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Veröffentlicht am 2020-11-11 In Kentenich

Welche Rehabilitierung?

 Gonzalo Génova, Spanien •

Unter den verschiedenen Anschuldigungen, die Dr. Alexandra von Teuffenbach gegen Pater Kentenich vorgebracht hat, prangerte sie Anfang August an, dass es nach seiner Rückkehr aus dem Exil in Milwaukee nie eine formelle Rehabilitierung gegeben habe. Dazu gibt es einen früheren Artikel auf schoenstatt.org, in dem die für den Fall relevanten Dokumente zitiert werden, vor allem zwei Briefe von Kardinal Ratzinger aus seiner Zeit als Präfekt der Glaubenskongregation aus den Jahren 1982 und 1983, als Antwort auf verschiedene Konsultationen und Beschwerden, die er von den Pallottinern, aber auch Generalpräsidium Schönstatts sowie Bischöfen und Kardinälen erhalten hatte. —

Zunächst ist zu betonen, dass es in der Tat nie ein formelles Dekret zur Rehabilitierung gab, wie P. Ángel Strada in verschiedenen Artikeln und Videos erklärt hat. Es gab kein formelles Dekret, weil „es nicht üblich war“. Ich zögere nicht zu sagen, dass es mir als eine schwere Ungerechtigkeit seitens eines vatikanischen Gremiums erscheint, solche Unklarheiten in der juristischen Situation einer Person vor der Kirche zuzulassen. Und wenn es eine gängige Praxis ist oder war, dann ist es eine gängige Ungerechtigkeit.

Eine „de facto“-Rehabilitierung – was ist das?

P. Josef KentenichDann wird verschiedentlich argumentiert, dass es eine „de facto“-Rehabilitierung gegeben habe, für die verschiedene Beweise vorgelegt werden, von denen wir einige hervorheben können:

  • dass die Glaubenskongregation den Fall Kentenich als abgeschlossen betrachtete und ihn an die Religiosenkongregation verwies (20.10.1965);
  • dass Papst Paul VI. dieser Maßnahme zwei Tage später zustimmte und später Pater Kentenich in einer Audienz empfing (22.12.1965);
  • dass Pater Kentenich seine Tätigkeit an der Spitze der Bewegung und insbesondere als Generaldirektor der Marienschwestern mit dem Wissen vieler Autoritätspersonen in der Kirche wieder aufgenommen hat, ohne dass jemand Einwände erhoben hätte;
  • dass Bischof Höffner, der sich bereit erklärte, Pater Kentenich in seiner Diözese Münster inkardinieren zu lassen, damit er aus der Gemeinschaft der Pallottiner-Patres austreten könne, die übrigen deutschen Bischöfe darüber informierte und keine Einwände gegen die Rückkehr Pater Kentenichs und die Wiederaufnahme seines Apostolats an der Spitze Schönstatts erhielt;
  • dass Bischof Stein, Verfasser des Berichts über die erste Visitation (Februar 1949), derjenige war, der 1975 den Selig- und Heiligsprechungsprozess einleitete, mit der vorherigen Erlaubnis (nihil obstat) der Glaubenskongregation  im Jahr 1973.

Was noch offen ist

Ich persönlich halte all diese Beweise für mehr als ausreichend, um zu argumentieren, dass es tatsächlich eine „de facto“-Rehabilitierung gegeben hat. Es ist jedoch zu bedenken, dass die Frage aus historischer Sicht nicht vollständig geklärt ist.

Ich persönlich halte all diese Beweise für mehr als ausreichend, um zu argumentieren, dass es tatsächlich eine „de facto“-Rehabilitierung gegeben hat. Es ist jedoch zu bedenken, dass die Frage aus historischer Sicht nicht vollständig geklärt ist. Tatsächlich hat Kardinal Ratzinger in seinem Brief vom 2. April 1982 gesaght, als das Heilige Offizium die Sache an die Religiosenkongregtion übertragen habe, sei dies unter der Bedingung geschehen, dass Pater Kentenich nicht die Leitung des Schönstattwerkes übernehmen würde. Dieselbe Behauptung wurde jedoch von P. Francisco Javier Errázuriz, dem damaligen Vorsitzenden des Generalpräsidiums, und von demselben Bischof Höffner, der P. Kentenich inkardiniert hatte, wodurch er Diözesanpriester des Bistums Münster wurde, beantwortet. Was aus meiner Sicht noch einer Erklärung bedarf, ist, warum Kardinal Ratzinger in seinem Brief vom 15. November 1983 diese Bestätigung weder ratifiziert oder dementiert, obwohl er nachdrücklich dazu aufgefordert wurde. Soweit mir bekannt ist, ist dies das letzte schriftliche Dokument zu diesem Thema.

