Veröffentlicht am 2014-03-09 In Jubiläum 2014

Die Reinigung des Gedächtnisses. Die Kunst, um Verzeihung zu bitten und zu verzeihen

P. Carlos Padilla Esteban. Wir errichten in diesem Jubiläumsjahr ein Netz lebendiger Heiligtümer für Maria. Die Fastenzeit und die Heilige Woche sind eine Gelegenheit, weiterhin unsere Beiträge zum Gnadenkapital zu bringen. Wir beginnen eine Zeit der Umkehr, in der wir die Barmherzigkeit Gottes in unserem Leben erfahren. Das Netz entsteht aus vielen sich verknüpfenden, sich verbindenden Fäden. Und wie schwer ist es, zu verbinden und zu vereinen. Wie einfach ist es, zu trennen und zu teilen. Maria eint uns immer.

Wir möchten Gott bitten, unser Gedächtnis zu reinigen, unser Herz. Die Kirche hat auf ihre Geschichte geschaut, eine Geschichte der Heiligen und der Sünder, und hat um Vergebung gebeten. Wenn wir die Geschichte der Kirche anschauen, sehen wir Sünden und Wunden und fühlen uns verantwortlich für so viel Schmerz. Die Kirche, so menschlich und so göttlich, hat keine unbefleckte Vergangenheit.

Wenn wir die Geschichte Schönstatts anschauen, diese 100 Jahre, die wir gegangen sind, sehen wir, dass auch unsere Geschichte, auch unser Gedächtnis nicht unbefleckt ist. Es gibt Versagen, es gibt Wunden, es gibt Sünden, es gibt Beleidigungen.

Wie können wir das Gedächtnis unserer Schönstattfamilie reinigen? Es ist eine Gnade, die wir erbitten, eine Gabe. Ein Jubiläumsjahr ist ein Jahr der Vergebung Gottes und des Neuanfangs.

Wenn wir unsere persönliche Geschichte in Schönstatt, in der Kirche, anschauen, dann sehen wir auch unsere eigene Sünde. Wir haben beleidigt und verletzt. Wir sind beleidigt und verletzt worden. Unser Gedächtnis ist beschädigt. Unser Herz blutet, weil wir verletzt wurden und weil wir wissen, dass andere durch unsere Worte und Taten verletzt wurden. Wir möchten Gott und Maria bitten, dass diese Zeit eine Zeit sei, in der wir unsere Geschichte zur Gabe machen, unsere ganze Geschichte – unsere Schmerzen, unsere kleinen Verbitterungen, und in der wir bitten, dass sie unsere Herzen reinigen. Nur sie können es. Nur sie können unsere Wunden heilen.

Darum möchten wir in dieser Gnadenzeit auf unser eigenes Leben schauen und lernen, um Verzeihung zu bitten und zu verzeihen

Gelegentlich feiern wir unsere Geschichte und denken, dass wir nichts gegen irgendjemanden haben, in Frieden sind mit allen. Aber dann reicht es, ein wenig in der Vergangenheit zu herumzustochern, und schon kommen so viele Wunden und so viel Groll ans Licht. Unser Gedächtnis bewahrt alles Geschehene im Herzen. Wenn wir darum plötzlich zu Tage kommen lassen, was ganz in der Tiefe ist, dann erleben wir noch einmal die ganze Frustration, den Schmerz, die Beleidigung. Ja, wir haben Feinde und sie haben ein konkretes Gesicht. Im besten Fall ignorieren diese das. Vielleicht wissen sie sogar wirklich nicht, dass sie uns Schaden zugefügt haben oder meinen, wir hätten das längst vergessen. Aber nein, die Wunden sind tief eingegraben ins Herz! Wie schwer ist es, zu vergeben und zu vergessen! Ist es der Stolz, der uns daran hindert, das Kapitel abzuschließen? Ist es die Angst davor, erneut verletzt zu werden, die uns dazu bringt, alles zu verdrängen, um uns zu schützen und wachsam zu sein? Wir müssen verzeihen, um wieder auf den Wegen gehen zu können, die wir schon einmal berührt haben. Wenn wir es nicht tun, können wir uns nicht frei bewegen. Wir werden immer Angst haben vor dem Schmerz. Wir denken an die Wunde und es erschreckt uns allein der Gedanke, sie könne wieder aufgehen.

