Veröffentlicht am 2020-02-16 In Laien und Familie

Die Kirche ist gesandt, das Evangelium auf die Straßen zu tragen und menschliche und existentielle Randgebiete zu erreichen

Interview mit Belen Pérez-Alemany und Cayetano Soler, verantwortlich für das Projekt „Fortalecimiento Matrimonial“ in Spanien •

Papst Franziskus besitzt und verwendet bei seinen Ansprachen an bestimmte Gruppen mit bestimmten Erwartungen in hohem die Gabe der Freiheit. Er lässt sich nicht nur von dem herrschenden Klima bewegen und inspirieren und legt die vorbereiteten Reden beiseite, um spontanzu sprechen; er weiß auch jede Zuhörerschaft und jede Gelegenheit zu nutzen, um seine Botschaft den Anwesenden und (manchmal noch mehr) den nicht Anwesenden zu vermitteln… Das war der Fall in seiner Rede zur Eröffnung des Gerichtsjahres des Tribunals der römischen Rota, als er über die Rolle der Ehepaare in den Pfarreien und im Dienst der Familien sprach. —

Wir danken Pater José María García und Paz Leiva und Miguel Angel Rubio für die Idee, ein Interview mit Belen Pérez-Alemany und Cayetano Soler, in Spanien verantwortlich für das Projekt „Fortalecimiento Matrimonial“, zu den von Papst Franziskus angesprochenen Themen zu führen.

Fortalecimiento Matrimonial  ist ein Wochenend-Workshop für Ehepaare, in dem sich Mann und Frau mit der Schönstatt-Pädagogik und durch verschiedene Dynamiken und Überraschungsmomente neu begegnen; und das Paar trifft sich mit Gott, vertieft, schätzt und stärkt seine Ehebeziehung.

Papst Franziskus hat (in seiner Ansprache an die römische Rota) erneut die Bedeutung der „Pastoralarbeit im Katechumenat vor und nach der Eheschließung“ betont. Dabei fordert er, dass Ehepaare diese Aufgabe übernehmen. Wie ist Ihre Erfahrung? Ist die Verantwortung der Ehepaare für die Ehevorbereitung in Ihrem Umfeld eher etwas Gewöhnliches oder noch etwas Einzigartiges oder Ungewöhnliches?

In unserer Umgebung erleben wir das als etwas ganz Natürliches an. Wir kennen einige Paare, die sich der Aufgabe verschrieben haben, Brautpaare zu begleiten und vorzubereiten. Wir sind auch Teil eines Projekts, das mehr in der „Nachbereitung“ steht, weil es sich an Paare mit einer Geschichte richtet, die die Einheit zwischen ihnen und mit Gott stärken will. In einigen Kontexten, in denen wir aktiv sind, in der Bewegung, der wir angehören, in der Pfarrei, in der wir zur Messe gehen… gibt es ein Angebot, das sich sowohl an Brautpaare als auch an Eheleute richtet.

Wie reagieren Brautpaare oder junge Ehepaare auf die Begleitung eines oder mehrerer Ehepaare in der (vor-)ehelichen Seelsorge?

In den Kontexten, über die wir zuvor gesprochen haben, fühlen sich die Menschen, die wir aus erster Hand kennen, begleitet und daher gehört, verstanden und behütet. Einige haben Zweifel, Sorgen, Unsicherheiten…, die durch die Erfahrung, die Paare mit mehr Erfahrung mitteilen, eine Antwort erhalten.

Aber allgemein erleben junge Paare die Vorbereitung auf die Ehe, die in einigen Pfarreien durchgeführt wird, als etwas Langweiliges, Auferlegtes, sie sehen den Sinn nicht und sitzen sie sie als eine reine Formalität ab.

Es hat viel mit der Glaubenserfahrung zu tun, die diese jungen Menschen machen, wenn sie mit dieser Vorbereitung beginnen, ob diese Erfahrung gegeben ist oder nicht, auch die Erfahrung in ihrer Familie, in ihrer Umgebung… Wie können wir mit einem jungen Paar über die Gegenwart Gottes in ihrer Ehe sprechen, wenn sie ihn nicht in ihrem Leben, in ihrem Alltag, haben, wenn sie Gott nicht kennen?Es hat auch mit dem Ehepaar zu tun, das die Vorbereitung durchführt: Sind sie den jungen Paare nahe? akzeptieren sie sie? hören sie zu? respektieren sie sie? helfen sie? kümmern sie sich?…

Wennn nicht, dann sehen die Jugendlichen in ihnen ein Modell der Ehe, das weit weg ist, seltsam, von der Realität abgehoben, zu idealistisch oder zu väterlich, oder “ sonderbar einfach „schräg“.

In seiner Ansprache an die römische Rota sagt der Heilige Vater, ausgehend vom Beispiel des Ehepaares Priscilla und Aquila, die Ehepaare,  „die der Heilige Geist gewiss auch weiterhin beseelt, müssen bereit sein, »aus sich selbst herauszukommen und sich gegenüber den anderen zu öffnen, die Nähe zu leben, den Stil des Zusammenlebens, der jede zwischenmenschliche Beziehung in eine Erfahrung von Brüderlichkeit verwandelt«.“Wie wird diese Haltung in der apostolischen Arbeit, die Sie als Ehepaar leisten, erlebt und gelebt?

