BRASIL, Maria Fischer •
„Was wäre, wenn wir eine große internationale Gnadenkapital-Kampagne machen, um unseren Brüdern und Schwestern aus Santa Cruz do Sul zu helfen, das Heiligtum zurückzuerobern und wieder aufzubauen? Wir schaffen eine große Strömung der Unterstützung und Begleitung für sie und wir zeigen, dass es auch in Schönstatt Gemeinschaft gibt. Es ist eine Idee…“ Eine Idee, die Claudio Ardissone aus Asunción, Paraguay, seinen internationalen Mitstreitern von schoenstatt.org vorstellte, als er die Fotos vom Innenraum des Heiligtums sah, mit einem kleinen Bild der Dreimal Wunderbaren Mutter, ein paar einfachen Stühlen, ohne Altar, und an den Wänden noch die Spuren des Heilig-Geist-Symbols, des Vatersymbols, des „Ave Maria“… Binnen weniger Minuten schlossen sich Priester und Laien aus Bolivien, Deutschland, Mexiko, Spanien, Portugal und Argentinien seinem Vorschlag an. Schicksalsgemeinschaft, solidarisches Bündnis, am Vorabend des 31. Mai. -—
Erinnern wir uns kurz an die letzten Monate dieses 1974 eingeweihten Schönstatt-Heiligtums. Nach dem Widerstand der Laien der Schönstatt-Bewegung, vielen juristischen Verfahren, an denen Staatsanwaltschaft, Ombudsmann, die Stadt sowie die Rechtsträger (Marienschwestern aus der Diözese Santa Maria, Brasilien) beteiligt waren, wurde die Wiedereröffnung des Heiligtums verfügt, nachdem die Marienschwestern es im vergangenen Jahr in einer Überraschungsaktion geschlossen und den Altar und alle Elemente des Heiligtums in ihr Wohnhaus in einem anderen Stadtteil gebracht hatten. Der ursprüngliche Plan war, das Heiligtum abzureißen, das Gelände zu verkaufen und eines Tages irgendwo anders in Santa Cruz do Sul ein neues Heiligtum. Von dem Geld aus dem Verkauf des Grundstücks.
Dieser ursprüngliche Plan scheiterte dank der Proteste der Laien der Bewegung und der Intervention der Gemeinde, die den Ort erhalten wollte, da er Teil der religiösen und touristischen Geographie von Santa Cruz do Sul ist, und die klarstellte, dass die Schenkung des Landes in den siebziger Jahren an eine Bedingung geknüpft war: es sollte für ein religiös-pädagogisch-soziales Ziel genutzt werden.
Ein geschenktes Land darf nicht verkauft werden. Wenn es seine ursprüngliche Bestimmung verlieren würde, fiele das Grundstück an die Gemeinde zurück. Dies sind nur die Fakten, die hier schnell aufgelistet sind. Die Details einschließlich der Stellungnahmen der verschiedenen Parteien können in den Artikeln auf schoenstatt.org und in der Lokalpresse nachgelesen werden.

Gottesmutter, komm zurück nach Hause. So steht es auf dem mittleren Banner. Oben: HIER ist der Gnadenort. Unten: Pater Kentenich, dein Platz ist hier.
Wem gehört ein Heiligtum?
Aber hinter diesen Fakten stehen die Tränen der Gründergeneration und ihrer Kinder, die diesen Ort mit ihren eigenen Händen aufgebaut haben. Hinter diesen Ereignissen stehen auch Abertausende von Pilgern, die Jahr für Jahr zu diesem Gnadenort pilgerten, um zu beten und ihre Freuden, Sorgen und Hoffnungen darzubringen. Dahinter befinden sich Hunderte von Liebesbündnissen, die in diesem Heiligtum besiegelt wurden. Dahinter steht der verzweifelte Schrei vieler Schönstätter: „Sie haben uns unser Heiligtum gestohlen!“ Dahinter verbirgt sich Leben. Wenn man sich die Abdrücke von Vatersymbol, Heilig-Geist-Symbol und Ave Maria auf dem Foto ansieht, kann man erkennen, dass die Geschichte nicht ausgelöscht werden kann.
Nicht nur im Gespräch unter Mitarbeitern von schoenstatt.org stellt sich die Frage: Wem gehört ein Heiligtum? „Der Ort gehört nicht den Schwestern, er gehört der Stadt. Die Stadt hat es für das Heiligtum zur Verfügung gestellt. Wenn es dort kein Heiligtum mehr gibt, müssen sie das Grundstück zurückgeben“, erklärt Luciana Rosas, die das Thema auf Bitten der Redaktion von schoenstatt.org verfolgt hat.