Aber wie verzeiht man? Es ist eine Gnade, um die wir bitten müssen, denn wir wissen nicht, wie wir es anstellen sollen. Verzeihen, um wieder vertrauen zu können, wie Pater Kentenich sagt: „Wir wollen den Glauben an das Gute im Menschen festhalten trotz zahlloser Enttäuschungen, trotz aller Verwirrungen, trotz aller starken Kämpfe. Lassen wir uns von nichts den Glauben an das Gute im Menschen rauben! Vielleicht wissen Sie das aus Erfahrung: Wenn jemand immer sagt und zu erkennen gibt: Ich glaube nicht mehr an dich…, dann ist alles in uns blockiert. Deswegen: Suchen Sie doch diesen Glauben an das Gute im Menschen festzuhalten.[i]

Es stimmt, dass die Vergebung Gottes uns heilt, uns befreit, uns erhebt. Und wenn wir erleben, wie Menschen uns verzeihen, dann bringt das das Beste ins uns hervor. Gott verzeiht und vergisst immer, er glaubt an uns. Es ist ein Geheimnis, eine Gabe. Seine Barmherzigkeit muss uns helfen, barmherzig zu sein mit denen, die uns beleidigen. Doch wie viel kostet es uns, zu verzeihen!

Gleichzeitig ist es notwendig zu lernen, um Verzeihung zu bitten

Wir sind sicherlich Feinde von irgendjemandem und wissen es nicht. Es wird eine Wunde im Herzen von irgendjemandem geben, die meinen Namen trägt. Und vielleicht wissen wir es ganz genau. Wir haben es getan, wir haben verletzt, wir haben versagt. Manchmal ohne es zu merken. Wir haben gesündigt mit unseren Worten, unseren Werken, unseren Unterlassungen. Denn wenn wir Liebe unterlassen, sündigen wir ebenfalls. Und was kostet es uns doch, um Verzeihung zu bitten! Ist das erneut der Stolz, die Eigenliebe?  Das ist möglich, denn so handeln wir immer. Wir machen etwas und rechtfertigen uns danach. Wir machen die Umstände verantwortlich. Wir suchen andere Schuldige, die uns von der eigenen Schuld befreien. Aber wir haben Schaden angerichtet. Fast ohne es zu merken, haben wir Narben in irgendeiner Seele zurückgelassen. Wir haben in unserem Herzen eine Person, eine Gemeinschaft, das Andere, das Unterschiedliche kritisiert. Vielleicht haben wir uns überlegen gefühlt, das Neue nicht angenommen. Oder wir haben mit anderen um Macht gerungen. Oder wir haben andere durch unsere Gleichgültigkeit verletzt. Vielleicht hatten wir nicht den Mut gehabt für  eine heilende Begegnung und haben die Zeit verstreichen lassen in der Hoffnung, dass es sich schon wieder einrenken werden. Ja, wir haben Verwundete am Wegrand liegen gelassen und wir haben es oft getan.

Warum fällt es uns so schwer, um Verzeihung zu bitten? Vielleicht ist uns manchmal einfach nicht bewusst, was wir getan haben. Wir haben es getan und fertig, wir haben dem nicht viel Bedeutung beigemessen. Danach geben wir auch dem Schaden, der Wunde, dem verursachten Schmerz keine Bedeutung. Gedankenlosigkeit? Unreife? Egoismus? Eigentlich ist es egal.

Wichtig ist, auf den Weg zu schauen, den wir vor uns haben. Schauen und vertrauen. Ja, darum geht es. Um Verzeihung bitten, um eine neue Geschichte zu beginnen. Bitten wir all jene um Verzeihung, die wir verletzt haben. Um Verzeihung bitten macht uns verwundbar. Es öffnet uns der Barmherzigkeit der anderen. Es setzt uns der Ablehnung oder Annahme aus. Es ist Heilung für den, der um Verzeihung bittet und für den, der verzeiht.


[i] Kentenich-Reader Band III, S. 102/3

El P. Carlos Padilla es Director Nacional del Movimiento de Schoenstatt de España y autor de „Cien años de camino, una mirada sobre Schoenstatt“

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