Veröffentlicht am 2013-07-28 In Franziskus - Initiativen und Gesten

Vom Heiligtum zu den Armen: Wenn unser Herz zu weinen beginnt, dann sind wir näher bei Gott

WJT-BRASILIEN, mda. “Am Schluss unserer Fragen an ihn stellte er eine Frage an uns: ‘Warum gibt es Jugendliche, die auf der Straße vor Hunger sterben?’, um uns dann zu sagen, wenn wir die Antwort hätten, und wenn unser Herz zu weinen beginne, dann seien wir näher bei Gott“, berichtet eine Jugendliche aus Kolumbien, die als Voluntärin beim WJT arbeitet und am Freitag zum Mittagessen mit Papst Franziskus eingeladen war. Papst Franziskus in Rio – das sind bereits nicht mehr einzelne Ereignisse, nicht mehr einzelne Zeugnisse, einzelne Gesten, Worte, Akte: Das ist ein Lebensgefühl, das Lebensgefühl einer jungen, lebendigen, missionarischen und solidarischen Kirche, einer Kirche, die dem erneuerten und belebenden Sturm des Heiligen Geistes ausgesetzt ist. „Ich kann nicht aufhören, ihn bei den Übertragungen zu sehen“, schreibt einer der Mitarbeiter von schoenstatt.org aus Argentinien, und aus Spanien kommt die Antwort an ihn und die anderen: „Wie könnten wir auch aufhören wollen, ihn zu sehen, sehen wir doch unsere Hoffnung! Dieser Vater ist ein lebendiges Pfingsten für unsere Kirche, nicht mehr und nicht weniger!“ Ein Vater, der „vom Heiligtum aus zu den Armen geht“, wie es Jahrzehnte vorher einer der großen schlichten brasilianischen Söhne Schönstatts gefordert hast, Joao Pozzobon. Ein Papst Franziskus, „Vater Franziskus“ genannt von jenem jungen Ehepaar in der Favela, der gekommen ist, eine Kultur der Solidarität auszurufen.

“Gott wollte, dass mich meine Schritte nach dem Besuch im Heiligtum Unserer Lieben Frau von Aparecida zu einem besonderen Heiligtum des menschlichen Leidens, dem Sankt-Franziskus-Hospital, führen sollten. … In jedem Bruder und jeder Schwester in Not umarmen wir den leidenden Leib Christi. Heute möchte ich an diesem Ort des Kampfes gegen die chemische Abhängigkeit jeden und jede von euch, die ihr der Leib Christi seid, umarmen und darum bitten, Gott möge euren Weg – und auch den meinen – mit Sinn und fester Hoffnung erfüllen.…” Er konnte nicht Brasilien besuchen, ohne zum Heiligtum Unserer Lieben Frau von Aparecida zu fahren. Und er konnte nicht aus dem Heiligtum gehen, ohne von dort aus zu den Armen zu gehen, so wie am 8. Juli in Lampedusa. Darum die Programmänderung auf seinen ausdrücklichen Wunsch und sein Besuch in der  Klinik für Drogen- und Alkoholabhängige und in der Favela Varginha.

Der Papst der Armen im Epizentrum der Armut

“Der Papst der Armen im Epizentrum der Armut. Franziskus in Rocinha, wo er das Elend riecht, die Armut berührt. Mit dem zerschlagenen Herzen eines Vaters und Hirten. An der Peripherie. Dort, wo einem Unwürdigkeit als Frucht schreienden Unrechts entgegenschlägt. In Rocinha, um die Wunden Christi zu berühren, wie er die Armen nennt”, schreibt ein Journalist aus Spanien.

