Für Demokratie

Veröffentlicht am 2024-01-28 In Themen - Meinungen, Zeitenstimmen

„Eine Demo gegen die braune Soße? Maria, da müssen wir hin!“

Maria Fischer, Deutschland •

Holocaust-Gedenktag, 27. Januar 2024, ein strahlend sonniger Wintertag. Während ich wie jeden Samstag zum Besuch im Pflegeheim fahre, höre ich im Radio von den vielen Demonstrationen heute gegen Rechtsextremismus, gegen Fremdenhass, gegen Antisemitismus, für eine offene, bunte, vielfältige Demokratie. Und bedaure, dass ich mir am 22. Januar nicht ein paar Stunden frei genommen habe, um bei der Demonstration in Bonn dabei zu sein. Tausende waren da. Am Schluss erklang die Ode an die Freude: Alle Menschen werden Brüder. Gänsehaut. —

Nächsten Mittwoch bin ich in meiner Stadt dabei. Ich denke an meinen Großvater, der sich als tapferer Bürgermeister seines kleinen Dorfes mit den Nazis angelegt hat. Und an unseren Gründer P. Kentenich, der so früh vor dieser Ideologie gewarnt hat und schließlich im KZ landete. Ich denke an die Pflegerinnen und Pfleger in dem Heim, aus Deutschland, aus dem Nahen Osten, aus Osteuropa, aus Afrika… Und ich denke an die Menschen dort, an meine geistig so schwer eingeschränkte Bekannte, an die noch so jungen Frauen mit Multipler Sklerose und AL, an die immer lächelnd grüßende alte Dame mit dem Hirntumor, an die dementen und an die einfach nur auf Hilfe angewiesenen Frauen und Männer. Sind sie als nächstes dran, wenn die „Remigration“ durch ist? Werden diese braunen Einpeitscher und all die vielen, die sich nur auf Facebook „informieren“ und blind nachplappern, was an Desinformation durch die Netze wabert, dann bestimmen, welches oder besser, wessen Leben lebenswert ist? Und was tue ich, wenn es so weit ist? Und was tue ich jetzt?

Mitten in diese Gedanken hinein wird meine Fahrt jäh gestoppt. Straßensperre. Die Polizei schickt mich in eine Seitenstraße, und als ich von dort wieder Richtung Pflegeheim fahre und es auch da nicht weitergeht, sehe ich sie: eine große Schar von Menschen auf dem „Platz der Menschenrechte“ vor dem Rathaus… Karnevalsumzug? Auch wenn es bunt aussieht und sogar ein „Dreigestirn“ in vollem Ornat – für die Nicht-Rheinländer: die Karnevalsautoritäten des Rheinlandes- dabei ist: Nein, das ist eine Demonstration gegen Rechtsextremismus, für Vielfalt und Demokratie. Der Marsch durch die Innenstadt endet hier.

Ich überlege kurz, einfach umzuplanen und mich dazuzustellen, aber da wartet jemand auf mich…

Der Blick aus dem Fenster

Vom Fenster des Pflegezimmers aus kann ich auf die Demonstration schauen, die schon fast zu Ende zu gehen scheint. Meine Bekannte schaut immer dahin, wohin ich schaue, also sage ich: „Die demonstrieren gegen Rechtsextremismus …“.

Sie schaut mich an, und dann kommt es mit einer geballten Gewissheit: „Eine Demo gegen die braune Soße? Maria, da müssen wir hin!“

Zehn Minuten später stehen wir auf dem Rathausplatz, sie im Rollstuhl, ich mit mächtigem Stolz. „Demokratie ist die politische Form der Menschenwürde“, sagt die Bundestagsabgeordnete Winkelmeier-Becker. Sie sei froh, dass so viele vom Sofa aufgestanden seien, um ein Zeichen für die Demokratie zu setzen.

Es ist schon fast vorbei, die Leute gehen schon, zurück zur Karnevalsveranstaltung in der Stadthalle gegenüber und in die umliegenden Kneipen und Cafés zum Aufwärmen.

Wir waren dabei. Das zählt.

Als ich nach Hause komme, finde ich eine Mail von Sr. Elinor Grimm. „Morgen ist Demo von einem breiten Bündnis in Dachau gegen Rechtsextremismus. Ich unterstütze alles, aber zeitlich kann man nicht überall sein. Ganz wichtig finde ich von unsrer Seite das Gebet. Ich vertraue weiterhin auf die Regina Pacis, die Dachauer Lagerkönigin.“

Heute Morgen in der Sonntagsmesse ruft unser Pfarrer dazu auf, am Mittwoch bei der Demo in meiner Stadt dabei zu sein. Ich bin dabei.

#WeRemember#WeRemember

#NieWiederIstJetzt

Die Erinnerung an den grauenhaften Massenmord an Millionen Juden und Menschen anderen Glaubens im 20. Jahrhundert helfe allen, nicht zu vergessen, dass die Logik des Hasses und der Gewalt nie gerechtfertigt werden kann, weil sie unsere Menschlichkeit leugnet.

Papst Franziskus, 27. Januar 2024

 

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