Talentscout

Veröffentlicht am 2023-02-12 In Kentenich

Ein anderer Blick auf Pater Kentenich: Talentscout

P. Elmar Busse •

Wenn man mit Methoden der qualitativen Inhaltsanalyse der Kommunikationswissenschaft oder der Keyword-Recherche aus dem Marketing an die Veröffentlichungen über P. Josef Kentenich geht, dann findet man als Bildmarke oder Logo Kentenich den schneeweißen Rauschebart, als Keywords: „baldige Heiligsprechung“, „immer“, und seit 2020: „Missbrauch“. Wir möchten in der folgenden Artikelserie einen anderen Blick auf Kentenich werfen– weder den auf den Nikolaus mit Rauschebart noch den auf den Heiligsprechungskandidaten, aber auch nicht den auf den des Machtmissbrauchs oder geistlichen Missbrauchs Verdächtigten. —

Nach der sehr positiven Resonanz auf vor ca. 30 Jahren verfasste und leicht aktualisierte Texte von P. Elmar Busse hat ihn dazu motiviert, im gleichen Stil weitere „andere Blicke“ auf Pater Kentenich vorzustellen, verfasst in diesem Jahr 2023. Wir erhoffen uns auch mit diesen neuen Texten, jenseits der gängigen Attributionen einen neuen, lebendigen Blick auf die vielschichtige Gründergestalt zu ermöglichen und dadurch die Neugier zu wecken, sich intensiver mit ihm zu beschäftigen. Wir meinen: Es lohnt sich!

Transferkosten und Nachwuchs-Leistungszentren

Die astronomischen Summen, die für den Transfer talentierter Spieler im Profifußball von einem Verein zum anderen gezahlt werden, sind uns nicht unbekannt. Verständlich, dass die großen Vereine entsprechend in die Nachwuchsförderung investieren. Die Bayern haben 70 Millionen in ein eigenes Nachwuchsleistungszentrum investiert. Auf dem 30 Hektar großen Gelände im Norden der Landeshauptstadt sind seit 2017 die Jugendmannschaften des Vereins von der U9 bis zur U18 zu Hause und können auf acht Plätzen trainieren. Weniger im Rampenlicht der Öffentlichkeit hat sich ein neues Berufsbild entwickelt: Der Talentscout. Fest angestellte oder freiberufliche Talentscouts besuchen die Turniere der Jugendmannschaften nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland und halten Ausschau nach talentierten Spielern. Dabei geht es vor allem darum, ob die Spieler eine gute Ballkontrolle haben: Wie ist der erste Kontakt? Wie reagieren sie nach der Ballannahme? Sind sie beidfüßig? Haben sie eine gute Koordination? Bei Spielern in diesem Alter spielen Abschlussqualitäten oder lange Pässe eine untergeordnete Rolle, da diese entwickelt werden können. Wichtiger ist die natürliche technische Begabung der Spieler. Wenn man im eigenen Verein einen talentierten Nobody in etwa vier Jahren zu einem Topspieler entwickelt, der dann einen Marktwert von einigen Millionen hat, dann hat sich diese Investition gelohnt.

Talentscouts haben in der Regel früher selbst als Profis Fußball gespielt, haben daher einen geschärften Blick dafür, worauf es ankommt und können so Talente entdecken.

Talentscout

In Zeiten des Fachkräftemangels brauchen auch die Unternehmen Talentscouts

Die Prophetin Hanna

Das kann uns als Vergleich dienen. Am 2. Februar haben wir das Fest der Darstellung des Herrn gefeiert. Im liturgischen Text aus dem Lukasevangelium wird erwähnt, dass die Prophetin Hanna im Tempel war, als die Eltern den kleinen Jesus brachten (Lk 2,36-38). Sie konnte wahrnehmen, dass es sich hier nicht um ein alltägliches Ritual für kleine Kinder handelte, sondern dass dieses kleine Kind etwas Besonderes war: der ersehnte Messias!Auch wenn Pater Kentenich sehr darauf gedrungen hat, dass die Schönstätter nicht um außergewöhnliche Gnadengaben bitten, sondern sich in methodischer Selbstbeschränkung auf den nüchternen Vorsehungsglauben konzentrieren, so hat er doch auch betont, dass Gott in seiner Barmherzigkeit solche außergewöhnlichen Zeichen schenken kann, um den Glauben zu stärken.

Besondere Gaben: Intuition, Wahrheitsschau, Herzensschau 

In dem Buch „Konnersreuth als Testfall“[1] werden drei Fälle geschildert, in denen der Pfarrer von Konnersreuth Briefe mit Hostien erhielt. Therese Neumann bezeichnete sie jeweils als konsekriert. Ein weiterer Fall ereignete sich am 12. Oktober 1934. Der Pfarrer betritt mit Therese Neumann die Küche des Pfarrhauses. Beide gehen zum Tisch, auf dem die Post liegt. Therese greift nach einem Brief und reicht ihn dem Pfarrer. Dieser öffnet ihn und findet einige Hostien. Therese versichert ihm, dass sie geweiht seien. Die Absender hatten der Mystikerin in ihren Begleitbriefen ihre Zweifel und Glaubensnöte bezüglich der Gegenwart Christi in der Eucharistie mitgeteilt.

