Veröffentlicht am 2012-01-24 In Schönstätter

Auf die Neuevangelisierung von Mensch zu Mensch kommt es an

Agathe Hug. Es ist eine eigenartige Atmosphäre, die Schönstatt überzieht in den Tagen, nachdem der Heimgang von Pater Jonathan Niehaus bekannt geworden ist. Einerseits ist sie geprägt von einer gewissen Art von Erleichterung, dass dieser Mensch von seinen Schmerzen, von seinem Leiden befreit ist und jetzt in der Herrlichkeit bei Gott im ewigen Schönstatt sein darf. Man kann es sich ganz menschlich ausmalen, wie die Gottesmutter, wie unser Vater und Gründer und alle „Schönstattheiligen“ ihn in Empfang genommen haben.

 

Die andere Seite ist aber die Trauer über einen Verlust, den Schönstatt durch diesen Tod eben auch zu beklagen hat. Sei es, dass die Familie Niehaus einen Sohn und Bruder, die Schönstatt-Patres einen scharfen Denker und hochgeschätzten Mitbruder, und alle einen Freund, einen Seelsorger, einen guten Kenner der Schönstattgeschichte, einen hochintelligenten Wissenschaftler, aber auch einfach einen herzensguten Menschen verloren haben. Das Kondolenzbuch, die Kommentare, die vielen Gebetswachen und Messen und persönlichen Botschaften geben davon ein eindrückliches Zeugnis.

Wer im Herzen von Menschen lebt, lebt weiter

Sein Tod ist Gesprächsthema an allen Ecken, insbesondere natürlich in der Gemeinschaft der Schönstattpatres und der US-amerikanischen Schönstattfamilie, aber nicht nur dort. Jede und jeder weiß noch etwas zu berichten darüber, was er/sie mit Pater Jonathan erlebt hat, was er gesagt hat, was er/sie denkt zu seinem Leiden und zu seinem Sterben. Viele können erzählen von ihrer letzten Begegnung mit Pater Jonathan, was er ihnen zuletzt geschrieben oder gesagt hat. So berichten die Novizen der Schönstattpatres, denen Pater Jonathan eigentlich eine Schulungszeit hätte halten sollen, dass er ihnen geschrieben hat, ein physische Wunder wäre zwar schön, würde aber eigentlich nicht zu Pater Kentenich passen. Das eigentliche und wichtigere Wunder sei die Neuevangelisierung von Mensch zu Mensch. Pater Peter Locher griff dies in seiner Predigt beim Requiem auf.

Ein bisschen ist es so wie vielleicht in den Tagen nach dem Tode Jesu zwischen Karfreitag und Ostern. Nur dass wir heute wissen, dass Jesus tatsächlich am dritten Tage auferstanden ist. Der Tod ist der Anfang des Lebens im ewigen Schönstatt.

Leise Vorbereitungen

Auch ganz praktisch nehmen die Vorbereitungen auf das Requiem ihren Lauf. Zentrale Fragen bei solchen Anlässen: Wer übernimmt die Predigt, wer übernimmt die musikalische Gestaltung, wie soll der gesamte Ablauf sein.

Der Beginn der Feier wurde auf 14 Uhr Ortszeit in Schönstatt festgelegt – 7 Uhr Ortszeit in Milwaukee. So konnten auch Freunde und Angehörige, die nicht vor Ort in Schönstatt bei seiner Beerdigung dabei sein können, über schoenstatt-tv daran teilnehmen.

Die musikalische Gestaltung übernehmen die Novizen der Schönstatt-Patres zusammen mit Studenten und mit Mitbrüdern, die gerade zum Terziat auf Berg Sion weilen. Die Patres Michael Hagan und Francisco Sobral übernehmen das komplette Management im Hintergrund, Pater Michael Hagan fungierte beim Requiem auch als Zeremoniar.

Den schwierigen Part der Predigt übernimmt Pater Peter Locher, zuerst Terziatsmeister von Pater Jonathan, zuletzt ein enger Weggefährte in den letzten Monaten bei der Gestaltung des neuen Sion-Institutes.

