre Umsetzung nach den Beschreibungen, die uns aus dieser Zeit überliefert sind, uns ein gefährliches Bild der affektiven und emotionalen Abhängigkeit der Schwestern von Pater Kentenich zeigt.

Die Mitverantwortung der Bewegung

Man könnte meinen, dass die Marienschwestern die einzigen sind, die für all das verantwortlich sind. Das ist offensichtlich nicht der Fall. Die Bewegung als Ganzes muss davon ausgehen, dass sie durch ihr Handeln oder Unterlassen in gewisser Weise versagt hat und weiterhin versagt, dem nachzukommen, was die Kirche durch das Heilige Offizium und Pater Tromp von uns verlangt hat:

  • Wir verwenden weiterhin übertriebene Begriffe in Bezug auf das Schönstattwerk.
  • Wir verwenden weiterhin unangemessene Formeln für die Erneuerung des Bündnisses oder die Weihe.
  • Wir praktizieren weiterhin öffentliche Akte der Verbundenheit mit Pater Kentenich, wir halten Workshops zur Verbundenheit mit Pater Kentenich ab, wir errichten Statuen von Pater Kentenich, wir sprechen Gebete zu Pater Kentenich und pflegen eine persönliche Verehrung für Pater Kentenich im Hinblick auf seine Heiligsprechung, obwohl dies nach dem Kirchenrecht verboten ist.
  • Wir haben immer noch Probleme mit der Identifikation mit der kirchlichen Autorität. Pater Kentenich wird in sehr vielen Fällen als eine höhere Autorität angesehen, obwohl er schon verstorben ist.

Wir sollten als Bewegung offen darüber nachdenken und Schönstatt neu gründen, um die Gestalt Pater Kentenichs als Gründer an den Platz zu stellen, der ihm entspricht, an den Platz, an dem die Kirche ihn haben will. Pater Kentenich ist unser Gründer und er verdient unsere Zuneigung und Dankbarkeit dafür, dass er ein Werkzeug des Heiligen Geistes war, um der Kirche unsere eigene Spiritualität zu geben, aber wir müssen streng auf die Einhaltung des Kirchenrechts achten und dürfen eine intime und private Verehrung nicht mit dem gebührenden Respekt für die Normen der Kirche verwechseln.

Wir müssen „den Elefanten aus dem Zimmer schaffen“

Wir müssen den Meilenstein des 31. Mai in vollem Frieden umschreiben und die Versäumnisse der Familie anerkennen. Es gibt hier keine Gewinner oder Verlierer. Keiner der Verantwortlichen der Bewegung von 1950 ist weilt noch unter uns. Wir sind für unser eigenes Handeln verantwortlich und wir müssen das, was uns unsere Vorgänger uns hinterlassen haben, in die Hand nehmen, um es zu heilen und dann an die kommenden Generationen weitergeben. Die Apostolische Bewegung von Schönstatt wird verschwinden, wenn sie nicht nützlich ist. Wir müssen „den Elefanten aus dem Zimmer holen“.

Man kann nur in der Wahrheit bauen und wiederaufbauen. Die Wahrheit wird uns frei machen, denn sie wird uns Ruhe geben. Wir schauen ständig auf die Vergangenheit, weil wir Angst haben, dass jemand „einen anderen Teppich hochzieht“. Lassen Sie uns alle Teppiche hochheben, lassen Sie uns alle Elefanten herausnehmen, lassen Sie uns erkennen, dass Pater Kentenich in seiner Sturheit falsch lag und dass er nicht perfekt war; lassen Sie uns erkennen, dass die Bewegung als Ganzes nicht perfekt war, und lassen Sie uns zu den „neuen Ufern“ blicken.

Zu Füßen meines Hausheiligtums, mit all meiner Liebe zu Gott, der Gottesmutter und Schönstatt.

Santuario Hogar

Zu Füßen meines Hausheiligtums, mit all meiner Liebe zu Gott, der Gottesmutter und Schönstatt.

“Treu im Dienst”

Text als PDF

Original: Spanisch, 27.06.2023. Übersetzung: Maria Fischer @schoenstatt.org

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