Das Heiligtum selbst gehört rechtlich seinen Eigentümern und Rechtsträgern, im Fall von Santa Cruz do Sul den Marienschwestern. Und außer dem Verkauf des geschenkten Landes, auf dem es steht, können die Eigentümer rein rechtlich mit ihrem Eigentum machen, was sie wollen. Rechtlich gesehen, ja. Genauso konnten die „Frauen von Schönstatt“ in der Schweiz ihr Heiligtum in Luzern abreißen, oder das vom Reginaberg leer räumen und das Haus verkaufen. Genauso wie die Pallottiner als Eigentümer des Urheiligtum vor 2013 das Recht gehabt hätten, das Urheiligtum rosa zu streichen, das Dach abzunehmen, das Bild zu verändern, es abzureißen oder es ans Opus Dei oder eine Kasinokette zu verkaufen. Bis zum Ende der Zeit müssen wir Gott und ihnen danken, dass sie von ihrem Recht keinen Gebrauch gemacht haben, in dem Wissen, dass der Respekt vor religiösen Stätten auch ein moralisches Recht und eine moralische Pflicht beinhaltet. Wir können viel von den Pallottinern lernen, auch von ihrer letzten Geste, das Urheiligtum im Jahr 2013 der Schönstatt-Bewegung zu schenken.
„Was in Santa Cruz do Sul passiert ist, kann an jedem anderen Ort auch passieren. Wenn wir uns über unsere Sendung und unseren Dienst an Kirche und Gesellschaft nicht im Klaren sind, werden wir verschwinden, so wie andere Charismen verschwunden sind“, sagt Paz Leiva aus Madrid mit Bezug auf den Artikel von Ignacio Quintanilla.
Es gibt selbstverständlich Heiligtümer, die nicht einem Schönstatt-Institut gehören. „Das Heiligtum von La Loma, in Parana, Argentinien, ist ein Beispiel dafür. Es wurde von Laien gebaut und unterhalten, heute ist es ein Wallfahrtsziel und die Gottesmutter hat Berufungen für Bünde und Institute geschenkt“, so Juan Eduardo Villaraza aus Paraná.
Das Heiligtum von Rawson, in Argentinien, wurde der dortigen Familie anvertraut, geleitet von einem Ehepaar aus dem Bund, mit Genehmigung des Generalpräsidiums. Oder der Fall von Salta, auch in Argentinien, wo die Schwester, die die Beraterin des Ortes war, gehen musste und das Heiligtum direkt in die Hände der Laien überging, einfach so. Dies ist nicht nur in Argentinien sehr verbreitet. Es würde sich lohnen, andere Länder zu überprüfen, in denen es ähnliche Fälle gibt, oder zu bestätigen, ob alle Heiligtümer der Welt von Patres oder Schwestern betreut werden …
Auch die Heiligtümer in den Diözesen Deutschlands „gehören“ fast alle einem gemeinnützigen Verein (als Träger), der sich aus Vertretern der Gliederungen und Gemeinschaften der Bewegung in der Diözese zusammensetzt, die es übernehmen, es mit Leben zu füllen und auch zu finanzieren.
Und nun?
„Wenn die Schwestern gegangen sind, haben sie damit den Platz den Laien überlassen… Es ist Zeit, dass die Schönstätter die Verantwortung übernehmen… Das Heiligtum neu bevölkern. Zeigen, dass auch die Laien einem heiligen Ort, an dem der Himmel die Erde berührt, Leben einhauchen können“, sagt Pfarrer Esteban Casquero vom Institut der Diözesanpriester aus Argentinien.
Ganz so einfach ist es aber offenbar nicht. Laut Ruy Kaercher vom Institut der Schönstatt-Familien von Santa Cruz do Sul, Leiter des Schönstatt-Widerstandes gegen die Schließung des Heiligtums (oder seine Verlegung ins Wohnhaus der Schwestern), wollen die Schwestern das Heiligtum den Laien nicht verkaufen (oder verschenken, nach dem großen Beispiel der Pallottiner). „Die Schwestern sind die Verwalter des Ortes und sie erlauben den Leuten der Bewegung nicht, ihn zu übernehmen“, erklärt Luciana Rosas aus Curitiba, die die Angelegenheit seit letztem Jahr verfolgt.
„Aber die Schwestern sind gegangen … Sie haben das Heiligtum leer gelassen. Wer würde die Mitglieder der Bewegung daran hindern, hinzugehen und Priester zu holen, um Messen zu halten?“, besteht Pfarrer Esteban. Dies ist genau das, was sie tun.
