Veröffentlicht am 2011-08-23 In Urheiligtum

„Wahr ist, was die Mehrheit für wahr hält – oder doch nicht?“

Agathe Hug. „Wahr ist, was die Mehrheit für wahr hält – oder doch nicht?“ Wer sich für „… – oder doch nicht“ entscheidet, der ist bei Pater Franz Reinisch. In jedem Jahr, immer am 21. August, findet die Gedenkfeier am Todestag von Pater Franz Reinisch statt. Äußerer Rahmen: Kleine Gedenkfeier in der Wallfahrtskirche der Pallottiner in Schönstatt, kurze Predigt eines Priesters, mal Pallottiner, mal Schönstattpater, in diesem Jahr Pater Peter Locher von den Schönstattpatres, Gebet und Gang zu Reinischs Grab beim Urheiligtum mit Gebet um seine Seligsprechung und Schlußsegen.

Aber es werden am Ort Schönstatt immer weniger Personen, die daran teilnehmen. Die Begeisterung für Reinisch, für sein Vorbild scheint also – hier zumindest –  abzunehmen. Dabei ist er in unserer säkularisierten Welt eigentlich aktueller denn je. Klar – wir haben eine Inflation an Vorbildern, echten und scheinbaren, wir haben eine Informationsflut wie noch nie, wir haben einen Pluralismus von Meinungen wie noch nie, wir haben, dank Internet, Zugriff auf Themen aller Art wie noch nie. Ungefiltert und unselektiert steht alles nebeneinander und es ist schwierig, heraus zu finden, was jetzt richtig und was falsch ist. Da hat es so ein Franz Reinisch schon schwer, bemerkt zu werden.

… und folgt seinem Gewissen

Andererseits beobachten wir gerade heute, dass auch oder vor allem junge Menschen wieder nach dem sprichwörtlichen „Stein der Weisen“ suchen. In seiner Predigt zur diesjährigen Reinisch-Feier ging Pater Peter Locher genau darauf ein. Er betonte, dass jeder Mensch, egal ob religiös oder nicht, ein Gewissen hat, das ihm zutiefst sagt, was richtig und was falsch ist und im Grunde genau weiß, wie er zu handeln hat oder wie eben nicht. Reinisch zeigt, wie das geht: Und wenn alle den Eid auf Hitler leisten und sich die Wahrheit so zurecht zimmern, wie sie denken, dass sie es dann mit ihrem Gewissen vor Gott vertreten können – Reinisch tut es nicht. Er sagt: Ich verstehe es so und so – und folgt seinem Gewissen, wohl wissend, dass es ihn buchstäblich den Kopf kosten wird.

An dieser Stelle ist die eigene Gewissenserforschung angesagt, die fragt: Wo biege ich im Alltag die Wahrheit so lange zurecht, bis ich sie auch vertreten kann? Wo versuche ich, mein Gewissen dem allgemeinen Trend anzupassen, um möglichst in der Masse unauffällig verschwinden zu können? Wo bin ich lieber still und lasse die anderen schreien, statt hin zu stehen und meinen eigentlich anderen Standpunkt zu vertreten?

Den anderen nicht weh tun

Das Interessante an der Angelegenheit ist, dass wir es eigentlich ganz genau wissen und jeder und jede von uns kann einen stundenlangen Vortrag zu diesem Thema halten, dazu was Gewissen ist, woran es sich orientiert, wie es gebildet oder verbildet wird, wie man es kaputt macht (besonders dazu!) und so weiter und so fort. Und fünf Minuten später handeln wir wieder wie gehabt (ich auch!), weil es einfacher ist und scheinbar niemandem weh tut. Uns selbst nicht und den anderen nicht. Ach ja: genau den anderen nicht. Wir wollen sie ja nicht verprellen. Wir wollen sie ja nicht verletzen. Wir wollen ja keiner anderen Meinung widersprechen, denn jeder darf ja sagen und denken was er/sie will – behaupten wir zumindest. Stimmt. Dabei nehmen wir in Kauf, dass der eigene Persönlichkeitskern auf der Strecke bleibt. Aber: Am Ende werden wir danach beurteilt, ob wir unserem eigenen Gewissen gefolgt sind. Ja, zugegeben, es ist schon lästig, das mit dem heilig werden im Alltag.

Nicht, was die Mehrheit für wahr hält

Es werden immer weniger Menschen, die sich für Pater Reinisch, für sein Leben und dafür, aus welchem Geist heraus er gelebt hat, interessieren. Es wird immer schwieriger, jemanden zu finden, der bereit ist, noch eine Predigt zu halten zu dem, was doch schon 100 Mal gesagt wurde. Es wird immer schwieriger, eine Feier am Todestag von Franz Reinisch zu gestalten, denn es ist doch schon alles gesagt und es kommt nichts Neues, nichts Spektakuläres dazu. Die Frage steht im Raum: Sollte man die Feier nicht ausfallen lassen – mangels interessierter Masse? Aber Masse wird Reinisch nie werden, denn es ist nicht die Sache des Gewissens, die Masse zu bedienen, denn es gilt: Wahr ist nicht, was die Mehrheit für wahr hält, sondern wahr ist, was ich in meinem Gewissen als wahr erkannt habe – oder wie ist das mit der Wahrheit? Diese Frage klingt vertraut: „Was ist Wahrheit?“.

Am 21. August 2012

Und so wird voraussichtlich auch im nächsten Jahr am 21. August wieder eine Reinisch-Gedenkfeier stattfinden. Vielleicht möchten Sie es sich schon mal im Kalender notieren? Und wer die diesjährige Reinisch-Feier verpasst hat kann sie in der Mediathek von schoenstatt-tv nachfeiern und die Predigt dazu nachhören.

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