Veröffentlicht am 2014-06-01 In Franziskus - Initiativen und Gesten

Franziskus in Jerusalem: “Geschafft!” – Umarmung von Freunden

HEILIGES LAND/ROM, org. “In den heikelsten Momenten brauchen wir weise Menschen, die uns wohl wollen; Gott selbst rät uns in unserem Innern, in der intimen Begegnung mit ihm und durch die Stimme und das Zeugnis unserer Freunde“, sagte Papst Franziskus vor ein paar Wochen  in der heiligen Messe in Santa Marta. Er weiß, was Freunde und Freundschaften  bedeuten. Die feste, herzliche Umarmung von drei Religionsführern – einem Juden, einem Moslem, einem Christen – an der Klagemauer in Jerusalem war einer der Höhepunkte der Pilgerreise von Papst Franziskus ins Heilige Land. Es war die Umarmung von Freunden, Erfüllung eines Traums und Zeichen für den Weg zum Frieden und nicht nur im Nahen Osten.

Als der Heilige Vater sein Gebet am heiligsten Ort des Juden beendet hatte, da liefen der Rabbiner Abraham Skorka und der argentinische Moslemführer  Omar Abboud sichtlich bewegt auf ihn zu. Die drei Männer hielten sich für einen langen Augenblick in einer festen Umarmung und einem Kommentar: „Geschafft! Wir haben es geschafft!“ Der alte Traum, der aus der Freundschaft der drei in Buenos Aires stammt, wurde vor den Augen der ganzen Welt Wirklichkeit als wortloses Zeichen dafür, wie man der Albtraum religiöser Feindseligkeiten zu überwinden ist: in Ehrfurcht und persönlicher Zuneigung unter Menschen guten Willens.

„Mit Papst Franziskus haben wir davon geträumt, uns an der Klagemauer zu treffen, uns dort zu umarmen als Zeichen gegen die 2000 Jahre der Auseinandersetzung zwischen Juden und Christen – und wir wollten ihn nach Bethlehem begleiten, um in seiner Nähe zu sein in einem Moment, der für seine Spiritualität so wichtig ist, einfach als Zeichen von Freundschaft und Ehrfurcht“, hatte Abraham Skorka vor der Reise in einem Interview mit dem Chefredakteur von  La Civiltà Cattolica, Pater Antonio Spadaro, gesagt.

Der uns als Auferstandener alle „seine Brüder“ nennt

Am Abend zuvor hatte es am Heiligen Grab, am leeren Grab der Auferstehung, die Umarmung der getrennten christlichen Brüder gegeben.

„Es ist eine außerordentliche Gnade, hier im Gebet vereint zu sein. Das leere Grab, jene in einem Garten gelegene neue Grabstelle, wo Josef von Arimathäa den Leichnam Jesu ehrfürchtig beigesetzt hatte, ist der Ort, von dem die Botschaft der Auferstehung ausgeht: »Fürchtet euch nicht! Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier; denn er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt her und seht euch die Stelle an, wo er lag. Dann geht schnell zu seinen Jüngern und sagt ihnen: Er ist von den Toten auferstanden« (Mt 28,5-7)“, sagt Franziskus.  „Diese Botschaft, die von dem Zeugnis derer bestätigt wurde, denen der auferstandene Herr erschien, ist das Herz der christlichen Botschaft; sie wurde treu von Generation zu Generation weitergegeben, wie der Apostel Paulus von Anfang an bezeugt: »Vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe: Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift, und ist begraben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift« (1 Kor 15,3-4). Sie ist die Grundlage des Glaubens, der uns eint und dank dem wir gemeinsam bekennen, dass Jesus Christus, der eingeborene Sohn des Vaters und unser einziger Herr, »gelitten [hat] unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden [ist] von den Toten« (Apostolisches Glaubensbekenntnis). Jeder von uns, jeder in Christus Getaufte ist geistig auferstanden aus diesem Grab, denn alle sind wir in der Taufe dem Erstgeborenen der ganzen Schöpfung wirklich eingegliedert und gemeinsam mit ihm begraben worden, um mit ihm auferweckt zu werden und »als neue Menschen leben« zu können (Röm 6,4). … Enthalten wir der Welt die frohe Botschaft der Auferstehung nicht vor! Und seien wir nicht taub gegenüber dem mächtigen Aufruf zur Einheit, der gerade von diesem Ort aus in den Worten dessen ertönt, der als Auferstandener uns alle „meine Brüder“ nennt (vgl. Mt 28,10; Joh 20,17)!“

Die noch bestehenden Unterschiede dürften uns nicht entmutigen oder erschrecken, sagt Franziskus.  Und er spricht von der Ökumene des Blutes: „Wenn Christen verschiedener Konfessionen gemeinsam zu leiden haben, die einen an der Seite der anderen, und einander in brüderlicher Liebe Hilfe leisten, verwirklicht sich eine Ökumene des Leidens, , verwirklicht sich die Ökumene des Blutes, die eine besondere Wirksamkeit besitzt, nicht allein für die Zusammenhänge, in denen sie stattfindet, sondern dank der Gemeinschaft der Heiligen auch für die gesamte Kirche. Diejenigen, die aus Hass auf den Glauben die Christen töten, sie verfolgen, fragen sie nicht, ob sie Orthodoxe oder Katholiken sind: Sie sind Christen. Das christliche Blut ist dasselbe.“

Pater Francisco Pizzaballa, Kustos des Heiligen Landes, der genau die Situation und die Konflikte der Region kennt, sagt in Radio Vatikan auf die Frage von P. Guillermo Ortiz SJ, wie er sich gefühlt habe, als er so viele verschiedene Personen hier gemeinsam habe beten sehen: „Ich habe gedacht, ich träume…“

