Veröffentlicht am 2014-12-21 In Urheiligtum

Fast ein Weihnachtsmärchen: Flüchtlinge in Häusern Schönstatts

mda. Und es begab sich in jener Zeit, in jener Zeit nach dem Jubiläum Schönstatts… da standen sie vor den Toren Schönstatts, Männer, Frauen, Kinder, die aus ihrer Heimat geflohen waren mit nichts als dem nackten Leben, traumatisiert, verloren, heimatlos… und sie suchten Herberge… und es öffneten sich ihnen die Herzen von Menschen dort, an diesem Ort, wo Schönstatt vor 100 Jahren mitten im Krieg entstanden war – und nicht nur Herzen, sondern Häuser. Leerstehende Häuser, Häuser, in denen andere zusammenrücken, um sie aufzunehmen. Und sie zogen ein und erlebten sich aufgenommen, willkommen, geliebt. Ein Weihnachtsmärchen. Oder vielleicht…?

Angefangen hat es, als Papst Franziskus Lampedusa besuchte – diese Insel, die zum Symbol geworden ist für das Drama der Flüchtlinge, die beim Versuch, in ein besseres Leben zu fliehen, kentern, ertrinken, in überfüllten Lagern stranden… Wer von uns hätte um die im Mittelmeer ertrunkenen Kinder, Frauen, Männer geweint, fragte Papst Franziskus. Wer hätte sich berühren lassen? In einigen Herzen entstand ein Traum… ein Traum von Schönstattzentren, die ähnlich wie so viele Abteien, Klöster und Pfarrhäuser sich öffnen für Flüchtlinge. „Leere Häuser in Schönstatt als Flüchtlingsheime – Bundesheim, Summer House, Sonneck, Noviziatshaus -, und Flüchtlinge aus dem Nahen Osten oder Afrika auf den heiligen Bergen – ob wir das mal erleben?“ – „Undenkbar! Absolut undenkbar!“ So eine Unterhaltung von einigen Mitarbeitern von schoenstatt.org vor einigen Monaten. Sie sollten sich gründlich geirrt haben.

Wen hören wir beim Beten im Heiligtum?

Rektor Egon M. Zillekens erinnert sich an die Predigt von Weihbischof Michael Gerber am 18. November bei der Bündnismesse in der Pilgerkirche. „Seine Worte haben mich berührt, tief berührt, und nicht mehr in Ruhe gelassen“, sagt er.

„Wie bei Maria in Nazareth, führt nach dem Bundesschluss der Weg Schönstatts mitten hinein in die Welt. Maria geht zu Elisabeth, steht ihr bei in ihren Sorgen und Nöten. Die Sorgen und Nöte der kleinen und der großen Welt von 1914, sie begegnen unserem Vater nur etwa 20 Meter entfernt vom Heiligtum“, so Weihbischof Gerber am 18. November. „Dort im Alten Haus leben jetzt dicht zusammengedrängt die Schüler, weil oben im Studienheim schon Lazarett ist. Der Krieg ist präsent und gut möglich, dass der stille Beter im Heiligtum bisweilen das Stöhnen oder einen Schrei der Verletzten vom Studienheim oben gehört hat. Wen hören wir beim Beten im Heiligtum? Es hat mich letzte Woche sehr berührt, als mir eine Marienschwester erzählte, dass an einem unserer großen Schönstattzentren (Liebfrauenhöhe) demnächst Platz geschaffen wird für Flüchtlinge aus dem Nahen Osten. Wer das Schönstattzentrum kennt, kann sich gut vorstellen, dass die Flüchtlinge und ihre Kinder zu hören sein werden, auch für die stillen Beter im Heiligtum… Zusammenrücken, damit Platz für die Verwundeten entsteht . Es bewegt mich derzeit als Bischofsvikar für die Orden und Säkularinstitute unserer Diözese, welche Dynamik das auch in Gemeinschaften auslöst, wenn da Platz für solche Verwundeten geschaffen wird. Das kann ja mal eine Anregung sein, konkret an unseren Schönstattheiligtümern in unseren Zentren, bei denen wir oft Not haben, sie zu füllen, nachzudenken: Wo ist Platz für die Kriegsverwundeten unserer Tage?“