Zwischen Karfreitag und Ostern

Schon eine Stunde vor dem Beginn des Requiems wurde Pater Jonathan in die Anbetungskirche gebracht. Seine Kursbrüder trugen den Sarg in die Gründerkapelle zu einer kleinen, kursinternen Verabschiedung. Anschließend wurde er vor dem Altar, auf dem Stola, Kreuz und Kelch als priesterliche Symbole stehen, aufgebahrt.

Unter den ersten, die nach den Kursbrüdern zur Kirche kamen, waren die Angehörigen: die Mutter, die Brüder und eine seiner beiden Schwestern. Langsam füllte sich die Anbetungskirche. Rosenkranzgebet und Lieder stimmten auf die Feier des Todes und der Auferstehung ein.

Schließlich zogen die ungefähr 90 Priester, die sich zur Feier eingefunden hatten, in die Kirche ein. Die Atmosphäre der vergangenen Tage zwischen Karfreitag und der Erwartung von Ostern zog zusammen mit ihnen in die Anbetungskirche ein. Pater Heinrich Walter, Generaloberer der Schönstattpatres, begrüßte die Mitbrüder, die Familie von Pater Jonathan Niehaus und die ganze versammelte Gemeinde.

Sowohl die Messtexte als auch die Predigt waren in deutscher Sprache. Für die Angehörigen übersetzte Pater Bryan Cunningham simultan in Englisch, für die Zuschauerinnen und Zuschauer über schoenstatt-tv machte dies Pater Andrew Pastore. Und die Zuschauerinnen und Zuschauer waren zahlreich. Von Johannesburg bis Schottland, von Brasilien bis Chile, von Texas bis Wisconsin, von Indien bis Australien – so viele waren dabei.

Bündniskultur und Neu-Evangelisierung

Die Schönstattfamilie weltweit hatte in den letzten Monaten um ein physisches Wunder auf die Fürsprache Pater Kentenichs gebetet. Auch Pater Peter Locher. Er begann seine Predigt damit, dass er an diese Gebete erinnerte. Im Plane des ewigen Vatergottes stand es anders. Diesem seinem Willen müssen wir uns beugen – nicht mit Fatalismus, sondern mit der Frage nach dem Wozu.

Hier die von ihm zur Verfügung gestellte Disposition der Predigt:

“Als wir von der ernsten Krankheit von Pater Jonathan erfuhren, haben wir – Patres, Familie, viele in der Schönstattfamilie – spontan um ein Wunder gebetet auf die Fürsprache von Pater Kentenich.
Ich habe in diesen Tagen oft zu ihm gesagt:
Du kannst uns den Mann nicht nehmen

  • Er ist gerade 51 Jahre alt
  • Er ist gerade in diese Arbeit eingestiegen, die man als seine Lebensaufgabe betrachten kann
  • Er ist einer unserer besten Kenner von Pater Kentenichs Literatur; mit Verstand und Übersicht, mit Computer und Suchprogramm
  • Er ist ausgereift in der didaktischen Vermittlung seines reichen Wissens; und das in unseren führenden Schönstatt-Sprachen
  • Er ist ein Mann mit einer heißen Feder
  • mit 23 Jahren sein erstes Buch
  • inzwischen 36 Publikationen, Übersetzungen ins Spanische und ins Deutsche sowie Textausgaben von Pater Kentenich eingerechnet
  • und weitere Pläne in der Schublade

Ich habe zu Pater Kentenich auch gesagt: Wenn du dieses Wunder der Heilung wirkst, dann haben wir zwei Fliegen auf einen Schlag

  • Du erhältst uns einen wichtigen Mann und du hast gleichzeitig das notwendige Wunder für deine Heiligsprechung
  • Noch am Tage des Heimgangs von Pater Jonathan kam eine E-Mail bei mir an: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für das Wunder.
  • Noch ein Taschentuch von Pater Kentenich unter sein Kopfkissen.