Bilder von Pater Kentenich im Konzentrationslager Dachau kommen in den Sinn. Erst nachdem das Liebesbündnis in der „Hölle von Dachau“ die äußersten Realitäten von Krankheit, Hass, Einsamkeit, Verfolgung, Unrecht, Rechtlosigkeit, Ehrlosigkeit, Wehrlosigkeit berührt hatte, wagte er den Schritt des 31. Mai – das Angebot dieses Liebesbündnisses für die ganze Welt … Erst nachdem die Gottesmutter als Mutter der Menschen über die Straßen von Dachau gegangen war, bat er sie, aus dem Heiligtum heraus zu gehen, um allen zu begegnen …
“Von Anfang an, beim Planen der Reise nach Brasilien, war es mein Wunsch, alle Stadtviertel dieser Nation zu besuchen“, so Franziskus in der Favela. „Ich hätte gerne an jede Tür geklopft, „Guten Tag!“ gesagt, um ein Glas frischen Wassers gebeten, einen „cafezinho“ getrunken – nicht ein Glas Schnaps! –, wie mit vertrauten Freunden gesprochen, dem Herzen eines jeden – der Eltern, der Kinder, der Großeltern – zugehört … Aber Brasilien ist so groß! Und es ist nicht möglich, an alle Türen zu klopfen! Da habe ich die Wahl getroffen, hierher zu kommen, eure Siedlung zu besuchen, diese Siedlung, die heute alle Stadtviertel Brasiliens vertritt. Wie schön ist es, mit Liebe, Großherzigkeit und Freude empfangen zu werden! Es genügt zu sehen, wie ihr die Straßen der Siedlung geschmückt habt; auch das ist ein Zeichen der Zuneigung, es kommt aus eurem Herzen, aus dem Herzen der Brasilianer, das in Feststimmung ist!“

Heraus aus den Heiligtümern, heraus aus uns selbst, heraus auf die Straßen …

Ich war selbst dabei, als unser Papst Franziskus noch Kardinal Bergoglio war und einen Vortrag hielt bei einem Treffen der Caritas. Ich erinnere mich gut, wie er uns sagte: ‚Wenn Sie Almosen geben, schauen Sie dann in die Augen der Person, drücken Sie ihr die Hand, nehmen Sie körperlichen Kontakt auf? Es kommt nicht darauf an, ob Sie Kleingeld dabei haben, um es geben, geben Sie diesem Menschen die Hand, sagen Sie ihm, dass Sie für ihn beten.‘ Danach fuhr ich mit der Metro heim und traf dort einen Mann, dem beide Beine fehlten. Er saß in der Mitte eines Ganges und ich ging hin, grüßte ihn, gab ihm die Hand … Manchmal habe ich ihm Geld gegeben, manchmal nicht, aber ich habe ihm immer die Hand gegeben, sie war ganz zart, seine Haut ganz fein und sein Blick sanft. Es sind seitdem zehn Jahre vergangen und auch heute begegne ich ihm noch dort auf dem langen Gang …“

“Reichen wir dem, der in Not ist, dem, der ins Dunkel der Abhängigkeit gefallen ist – vielleicht ohne zu wissen wie –, die Hand und sagen zu ihm: Du kannst wieder aufstehen, kannst wieder hochkommen – es ist mühsam, aber möglich, wenn du es nur willst. Liebe Freunde, zu jedem von euch, aber vor allem zu vielen anderen, die nicht den Mut hatten, euren Weg einzuschlagen, möchte ich sagen: Du bist die Hauptperson dafür, dass du wieder hochkommst, das ist die unerlässliche Bedingung! Du wirst die ausgestreckte Hand dessen finden, der dir helfen will, aber niemand kann stellvertretend für dich hochkommen. Doch ihr seid nie allein! Die Kirche und viele Menschen sind euch nahe!“, sagt er den Menschen in der Drogenklinik. „Und ich möchte euch allen, die ihr gegen die chemische Abhängigkeit kämpft, euch Angehörigen, die ihr eine nicht immer einfache Aufgabe habt, noch einmal sagen: Die Kirche ist euren Mühen nicht fern, sondern begleitet euch mit Liebe. Der Herr ist euch nahe und hält euch an der Hand. Schaut in den schwierigsten Momenten auf ihn, und er wird euch Trost und Hoffnung spenden. Und vertraut auch auf die mütterliche Liebe seiner Mutter Maria. Heute Morgen habe ich im Heiligtum von Aparecida jeden von euch ihrem Herzen anvertraut. Wo es ein Kreuz zu tragen gilt, ist sie, die Mutter, immer an unserer Seite. Ich überlasse euch ihren Händen und segne euch alle von Herzen. Danke!”

“Wie stark die Definition des Franziskaners, Drogen sind die Lepra des 21. Jahrhunderts“, so Claudia Echenique. „Während ich einen Text für die Seite korrigiere, bin ich mit einem Auge am PC und mit dem anderen am Fernseher. Es ist wirklich ergreifend, diese große Nähe zum Volk und zum Schmerz zu sehen“, so Agda Grupe aus Argentinien.