„Haben sie nach Seelen-, Seins- und Zeitenstimmen gehandelt?“, fragt sich Juan Eduardo Villarraza. „Andererseits finde ich es schon fast komisch, dass man es nicht den „Laien“ überlassen will. Die Schwestern… sind Laien. Sie haben keine Gelübde und wenn eine Schwester das Institut verlassen möchte, braucht sie keine kanonischen Schritte unternehmen. Darüber hinaus müssten sie doch merken, wie viele Stimmen, auch die der Gemeinde, nein sagen zu ihrem Plan… Kurzum, es fehlt das Verständnis, dass wir Werkzeuge, Verwalter und nicht Eigentümer sind. Hat der Bischof dazu gesprochen? Denn wenn die Hierarchie schon redet, ist es eine richtig ernste Sache.“
„Hier in Santa Cruz do Sul haben wir seit November 2020 kein Heiligtum mehr. Am kommenden Dienstag, dem 1. Juni, wird die vom örtlichen Staatsanwalt, der gleichzeitig „Ombudsmann“ ist, der Stadtverwaltung und den Rechtsträgern vorgeschlagene Vereinbarung ratifiziert, mit dem Ziel, das Heiligtum wieder zu öffnen. Vorläufig ist sie nur dienstags, donnerstags und sonntags von 14:00 bis 17:00 Uhr wieder geöffnet. Die Mitglieder der Apostolischen Bewegung, die gegen die Verlegung des Heiligtums ains Wohnhaus der Schwestern sind, werden diese Wiedereröffnung nutzen, um Momente des Gebets zu haben. Während der für die Wiedereröffnung festgelegten Stunden werden sich Mitglieder der Mütterbewegung, des Familieninstituts und anderer Gliederungen mit dem Rosenkranzgebet abwechseln und die MTA um Klarheit in dieser traurigen Situation, die wir erleben, bitten“, so Ruy Kaercher.
In einem Interview mit Radio Gazeta wies der Staatsanwalt und Ombudsmann, Érico Barin, darauf hin, dass mit der Wiedereröffnung in religiöser Hinsicht nicht zwingend alles wieder so wie vorher sein müsse. „Die Staatsanwaltschaft kann sich nicht in religiöse Aspekte einmischen, sondern nur in die öffentliche Nutzung des Grundstücks, das von der Stadtverwaltung gestiftet wurde. Diese Fragen, wie z.B. die Feier von Messen, sollten die Gläubigen direkt mit der Kongregation der Marienschwestern besprechen, um einen Konsens zu erreichen. Die Schwestern haben die Pflicht, das Heiligtum zu den angegebenen Zeiten für die Öffentlichkeit zu öffnen, und natürlich das Recht, es auch an anderen Tagen und zu anderen Zeiten zu öffnen“.
Das also bleibt einzig in den Händen der Schönstätter.
„Das stärkere Leben setzt sich immer durch! Beten wir, dass die Mitglieder der Bewegung dort den Ort zurückerobern und dafür sorgen, dass die Gottesmutter Beiträge zum Gnadenkapital hat, damit die Pilger die Gnaden des Heiligtums empfangen können“, sagt Pfarrer Esteban Casquero.
Ein solidarisches Bündnis mit Santa Cruz do Sol
In diesem Moment des Dialogs via WhatsApp entstand die Idee von Claudio Ardissone zu einem großen solidarischen Bündnis mit der Bewegung von Santa Cruz do Sul.
„Perfekt, ich schließe mich an und füge auch die hinzu, die ich kenne. Aber ich denke, es ist gut, dass die Menschen dort davon wissen“, sagt Pfarrer Esteban Casquero. Sie werden diesen Artikel mit Sicherheit lesen.
„Aus Santa Cruz de la Sierra, Bolivien, vereinigen wir uns mit unseren Brüdern aus Santa Cruz do Sul, Brasilien. Wir haben ein voll eingerichtetes Heiligtum, es ist nur noch nicht eingeweiht; in gewisser Weise haben wir gegensätzliche Geschichten, aber wir schließen uns der Kampagne an, die gestartet wird“, sagt Alexandra Kempff aus Bolivien.
Die Spuren an den Wänden sprechen. Die Bündnisgeschichte wird nicht gelöscht. Es ist traurig, das Innere des Heiligtums so zu sehen. Schließlich sagte Juan Zaforas aus Spanien: „Es ist traurig, das so zu sehen, aber die Gottesmutter braucht nichts mehr, um Wunder zu wirken. Es kann ein Symbol sein. Die gute Nachricht ist die Wiedereröffnung des Heiligtums.“
Weiter so, Brüder und Schwestern im Liebesbündnis aus Santa Cruz do Sul. Ihr kämpft nicht allein. Wir sind hier. Aus vielen Völkern und Nationen, aus unserem solidarischen Bündnis.