In vielen Ehen gibt es den Akzent, auch die Haltung, die dazu führt und drängt, „herauszugehen“, aber manchmal gibt es „Bremsen“: Ängste, Unsicherheiten, Vergleiche, das Gefühl, dem „nicht gewachsen zu sein“… Ein anderes Mal kommt diese Bremse aus Bequemlichkeit, Faulheit, der Verweigerung der Verpflichtung, der Anstrengung… Und Bremsen sind auch die konkrete Lebenswirklichkeit der Ehepaare, Belastungen der Familie, der Arbeit, der Gesundheit… Eine weitere große Bremse ist eine gewisse „Taubheit“: die mangelnde Sensibilität für die Realität um uns herum, das Nicht-Hören auf das, was um uns herum geschieht, die fehlende Aufmerksamkeit für die Zeichen der Umwelt, das Nicht-Hören auf die Bedürfnisse der anderen… Und schließlich ist eine sehr große Bremse, die manchmal kaum wahrgenommen wird, ist die mangelnde Kenntnis dieses Akzents christlicher Ehe. Die wissen einfach nicht, dass sie dürfen, dass sie können, sie wissen nicht, welches Talent sie geben können, sie haben ihre eigene Berufung nicht entdeckt und es hat sie ihnen auch niemand gezeigt.

„Die Kirche ist gesandt, das Evangelium auf die Straßen zu tragen und menschliche und existentielle Randgebiete zu erreichen. Sie lässt uns an die neutestamentlichen Eheleute Aquila und Priscilla denken“, sagt Franziskus den Bischöfen und Priestern. Aus Ihrer Erfahrung: Warum und wie können Paare das Evangelium besser auf die Straße bringen als andere? Warum und wie erreichen Ehepaare die menschlichen Peripherien besser?

Das steht in Beziehung zur vorherigen Antwort: ihre Realität, ihre persönlichen und lebenswichtigen Umstände, ihre Sensibilität für Bedürfnisse, ihr Wissen, wie man ein Werkzeug ist, ihr Selbstvertrauen.

In diesem Sinne ist es notwendig, diese Paare zu identifizieren, sie zu ermutigen, sie zu begleiten, ihnen zu helfen, sich selbst kennen zu lernen und in sich selbst diese Fähigkeit zu entdecken, Zeuge zu sein und so diese Haltung des Gebens zu wecken. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Paare eine führende Rolle dabei spielen, anderen Paaren durch Erfahrung, Zeugnis, Ausbildung und Ermutigung zu helfen, Führungspersönlichkeiten in der Kirche zu werden.

Ein Paar kann die Peripherie erreichen, wenn es entdeckt, dass es fähig ist, wenn es zuhören kann, wenn es eine Haltung der Hingabe gibt, wenn es lebensnah und einladend ist, wenn es nicht urteilt, wenn es respektiert, wenn es ausgebildet ist. Auch wenn sie sich begleitet, ermutigt fühlen, wenn sie nicht allein sind, wenn sie sich als Teil eines Teams fühlen, das sich zusammenschließt.

Ehepaare in Bewegung „ist es, was unserer Pfarrgemeinden bräuchten, vor allem in den städtischen Gebieten, in denen der Pfarrer und seine Mitarbeiter im geistlichen Amt nie die Zeit und die Kraft haben werden, Gläubige zu erreichen, die sich zwar als Christen bezeichnen, aber den Sakramenten fernbleiben und Christus nicht kennen oder fast nicht kennen“, sagt Franziskus. Was sind Ihre Erfahrungen in diesem Bereich?

Es besteht der Wunsch nach Antworten, nach einem gemeinsamen Weg, nach Unterstützung, nach Teilhabe, nach Wachstum in der Heiligkeit… aber es muss Harmonie, Teamarbeit, Synergien geben… zwischen der Pfarrei, dem Pfarrer und den Ehepaaren, die helfen. Es geht darum, für die Kirche zu arbeiten. Der Pfarrer muss die Hilfe zulassen, und die Ehepaare müssen sich ihm zur Verfügung stellen. Es ist notwendig, gemeinsam in der gleichen Leidenschaft zu rudern.

Welcher andere Aspekt der Rede lässt Sie über ihre Arbeit nachdenken, im Sinne von Bestätigung oder Herausforderung?

Es gibt zwei Formulierungen, die uns besonders „berührt“ haben. Eine lautet: „In dem Augenblick, in dem der Missionar an einem Ort ankommt, ist der Heilige Geist bereits dort und wartet auf ihn.“ Die andere lautet: „Die Kirche wächst nicht durch Proselytismus, sondern durch Anziehung.“

Es gibt Antworten, die in der heutigen Gesellschaft nicht leicht zu finden sind. Hier kommen die Pfarreien als ein einladender Raum, „Paare in Bewegung“ als Zeugnis des Lebens und der Heilige Geist als Garant ins Spiel.

 

Foto: iStock Getty Images, CreativaImages, ID 494762352. Licensed for schoenstatt.org

Original: Spanisch. Übersetzung: Maria Fischer @schoenstatt.org

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