Veröffentlicht am 2012-02-02 In Schönstätter

Endlich frei!

Margaret Steinhage Fenelon. Wie so viele in unserer Schönstattfamilie auf der ganzen Welt hatten wir in Pater Jonathan Niehaus einen liebenden Freund und ausgezeichneten Mentor gefunden. Am Tag seines Begräbnisses konnte ich mir nur einen Ort vorstellen, wo ich mit meinem Kummer hingehen konnte: das Mariengartenheiligtum in Milwaukee. Das Heiligtum (jedes Heiligtum) ist mein absoluter Lieblingsplatz auf der Welt, aber speziell dieses ist etwas Besonderes für mich. Dieses Heiligtum und ich sind „geboren“ mit nur vier Monaten Abstand, so könnte man sagen, wir sind zusammen aufgewachsen. Vieles in meiner Geschichte ist mit dem Heiligtum verbunden, die Schule und die Gemeinde, zu der es gehört. Das machte es zum idealen Ort an diesem Tag, wohin ich gehen konnte. In der Gesellschaft der Gottesmutter und ihres Sohnes konnte ich meinem Schmerz freien Lauf lassen und mich geistigerweise mit den anderen verbinden, die ebenfalls den Verlust von P. Jonathan betrauern.

Als ich alles losgeworden war, überflog ich schnell das Inhaltsverzeichnis meines Gebetbuches und wählte willkürlich eines, das aufmunternd aussah. Es war ein Dankgebet, und ich betete es in Dankbarkeit für das Leben von P. Jonathan. Dann packte ich meine Sachen zusammen (Bücher, Rosenkranz, Tagebuch, Taschentücher …) für den Heimweg. Als ich nach dem Lichtschalter tastete, klingelte es in der Schule zur Pause.

“Tja, Gottesmutter, es sieht aus, als schickst Du mich jetzt in die Pause“, lächelte ich.

Ich trat nach draußen und schloss die Tür hinter mir. Plötzlich sauste ein gut achtjähriger Junge an mir vorbei, hundert Schritte vor seinen Klassenkameraden. Er riss die Arme zum Himmel und sein Gesicht war vollkommene Freude.

„Frei! Endlich!” schrie er, indem er über den Schulhof rannte. Dieser kleine Junge musste die Sekunden gezählt haben bis er aus der Gefangenschaft des Klassenraums erlöst war. Ich konnte mir das Schmunzeln nicht verkneifen. „Ja. Da läuft Pater Jonathan“, murmelte ich vor mich hin. „Frei. Endlich ist er frei.”

Ich konnte die Freude dieses kleinen Jungen verstehen, und sie sprang auf mich über. Ich konnte mir die Seele dieses heiligen Priesters vorstellen, der monatelang an Krebs gelitten hatte vor seinem Heimgang. Jetzt ist er frei von diesem Leiden, er ist erlöst von seinen Fesseln. Wie der kleine Junge auf dem Schulhof kann P. Jonathan rennen, mit ausgestreckten Armen, das Gesicht vor Freude leuchtend und schreiend: „Frei! Endlich!“

Als ich in unseren Minivan stieg, hatte ich so einen winzigen geistig-seelischen Ruck, der einen Zusammenhang zeigt, den du nicht selbst gefunden hast, wie wenn jemand dir auf die Schulter tippt und auf die Büroklammer zeigt, nach der du schon 20 Minuten gesucht hast. Das Gebet, das ich zufällig gewählt hatte im Heiligtum, war aus Himmelwärts. Hier ist das, das ich gewählt habe:

Dankeslied

Die Fesseln sind gefallen! Lasst jubelnd aufwärts schallen aus Schönstatts heiligen Hallen ein Dankeslied von allen.

Auf schwerer Pilgerreise hat Gott sich groß und weise zu seinem Ruhm und Preise erwiesen unserem Kreise.

Was Satans Macht und Tücke ersann an Missgeschicke, das wandten Vaterblicke zu unserem höchsten Glücke.

Was irdisch war im Denken, zu menschlich im Verschenken, wollt’ Gott nach oben lenken und ganz in sich versenken.

So stehn wir heut geschlossen, aus Gottes Lieb’ gegossen und kämpfen unverdrossen mit allen Satanssprossen,

dass neue Menschen werden, die frei und stark auf Erden in Freuden und Beschwerden wie Christus sich gebärden,

die ihres Herzens Streben mit ihm allein verweben, so wie sich einst im Leben die Mutter-Braut gegeben.

Zum Dank lasst unsere Seelen das Gotteslamm erwählen, uns ewig ihm vermählen, zu seinen Treuen zählen.

Herr, willst erneut du sterben, weil jäh uns droht Verderben, suchst du mit Liebeswerben auch der Verklärung Erben?

Sieh hier die Schar der Deinen, der Kleinen und der Reinen, wollst gnädig sie dir einen und neu der Welt erscheinen.

In ihnen magst du leiden, kannst streiten, Seelen weiden, durch sie dir neu bereiten die Auferstehungsfreuden.

Durch sie mögst du erbauen die Stadt aus Himmelsauen, dass alles voll Vertrauen zu ihr empor kann schauen.

Bis an der Welten Enden darfst du hinaus sie senden, die heut sich dir verpfänden, dein Reich hier zu vollenden.

Maria, nimm die Spende in treue Mutterhände, dass bis zur Lebenswende dies Dankeslied nicht ende. Amen.

Ein nie endendes Danklied

Dieses Gebet, geschrieben inmitten von Erniedrigung und Entbehrung, war voller Hoffnung! Ich dachte an P. Jonathan. Er ist jetzt nicht nur von seinem Leiden erlöst, sondern auch von all den menschlichen Begrenzungen, mit denen er in seinem Leben gerungen hat. Und vor allem, er kann denen auf der Erde helfen in einer Weise, die ihm bis dahin nicht möglich war. Wie die kleine heilige Theresia kann er „den Himmel damit verbringen, auf Erden Gutes zu tun.“

Es ist notwendig und heilsam, den Verlust derer zu betrauern, die wir lieben, aber wir können nicht in diesem erdverhafteten Denken steckenbleiben. Wenn ein geliebter Mensch stirbt, fällt es schwer zu sehen, dass sogar der schlimmste Schicksalsschlag vom himmlischen Vater in unser größtes Glück verwandelt werden kann. Wir wissen es vielleicht mit dem Kopf, es ist aber etwas anderes, es auch mit dem Herzen zu spüren. Wenn wir dafür offen sind, kann dieses größte Glück sich in ungeahnter Weise auftun. Wunder, das ist nicht nur so etwas wie Brote und Fische vermehren. Es geht dabei auch um die Vermehrung von Gottes Gnade in uns und die Auswirkungen davon auf die ganze Welt.

P. Jonathan ist in realer Weise ein Erbe der Verklärung Christi geworden. Für mich kann ich nur dasselbe hoffen, für meine Lieben und unsere ganze Schönstattfamilie. Möge wie bei P. Jonathan unser letzter Atemzug ein nie endendes Danklied sein.

Endlich frei!

Übersetzung: Gerti Lehnen, Deutschland

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