Und auch am Ort Schönstatt selbst? Rektor Zillekens sagt: „Ich habe mich sofort gefragt: Wir hatten jetzt für das Jubiläum die vielen Voluntäre hier, die sind weg, ihre Zimmer sind leer… Nehmen wir Flüchtlinge auf?“

Wenn sich dann einfach Türen öffnen

Wilfried Münz (53) aus Niederwerth vertritt als Beigeordneter der Verbandsgemeinde Vallendar Bürgermeister Fred Pretz und ist im Vereinsleben der Verbandsgemeinde bestens vernetzt, gehört zum Förderverein von Haus Wasserburg und der Kirche auf Niederwerth, und hat erfolgreich den Zusammenschluss zweier Freier Wählergemeinschaften vorangebracht. Und der überzeugte Christ weiß, dass Vallendar demnächst 150 Flüchtlinge aufnehmen muss. Er fragt in Schönstatt an. Die Anfrage wird weitergereicht ins Generalpräsidium, in die Ortskommission, und „jetzt bin ich Ansprechpartner für das Anliegen, Flüchtlinge in Räumlichkeiten Schönstatts aufzunehmen“, so Rektor Zillekens. Projekte und Initiativen der Bündniskultur entstehen nicht am grünen Tisch, sondern im Dialog mit den Stimmen der Zeit. Mit den Stimmen eines engagierten Politikers. Mit den Stimmen von Orden und Säkularinstituten, die ihre Häuser geöffnet haben. Mit den Stimmen von Menschen, denen Papst Franziskus eine Stimme gibt: „Wir können hier die zahlreichen Ungerechtigkeiten und Verfolgungen nicht unerwähnt lassen, die täglich die religiösen und besonders die christlichen Minderheiten in verschiedenen Teilen der Welt treffen. Gemeinschaften und Einzelne, die sich barbarischer Gewalt ausgesetzt sehen: aus ihren Häusern und ihrer Heimat vertrieben; als Sklaven verkauft; getötet, enthauptet, gekreuzigt und lebendig verbrannt – unter dem beschämenden und begünstigenden Schweigen vieler. … Man kann nicht hinnehmen, dass das Mittelmeer zu einem großen Friedhof wird! Auf den Kähnen, die täglich an den europäischen Küsten landen, sind Männer und Frauen, die Aufnahme und Hilfe brauchen“ (Rede vor dem Europaparlament).

Noch ist das Weihnachtsmärchen vom Anfang nicht Wirklichkeit. Rektor Zillekens ist im Gespräch mit den Verantwortlichen in Schönstatt; vom „Summer House“, dem ehemaligen Studentat der Schönstatt-Patres ist die Rede, eine Anfrage an den Trägerverein des Bundesheims läuft, auch andere Möglichkeiten stehen zur Frage. Und das alles in guter Zusammenarbeit mit den politischen Verantwortlichen von Vallendar. Die Türen sind offen. „Werden die Flüchtlinge wirklich kommen?“ fragen wir Rektor Zillekens. „Ich glaube es ganz fest“, so die Antwort. Und weist hin auf den Matsch, in den Weihbischof Gerber die Schönstatt-Bewegung hineingeschickt habe. Matsch?

Ein Stück Himmel mitten im Matsch

„Ich glaube es tut uns, die wir in friedlicheren Zeiten aufwachsen gut, ab und zu als geistliche Übung an jene Orte zu gehen und uns den Dreck und den Schlamm der dort vorherrschte, sowohl in den Kleidern als auch in den Seelen, zu vergegenwärtigen“, hatte Weihbischof Gerber am 18. November gesagt. „Vielleicht ist es gerade deswegen ein gutes Zeichen, dass die Wiese vor dem Urheiligtum derzeit so matschig ist. Der Weg der Gründung führt geradewegs in den Matsch. Unsere Gründungspersönlichkeiten sind nicht in der Etappe geblieben. Sie haben sich nicht damit begnügt, die Situation zu analysieren und einige wesentliche Prinzipien heraus zu arbeiten. Nein, sie waren mittendrin im Getümmel. Für sie – und gerade das erscheint mir für uns heute so wichtig – für sie haben die existenziellen Nöte ihrer Zeit konkrete Gesichter gehabt. Das verbeulte Gesicht eines verwundeten Kameraden, die Gebrochenheit mancher Biografie. Fühlung haben mit dem Leben, davon spricht unser Vater.