Das Wunder geschah nicht. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als uns dem Willen Gottes zu beugen.
Dies wollen wir allerdings nicht in einer billigen Weise tun: „Gottes Wille, drum sei stille!“ Viel mehr mit der Frage: Lieber Gott, was hast du dir dabei gedacht? Wozu ist Pater Jonathan gestorben?
Mir fallen dazu zwei Antworten ein. Der Schlüssel für diese Antworten liegt im Todestag, zwischen dem 18. und dem 20. Januar.
Der 20. Januar erinnert uns an die Entscheidung Pater Kentenichs, freiwillig ins Konzentrationslager zu gehen. Er begründet seine Entscheidung mit seiner Sicht der Ereignisse: in der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus: Letztlich geht es nicht um Politik, sondern um einen Kampf der göttlichen und widergöttlichen Mächte.

  • „Unser Herr Jesus Christus hat die Welt nicht erlöst durch Predigt und Wunder, sondern durch seinen Tod am Kreuz.“
  • „Dass ich in diesem Kampf Prellbock sein darf, geziemt sich und ist eine Ehre“.

Pater Jonathan hat ein sehr solides und ausgeprägtes Innenleben gehabt; Frucht der Familie, in der er aufgewachsen ist.

  • Sein geistliches Leben war aber auch geprägt von besonderen Wahrnehmungen des Göttlichen und des Diabolischen. Er hat Erfahrungen gemacht, dass im Ringen um das Seelenheil anderer er das Böse auf sich gezogen hat und darunter zu leiden hatte: „Prellbock!“
  • Sein Lebensende ist deshalb der Abschluss einer Lebenslinie, bei der wir leicht verstehen können, dass sein Lebensopfer geschenkt ist für die Auseinandersetzungen und das Ringen der Schönstattfamilie auf dem Weg zum Jahre 2014.
  • Dabei sind „Bündniskultur“ und „Neuevangelisierung“ für ihn zentrale Begriffe geworden. Nach Krebsbefund schreibt er an seinen Familienobern: „Eine gewisse Bündniskultur werde ich wohl pflegen müssen mit Krebs, Schmerz und Behandlung.“

Der 20. Januar auf der Grundlage des Liebesbündnisses vom 18. Oktober betont auch die Schicksalsverwobenheit zwischen Gründer und Gründung und der Glieder der Familie untereinander
Auch Christus hat nicht allein am Kreuz gelitten. Seine Mutter sollte unter dem Kreuz stehen, bis zum Schluss ihr Schicksal mit dem seinen verbinden.
Auch Pater Kentenich wollte sich nicht allein der Todesgefahr im Konzentrationslager aussetzen. Er bot die äußere Freiheit an für Wachstum der inneren Freiheit seiner Gefolgschaft und wollte durch Leidensbereitschaft und innere Freiheit der Gefolgschaft seine äußere Befreiung vom Konzentrationslager erhalten.

Die letzten Tage im Leben von Pater Jonathan werfen darauf ein besonderes Licht.

Das Propaedeuticum der Novizen (welches er nicht mehr halten konnte) und die Einladung, ein Zeugnis zu geben über seinen persönlichen Zugang zum Studium von Pater Kentenich.

  • Die Aufzeichnungen seiner Schwester, Sr. Deanne, im Krankenhaus: „Warum ist es wichtig, Pater Kentenich zu studieren?“
  • Seine Beobachtungen in der Jugend, wie andere von Pater Kentenich berührt und beeinflusst waren.
  • Seine Sammlung von solchen Zeugnissen: „Brushstrokes“; zwei von sieben geplanten Bänden sind veröffentlicht.
  • Das Wichtigste im Studium: Information – Formation – Transformation.
  • Die Aufzeichnungen schließen mit zwei Schlussbemerkungen: Physische Wunder passen nicht zur Größe Pater Kentenichs. Die eigentlichen Wunder sind die Neuevangelisierung von Person zu Person.

Diese Aufzeichnungen sind eine Gabe – ein Erbe? – an die Novizen und an alle, die in der Zukunft Pater Kentenich studieren wollen.

Hier scheint die Schicksalsverwobenheit im Liebesbündnis auf. Wie er sein Schicksal mit dem Pater Kentenichs verwoben hat – gerade auch in seinem Sterben –, hat er es auch mit dem unseren verwoben.
An Pater Walter: „Das Urheiligtum muss noch freigekauft werden, und ich lade alle ein, schön weiterzumachen.“

Heute, da wir seine leibliche Hülle der Erde überantworten, wollen wir ihm im Geiste die Hand reichen mit Vorsatz und Versprechen: Wir wollen weiter tragen und fortsetzen, was dein Leben bezeugt. Amen.”