Kinder haben oft einen unkomplizierten Zugang zum Jenseits. Der Benediktiner David Steindl-Rast [2]erzählte anlässlich seines 90. Geburtstages, dass er als Kind eine unbändige Neugier und Entdeckerfreude gehabt habe. Und das Gebet mit der Großmutter habe ihm schon als kleinem Jungen „eine erste Ahnung gegeben, dass es etwas Unbegreifliches gibt, etwas Größeres, das über das unmittelbar Gegebene hinausgeht“.[3]

Pater Kentenich hat es einmal so ausgedrückt: Wenn Frauen ihr Herz gereinigt haben und frei sind von Angst oder Eifersucht oder Eitelkeit oder Minderwertigkeitsgefühlen, dann wird ihnen eine intuitive Schau der Wahrheit geschenkt. Diese Gabe unterscheidet sich noch einmal von der Gabe der Herzensschau, wie sie Pater Pio oder Don Bosco geschenkt wurde.

Ich schaue ihn an, und er schaut mich an

Der „Pfarrer von Ars“, Jean Marie Vianney, findet in diesem gottverlassenen Nest Ars mit seinen 230 Einwohnern einen Bauern, der immer wieder in die Kirche kommt und still für sich betet, ohne Buch oder Rosenkranz in der Hand, aber den Blick unentwegt nach vorne auf den Altar gerichtet. Er fragt ihn: „Was machst du die ganze Zeit hier?“ Der Bauer antwortet: „Ich schaue ihn an und er schaut mich an. Das ist genug.“ Dieser Bauer Louis Chaffangeon war der Anfang einer Sakramentenbruderschaft nur für Männer. Auch wenn Jean Marie Vianney auf viel Gleichgültigkeit stößt und ihm die kalte Schulter gezeigt wird – er setzt sich für die ein, die offen sind, und mit der Zeit ändert sich das Klima in Ars.

Joseph Kentenich - Joseph Engling

P. Joseph Kentenich mit Joseph Engling

Pater Kentenichs Blick auf die Aufgeschlossenen

All diese besonderen Gaben hatte Pater Kentenich (vermutlich) nicht. Und wir haben sie in der Regel auch nicht.

Doch Joseph Kentenich hatte das, was im Fußball ebenso wie in Unternehmen einen guten Talentscout ausmacht – einen Blick auf das Talent. In diesem Fall: auf das Göttliche, auf die Aufgeschlossenheit für Gott in einem Menschen.

Als Pater Kentenich 1912 seine Tätigkeit als Spiritual aufnimmt, legt er Wert darauf, dass es Austauschmöglichkeiten gibt für die, die mehr wollen; heute würden wir von Netzwerken sprechen. Daraus entstehen Gruppen nach Sympathie und gemeinsamen Herzensanliegen, daraus entsteht die Zeitschrift MTA, daraus entsteht dieses Schönstatt mit seiner für bürokratisch geschulte Blicke so komplizierten Netzwerks- und Glutkernstruktur.

Auch wenn im Pallottinerinternat alle erklärten, Priester werden zu wollen, gab es doch den einen oder anderen mit zweifelhafter Motivation. Sie waren fasziniert vom Sozialprestige, das ein Priester damals genoss. Gut, bei manchen klärten sich die Motive, andere verließen die Pallottinerschule. Aber Pater Kentenich investierte vor allem in die, die religiös offen waren. Er war ein Talentsucher für das Göttliche im Menschen. So „entdeckte“ er etwa einen Josef Engling, weder der Schlaueste noch der Sportlichste noch der Redegewandteste unter den Jungen. Doch der, in dessen Seele jedes ausgestreute Saatkorn Schönstatts aufging und wuchs…

Auf den Spuren des Göttlichen in unseren Mitmenschen

Vielleicht täte es uns und unserer Glaubensfreude gut, wenn wir uns nicht auf die Erosionserscheinungen der Kirche konzentrieren würden, sondern auf die Spuren des Göttlichen in unseren Mitmenschen.

Wer hat eine gute Ausstrahlung? Wer hat Charme? Wer verbreitet um sich herum ein Klima der Hoffnung?

Mit solchen Menschen Beziehungen zu pflegen, mit ihnen begeistert zu sprechen, gemeinsam Gebetskreise zu gründen, Lobpreisabende zu gestalten, sich zu Spurensuchgemeinschaften zu vernetzen, gemeinsame Projekte zu starten und durchzuziehen – das täte der Vitalisierung und Dynamisierung unseres Glaubens gut.

Wir alle können uns bemühen, zu Talentscouts für das Göttliche zu werden. Das wird dem einen besser gelingen als dem anderen. Aber wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf das Positive richten, dann sind wir auf einem guten Weg.


[1] Konnersreuth als Testfall. Kritischer Bericht über das Leben der Therese Neumann. Mit einem Anhang: Unveröffentlichte Akten des bischöflichen Archivs in Regensburg.
Josef Hanauer, München: Manz Verlag, 1972.

[2] David Steindl-Rast, Ich bin durch Dich so ich. Lebenswege, Vier-Türme-Verlag, Münsterschwarzach 2016, S. 15

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