Ein Impuls für die monatliche Geisteserneuerung: Welches Schicksal von Menschen habe ich in diesem Monat tiefer an mich herangelassen? Wem bin ich begegnet oder welchen Bericht habe ich intensiver studiert? Oder – selbstkritisch gefragt: Lese ich so etwas überhaupt – gehe ich auch mal an Orte, wo solche Menschen zu finden sind? Stelle ich mich mancher Diskussion, halte ich Emotionen aus, die mir begegnen, Menschen, die verletzt sind, auch durch Erfahrungen in unserer Kirche? Auf ins Getümmel, auf in den Matsch! So wurden unsere Mitgründer zu Missionaren. Da haben die anderen gespürt, diese Schönstätter, die stehen mit uns im Schlamm, tiefe Solidarität und prägen doch einen ganz anderen Stil, weil in ihnen eine ganz andere Welt lebt, ein Stück Himmel mitten im Matsch…“ Und ein Stück vom Matsch, vom Elend, vom wirklichen Elend dieser Welt mitten im „Himmel“ Schönstatts.

Hätten wir uns das vorgestellt? Die vorhin erwähnten Mitarbeiter von schoenstatt.org jedenfalls sind unfassbar glücklich, sich geirrt zu haben.

5 Responses

  1. Marianne Grandjean sagt:

    Die Nachricht, dass sich Schönstatts Häuser öffnen für Flüchlinge, hat mich richtig glücklich gemacht!
    Das ist die richtige Antwort auf die augenblickliche Not der Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen mussten. Danke.
    Es ist eine riesige Freude für mich und dafür liebe ich mein Schönstatt.

  2. Sr. M. Charissa Frenzl, Herxheim sagt:

    Wir haben in der Marienpfalz am 8.12. ein Projekt gestartet: Deutsch für Flüchtlinge. Eine pensionierte Lehrerin aus der Nachbarschaft gibt den Unterricht und ein anderer Nachbar kümmert sich um die Menschen, knüpft Kontakte … Das geschieht in Zusammenarbeit mit der Pfarrei und es haben sich schon verschiedene andere gemeldet und z.B. zwei albanische Familien besucht. Wir spüren, dass sowohl bei den Flüchtlingen – aus mittlerweile 5 Ländern – als auch bei denen, die Hilfe anbieten, die Freude wächst und das ist genau die Sendung unseres Heiligtums.
    Wir würden es schön finden, wenn auch in Schönstatt etwas in dieser Richtung möglich würde. Das wäre – so verstehen wir es hier – eine Frucht des internationalen Jubiläums.

  3. Rolando Cori sagt:

    Ein gute Nachricht für Schönstatt die in der Matsch der Graben der I Weltkrieg geboren ist wie so auch der Christenheit in der Matsch der Belensgrube. So sind auch Marienwallfahrtsorte: Gnade und Matsch zusammen, frommen Pilgern und "Mandarinos" (vgl. Papst Franzikus anrede die Sch+ Familie in Rom)
    Rolando Cori, Santiago, Chile.

  4. Edeltraud Hemetzberger, Schönstatt-Mütterbund sagt:

    So wird das Liebesbündnis mit den Menschen "in unserem Land" konkret! Bravo !

  5. Inge Wilhelm sagt:

    Das ist ja eine wirkliche Weihnachtsfreude. Dass so etwas in Schönstatt möglich wird, lässt für die Zukunft hoffen!!Frohe und gesegnete Weihnachten allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von schoenstatt.org!
    Inge Wilhelm

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