Zwei Begriffe von Rehablititierung

Wenn wir nun über „Rehabilitierung“ sprechen, sollten wir zunächst zwei mögliche Bedeutungen des Begriffs unterscheiden. Erste Bedeutung: Das Heilige Offizium war der Ansicht, dass die „Verwaltungsmaßnahme“ des Exils ihr Ziel erreicht hatte, und P. Kentenich in sein früheres Leben zurückkehren könnte. Zweite Bedeutung: Das Heilige Offizium war der Ansicht, dass das Exil eine ungerechte oder zumindest unverhältnismäßige Maßnahme gewesen sei, und dass diese Maßnahme aufgehoben werden sollte. Wie man sieht, handelt es sich dabei um zwei völlig unterschiedliche Bedeutungen, denn im ersten Sinn wird in keiner Weise davon ausgegangen, dass das Exil eine Ungerechtigkeit gewesen wäre. Dies ist wichtiger, als es scheint, denn wenn festgestellt wird, dass Pater Kentenich im ersten Sinne („verbüßte Strafe“) rehabilitiert wurde, dann kann daraus nicht geschlossen werden, dass er auch im zweiten Sinne („ungerechte Strafe“) rehabilitiert wurde. Wir können nicht ignorieren, dass die große Mehrheit der Menschen diese beiden Sinne nicht ausreichend unterscheidet, und neigen zu der Annahme, dass die „de facto“-Rehabilitierung die Anerkennung der Tatsache einschloss, dass das Exil eine ungerechte Maßnahme gewesen war. In der Tat können wir in Ratzingers zweitem Brief (1983), der an P. Errázuriz gerichtet ist, einen klaren Hinweis darauf erkennen, dass das Exil nicht als ungerechte Maßnahme betrachtet wird, die in Ordnung gebracht werden musste, und sehen gleichzeitig das Ziel dieser Maßnahme. Im genannten Brief heißt es:

  • „… dass die Maßnahmen, die seinerzeit vom Sanctum Officium gegenüber dem Gründer des Schönstattwerkes ergriffen wurden, einzig und allein dem Ziel dienten, das religiöse Ideengut P. Kentenichs zu schützen, es dem geistlichen Wohl der Kirche zuzuführen sowie das Werk als ganzes wie auch die einzelnen Mitglieder vor möglichen Gefahren zu bewahren.“
  •  „Das segensreiche Wirken, das von vielen Mitgliedern des Werkes in den letzten Jahren auf spirituellem wie auf pastoralem Gebiet geleistet wurde, wird von der Kongregation voll anerkannt; sie sieht darin die IntentionDabei waren sich die La Congregación reconoce plenamente la bendita labor que han realizado muchos miembros de la Obra en los últimos años, tanto espiritual como pastoralmente, y ve en ello una confirmación de las intenciones que la guiaron en su momento.“

Mit anderen Worten: 1983 gibt es keine Rücknahme der 1951 getroffenen „administrativen“ Maßnahme, sondern vielmehr die Bestätigung, dass es sich um eine angemessene und fruchtbare Maßnahme gehandelt habe. Dies darf nicht leichtfertig interpretiert und auch nicht übersehen werden. Wenn es etwas im Denken und in der Pädagogik Pater Kentenichs gab, das in die falsche Richtung führte, so ist es dennoch notwendig, es von seinen „guten religiösen Ideen“ zu unterscheiden und so das Ausmaß der Rehabilitierung richtig zu verstehen, die in den Ereignissen nach seiner Rückkehr aus Milwaukee und am Beginn des Selig- und Heiligsprechungsprozesses 1975 impliziert war.

 

Original: Spanisch. Übersetzung: Maria Fischer @schoenstatt.org

Foto:  Sitz der Glaubenskongregation, bis zum II. Vatikanischen Konzil „Heiliges Offizium“. Jim McIntosh – https://www.flickr.com/photos/jimcintosh/5551554714, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=14674859

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