“Manchmal fehlt nur ein wenig guter Wille und ein wenig Verzicht auf  so viele überflüssige Sachen, um dem, der gar nichts hat, etwas zu geben; es ist nur eine Frage, sich aufzuraffen und aus unserem bürgerlichen Wohlergehen raus zu gehen“, so Ani S., Schönstätterin aus Paraguay, die zusammen mit einem Ehepaar aus der Schönstatt-Bewegung und einigen Laien aus ihrer Pfarrei genau das tut und für den Bau einfacher Häuser für Familien, die in äußerster Armut auf den Straßen von Asunción leben. „Die Initiative von Ani mit dem ‚schützenden Dach‘ gefällt uns sehr. Das sind konkrete Dinge, die wir tun können. Wir glauben, dass dieser Papst große Veränderungen in der Kirche und der Welt bringen wird, und hoffentlich helfen die Gesellschaft und wir Christen ihm dabei. Heute haben wir am Fernsehen gesehen, wie die christlichen Jugendlichen der ganzen Welt sich um Papst Franziskus versammeln und ihre Freude darüber zeigten, ihn zu sehen und mit ihm diesen Weltjugendtag zu begehen. Hoffentlich ahmen die Regierenden und alle, die Macht haben, die Einfachheit und Demut dieses Papstes nach“, so Carlos und Lilita Ricciardi aus La Plata, Argentinien.

Wir tun das, was Franziskus uns immer gesagt hat

Hunderte Male hat Jaider ihn aus dem Bus steigen und zur Kirche des Stadtteils gehen sehen, wie einen Nachbarn. Darum haben er und 20 andere Pilger aus den „villas“, den Elendsvierteln von Buenos Aires, beschlossen, sein Beispiel nachzuahmen. Sie stiegen in den Bus, fuhren eineinhalb Stunden und stiegen in der Favela Varginha aus. Sie kamen nicht allein, mit dabei hatten sie eine Statue der Gottesmutter von Luján und eine der Gottesmutter von Caácupé. Mir den „Gottesmüttern“ in der Hand und begleitet von drei Priestern der „villas“, Juan Isasmendi, Mario Micelli und Hernán Morelli, liefen sie durch die Straßen der Favela, verteilten Bildchen und erzählten den Leuten die Geschichte von diesem Nann, den sie in Buenos Aires so gut gekannt hatten. Die jungen Argentinier liefen, sangen, beteten und grüßten, luden ein zu einer Messe in der San Jeronimo-Kapelle. „Wir machen das, was Franziskus uns immer gesagt hat. Nicht warten, dass die Leute zur Kirche kommen, sondern die Kirche an die Peripherien tragen“, so Jaider.

Eine Gruppe von Voluntären des WJT aus dieser Favela begleitete sie auf dem ganzen Weg. Viele von ihnen hatten sich eingetragen, um ihre Häuser anzubieten für die Pilger des WJT. Doch sie mussten feststellen, dass wohl niemand in einer Favela wohnen wollte… Die Freunde von Franziskus entschlossen sich, nach der heiligen Messe in der Kapelle über Nacht zu bleiben. Und so schliefen sie in den Häusern dieser Voluntäre in der Favela, um am anderen Morgen früh hier die heilige Messe zu feiern. Und vielleicht, wer weiß, dann die Möglichkeit zu haben, ihn noch einmal wie einen Nachbarn zu begrüßen, in einer villa mit engen Straßen und hungrigen Hunden, in denen die Herzen der Nachbarn so offen sind wie die ihrigen … und wie seins.

(Quelle:  La Nación, Buenos Aires)

Vater

Er geht durch die Straßen dieser Favela. Geht mitten zwischen den Leuten, ohne Distanz, ohne Angst. Umarmt, küsst Kinder, grüßt mit Augen, Händen, Lächeln, Worten. Er berührt die Armut mit seinen Händen und lässt die Menschen auf seinem Weg zurück mit nassen Haaren vom Regen und nassen Augen wegen einer Begegnung, die im Innern berührt. Mit seiner Nähe vermittelt er, wie der Kommentator von TN24 sagt: Du bist wichtig, du bist Kind Gottes … Warum er das tue, haben ihn am Gründonnerstag die jugendlichen Häftlinge gefragt, denen er die Füße gewaschen hat. Weil Jesus mich das gelehrt hat, ist seine Antwort. So einfach.

