Veröffentlicht am 2019-04-08 In Im solidarischen Buendnis mit Franziskus, Kirche - Franziskus - Bewegungen

Gelebte Solidarität im Mittelmeer

DEUTSCHLAND, Redaktion •

Europa beschäftigt sich derzeit vor allem mit dem Brexit. Gehen die Briten, wann gehen sie, wie gehen sie… Und man fragt sich, wie es passiert es, dass die europäische Idee, die Idee von einem geeinten, freien Europa, ihre Leuchtkraft verloren hat. Währenddessen sterben Tausende von Migranten und Flüchtlinge im Mittelmeer. Kardinal Marx, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, bezog an diesem Wochenende anlässlich der Verleihung des  Lew-Kopelew-Preises für Frieden und Menschenrechte an die private Seenotrettungsinitiative „Mission Lifeline“ klar Stellung. Christlich und in der Linie von Papst Franziskus, der die Staaten und die Menschen in Europa immer wieder zu mehr Solidarität und schlichter Menschlichkeit mahnt.

Wir veröffentlichen das Grußwort von Kardinal Marx im Wortlaut. Und seine Worte und die von Papst Franziskus gelten mutatis mutandi für jede Grenze, vor der Migranten und Flüchtlinge ertrinken, verhungern, verdursten, verzweifeln. Gleichzeitig erinnern die Worte des Kardinals, eines Experten der Christlichen Gesellschaftslehre, an die schöpferische Spannung zwischen offiziellem und freiem Raum, zwischen Institution und freier Initiative und die Verpflichtung der Institution, die sie ergänzenden freien Initiativen zumindest leben zu lassen; Initiativen, die oft das tun, was die Institution nie leisten könnte. Nicht nur im Mittelmeer.

In den vergangenen fünf Jahren sind – soweit wir wissen – etwa 18.000  Flüchtlinge und Migranten im Mittelmeer ertrunken: Männer, Frauen und Kinder, die ein Leben in Freiheit, Sicherheit und Würde suchten, und die stattdessen an dieser europäischen Außengrenze den Tod fanden. Das Mittelmeer war in alten Zeiten ein Raum der Verbindung zwischen Europa, Afrika und dem Nahen Osten. Heute scheint es vor allem ein Raum der Abschottung zu sein. Wie das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen im vergangenen Jahr feststellte, ist das Mittelmeer für Schutzsuchende zur tödlichsten Meeresstraße der Welt geworden.

Papst Franziskus erinnert die Staaten Europas immer wieder an ihre humanitäre Verantwortung. Ganz bewusst hat er im Juli 2013 seine erste Reise als Papst nach Lampedusa unternommen, wo er mit eindringlichen Worten der vielen Ertrunkenen gedachte: „Wer hat geweint über den Tod dieser Brüder und Schwestern? Wer hat geweint um diese Menschen, die im Boot waren? … Wir sind eine Gesellschaft, die die Erfahrung des Weinens, des ‚Mit-Leidens‘ vergessen hat: Die Globalisierung der Gleichgültigkeit hat uns die Fähigkeit zu weinen genommen!“

Als Christen dürfen wir uns mit dem Elend und der Not von Menschen nicht einfach abfinden. Abgrenzung und Abgestumpftheit widersprechen der Botschaft Jesu Christi. Vielmehr sind wir zu gelebter Nächstenliebe und tatkräftiger Solidarität aufgerufen. Die Seenotretter zeigen, was das ganz konkret bedeuten kann: Mit großem persönlichen Einsatz helfen sie dort, wo die meisten von uns lieber wegsehen.

Der ethischen und völkerrechtlichen Pflicht zur Seenotrettung dürfen sich die  Staaten Europas nicht entziehen. Wenn sie die Seenotrettung schon nicht selbst in ausreichendem Maße gewährleisten, müssen sie wenigstens die zivilgesellschaftlichen Retter handeln lassen. Im Moment scheint das Gegenteil der Fall zu sein: Die staatliche Rettung wird zurückgefahren und die nicht-staatliche Rettung blockiert. Sicherlich ist die zivilgesellschaftliche Seenotrettung keine politische Lösung für die großen Fragen von Flucht und Migration im Mittelmeerraum. Doch eben weil die Staaten Europas bislang keine Lösung gefunden haben, bleibt das Engagement der Seenotretter unverzichtbar: in erster Linie, um Menschenleben zu retten; darüber hinaus aber auch, um das Handeln der Politik herauszufordern.

Heute erhalten die Dresdner Seenotrettungsinitiative „Mission Lifeline“ und ihr Kapitän  Claus-Peter Reisch den Lew-Kopelew-Preis für Frieden und Menschenrechte. Sie, lieber  Kapitän Reisch und liebe Mitstreiter von „Mission Lifeline“, haben sich auch von Schwierigkeiten nicht beirren lassen. Vielmehr galt und gilt für Sie die Maxime: Ertrinkende muss man retten – ohne Wenn und Aber! Gerade in Zeiten, in denen der Wind rauer weht, stehen Sie entschieden für Humanität ein.

Die Menschenrechte wären ohne das Recht auf Leben praktisch bedeutungslos. Deshalb ist es gut und richtig, den unermüdlichen Einsatz für die Rettung von Menschenleben mit einem Menschenrechtspreis zu ehren. Herzlich gratuliere ich Ihnen zu dieser Auszeichnung. Für Ihr weiteres Engagement wünsche ich Ihnen Gottes reichen Segen.

Fotos: Twitter Mission LifeLine

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