Der „Pater mit der braunen Tüte“

Am Ende der Heiligen Messe gab es noch drei Redner. Sie alle dankten ihrem Mitbruder für das, was er in ihrem jeweiligen Lebenszusammenhang für sie war. Als erster sprach Pater Christian Christiansen, Regionaloberer von USA.
Als dritter sprach Pater Zé Fernando, Brasilien, Kursführer des Kurses von Pater Jonathan. Er war bei seinem Sterben dabei.

Und dann war sie wieder da: Die berühmte, unverwechselbare braune Papiertüte. Wer kennt sie nicht? Präsentiert wurde sie von Kaplan Tom Niehaus, dem jüngsten Bruder. Er sprach als zweiter. Er brachte die Tüte mit und zog in der Manier seines großen Bruders die Zutaten für seinen Dank aus der Tüte.

Beisetzung auf Berg Sion

Am Ende des Requiems erfolgte noch in der Kirche die Einsegnung, unter anderem auch wegen des regnerischen und kalten Wetters. Und das war gut so. Als der Sarg nach dieser sehr eindrücklichen Feier aus der Kirche getragen und gerade ins Auto geschoben worden war, ging ein zwar kurzer, aber heftiger Platzregen über Schönstatt nieder. Es war, als hätte der Himmel einmal kurz alle seine Schleusen geöffnet und ganz schnell alles Wasser in einem Schwung auf die Erde gekippt, damit es bei der Beisetzung auf dem Berg Sion für kurze Zeit noch einigermaßen trocken sein konnte.

Und so war die Feier auf dem Berg Sion auch relativ kurz. Das Gebet im und vor dem Sionsheiligtum, gefolgt vom Gang auf den Friedhof, wo der Sarg von Pater Jonathan endgültig in die Erde gesenkt wurde.

Es ist – zum Schluss – ein Gewinn, die Einträge im Kondolenzbuch zu lesen, spiegeln sie doch ein sehr abwechslungsreiches und bewegtes, aber auch ein sehr intensives Leben wider. Was immer wieder vorkommt, sind die „Predigten aus der braunen Tüte“. So anschaulich und so gut zu merken.

Die letzte Predigt vom 18. September 2011 im Heiligtum auf dem Berg Sion, wo er davon spricht, dass es auf den EINEN Denar ankommt und die Predigt vom 19. September 2011 im Heiligtum der Familien, in der es um die Notwendigkeit der Neuevangelisierung geht, sind HIER in der Mediathek von schoenstatt-tv  nachzuhören und nachzusehen.

Bleibt am Ende noch schoenstatt.org und schoenstatt-tv, sich ebenfalls beim Himmel zu bedanken, dass Pater Jonathan uns geschenkt war und dass wir ihn kennenlernen durften. Und bleibt uns noch, uns bei Pater Jonathan zu bedanken für sein immer bereites Entgegenkommen und seine Unterstützung, die er auch uns zukommen ließ. Wir sind überzeugt, dass er uns auch weiterhin vom Himmel aus unterstützen wird in unserem Bestreben, Bündniskultur zu schaffen.

Das Video von Requiem und Beisetzung ist in der Mediathek von schoenstatt-tv zu sehen: RequiemBeisetzung

1 Responses

  1. Hildegard Corina Hug sagt:

    Einer der Doktoranden erzählte mir nach der Beerdigung: Am Ende der beiden Studienwochen zum Thema "Bündniskultur" (September 2011) kam Pater Jonathan Niehaus mit seiner braunen Tüte zu ihnen und zog ein Hefegebäck aus seiner Tüte. Während er jedem Doktorand eines schenkte, wünschte er, dass alles, was sie nun geredet und diskutiert haben in ihnen wirken soll wie ein Hefeteig, der "aufgeht", über den Rand läuft und dem, der es isst, Kraft und Freude bringt.

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