Sie berühren seine Soutane wie jene Frau das Gewand Jesu … mit Augen voller Hoffnung, während der Chor der Favela mit voller Kehle singt: Franziskus von Gott, du bist zu uns gekommen, und wir haben einen Vater gefunden … Es ist die Erfahrung des Evangeliums, sagt der Kommentator von Radio Vatikan, und mit fast brüchiger Stimme sagt er: Gott ist einer von uns geworden, hat unter uns gewohnt, hat unter uns sein Zelt aufgeschlagen …

Sein Zelt der Bündniskultur. “Ich kann meine Augen – feucht, klar – nicht abwenden. Das muss man live sehen”, so Carmen R. aus Chile, und Tita A. aus Österreich antwortet ihr: Liebe Carmen, mir geht es doch genauso, also weinen wir jetzt beide zusammen, weil wir so viel Liebe sehen …

Es ist das, was dieses junge Ehepaar aus der Favela von Varinha „ein wenig vom Protokoll abweichen“ lässt, als sie ihm sagen: Wir möchten Sie Vater, Vater Franziskus nennen.

Eine Kultur der Solidarität

“Francisco ha querido incluir esta visita en el ámbito de su viaje a Río para la Jornada Mundial de la Juventud porque su esencia de pastor, es más, de pastor “con olor a oveja”, como él mismo lo ha sugerido recientemente, refiriéndose a las características de los sacerdotes y obispos, que deben caminar con y en medio de su rebaño”, dice el comentador de Radio Vaticana. “Ya desde hace algún tiempo el Papa nos viene hablando de ese “tocar las llagas de Cristo”, “tocar la carne de Cristo”, en la persona de los enfermos (como lo hizo el miércoles al visitar el hospital San Francisco de Asís que se ocupa principalmente de la recuperación de drogadictos y alcoholizados) y marginados, víctimas de las injusticias sociales, como es el caso de la pobreza, y que componen todos los cuadros posibles de esas periferias existenciales a las que se refiere el Obispo de Roma.”

Es justamente es la Favela de Varginhas donde llama con pasión a una cultura de solidaridad:

“Y el pueblo brasileño, especialmente las personas más sencillas, pueden dar al mundo una valiosa lección de solidaridad, una palabra —esta palabra solidaridad— a menudo olvidada u omitida, porque es incomoda. Casi da la impresión de una palabra rara… solidaridad. Me gustaría hacer un llamamiento a quienes tienen más recursos, a los poderes públicos y a todos los hombres de buena voluntad comprometidos en la justicia social: que no se cansen de trabajar por un mundo más justo y más solidario. Nadie puede permanecer indiferente ante las desigualdades que aún existen en el mundo. Que cada uno, según sus posibilidades y responsabilidades, ofrezca su contribución para poner fin a tantas injusticias sociales. No es la cultura del egoísmo, del individualismo que muchas veces regula nuestra sociedad, la que construye y lleva a un mundo más habitable; no es ésta, sino la cultura de la solidaridad; la cultura de la solidaridad no es ver en el otro un competidor o un número, sino un hermano. Y todos nosotros somos hermanos”.

Y todos los que arden por la alianza solidaria, escuchan…

Escribe Guillermo Ortiz, jesuita como Francisco: “De regreso de los 200 kilómetros que separan Aparecida de Río, en un acto que tampoco estaba previsto en el programa inicial el Papa visitó a los jóvenes en recuperación de droga y alcohol en el Hospital de San Francisco de Asís de la Providencia de Dios. Allí se fundió en un abrazo estrecho y largo con dos jóvenes que dieron testimonio de su gratitud por el camino de salida del infierno de la dependencia química que les ofreció esa comunidad.

De esta manera el Sucesor de Pedro ejecutó ya, en su primer día de actividad en Brasil, la dinámica de vida de la que da testimonio en cada uno de sus pasos y a la que nos invita constantemente: ir del corazón a las periferias existenciales; de la oración a la carne de Cristo en el que sufre; de la fe fuerte a la acción concreta, que terminan siendo una cosa sola que no se pueden separar”.

La medida de la grandeza de una sociedad
está determinada por la forma en que trata
a quien está más necesitado,
a quien no tiene más que su pobreza.

Francisco



Video vom Besuch im Hospital Francisco de Asís

Video vom Besuch in der  Favela

Ansprache im Fraziskus-Hospital

Ansprache in der Favela

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