Gib uns die Gnade, uns zu schämen…

Es klingt noch nach und soll immer nachklingen…Was sagt man angesichts unsagbaren Horrors, vor dem, wozu Menschen anderen Menschen gegenüber fähig waren? Im Leserforum eines großen deutschen Nachrichtenportals, wo sonst gerne Spott und Häme über alles ausgegossen wird, das auch nur von ferne mit Kirche zu tun hat, finden sich ungewöhnlich nachdenkliche Töne. „Gerade weil die katholische Kirche in ihrer Geschichte auch immer wieder daran beteiligt war, bin ich umso begeisterter, wenn ein Papst versucht, gegen Hass anzugehen und wünschte mir, er hätte Erfolg. Ich bin Atheist“, heißt es dort, oder: „Trotz meiner sehr kritischen Haltung gegenüber der katholischen Kirche muss ich sagen, dass der jetzige Papst ein positives Signal nach dem Anderen aussendet. Etwas Besseres als er hätte der katholischen Kirche wohl kaum widerfahren können,“ und zu seiner Friedensgebetsinitiative: „Das ist eine unglaublich gute Geste des Papstes! Unabhängig von ihrer politischen Agenda behaupten doch beide – Peres und Abbas – dass sie nichts sehnlicher wollen, als Frieden. Jetzt können sie mal zeigen, ob sie das auch meinen. Selbst wenn bei einer solchen Begegnung auf Anhieb nicht viel herauskommen wird, der simple Fakt, dass Christen, Juden und Moslems sich in einem gemeinsamen Gebet die Hand reichen, hätte eine enorme Symbolwirkung. Eine Bitte an meine atheistischen Freunde und Mitkommentatoren: Bitte macht diese Geste nicht durch eine Diskussion über den Sinn oder Unsinn von Gebeten kaputt – darüber können wir uns an anderer Stelle unterhalten…“ (Quelle: http://meta.tagesschau.de/id/85812/papst-in-yad-vashem-niemals-wieder-herr )

„Adam, wo bist du?“ (vgl. Gen 3,9).

Wo bist du, o Mensch? Wohin bist du gekommen?
An diesem Ort, der Gedenkstätte an die Shoah, hören wir diese Frage Gottes wieder erschallen: „Adam, wo bist du?“
In dieser Frage liegt der ganze Schmerz des Vaters, der seinen Sohn verloren hat.
Der Vater kannte das Risiko der Freiheit; er wusste, dass der Sohn verlorengehen könnte… doch vielleicht konnte nicht einmal der Vater sich einen solchen Fall, einen solchen Abgrund vorstellen!
Jener Ruf „Wo bist du?“ tönt hier, angesichts der unermesslichen Tragödie des Holocaust wie eine Stimme, die sich in einem bodenlosen Abgrund verliert…

Mensch, wer bist du? Ich erkenne dich nicht mehr.
Wer bist du, o Mensch, Wer bist du geworden?
Zu welchem Gräuel bist du fähig gewesen?
Was hat dich so tief fallen lassen?
Es ist nicht die Erde vom Ackerboden, aus der du gemacht bist. Die Erde vom Ackerboden ist gut, ein Werk meiner Hände.
Es ist nicht der Lebensatem, den ich in deine Nase geblasen habe. Jener Atem kommt von mir, er ist sehr gut (vgl. Gen 2,7).
Nein, dieser Abgrund kann nicht allein dein Werk sein, ein Werk deiner Hände, deines Herzens… Wer hat dich verdorben? Wer hat dich verunstaltet?
Wer hat dich angesteckt mit der Anmaßung, dich zum Herrn über Gut und Böse zu machen?
Wer hat dich überzeugt, dass du Gott bist? Nicht nur gefoltert und getötet hast du deine Brüder, sondern du hast sie als Opfer dir selber dargebracht, denn du hast dich zum Gott erhoben.
Heute hören wir hier wieder die Stimme Gottes: „Adam, wo bist du?“
Vom Boden erhebt sich ein leises Stöhnen: Erbarme dich unser, o Herr!
Du Herr, unser Gott, bist im Recht; uns aber treibt es die Schamröte ins Gesicht, die Schande (vgl. Bar 1,15).
Ein Übel ist über uns gekommen, wie es unter dem ganzen Himmel noch nie geschehen ist (vgl. Bar 2,2). Jetzt aber, o Herr, höre unser Gebet, erhöre unser Flehen, rette uns um deiner Barmherzigkeit willen. Errette uns aus dieser Ungeheuerlichkeit.
Allmächtiger Herr, eine Seele in Ängsten schreit zu dir. Höre, Herr, erbarme dich!
Wir haben gegen dich gesündigt. Du thronst in Ewigkeit (vgl. Bar 3,1-3)
Denk an uns in deiner Barmherzigkeit. Gib uns die Gnade, uns zu schämen für das, was zu tun wir als Menschen fähig gewesen sind, uns zu schämen für diesen äußersten Götzendienst, unser Fleisch, das du aus Lehm geformt und das du mit deinem Lebensatem belebt hast, verachtet und zerstört zu haben.
Niemals mehr, o Herr, niemals mehr!
„Adam, wo bist du?“
Da sind wir, Herr, mit der Scham über das, was der als dein Abbild und dir ähnlich erschaffene Mensch zu tun fähig gewesen ist.
Denk an uns in deiner Barmherzigkeit.

 

So etwas wie der Holocaust ist einmalig in der Geschichte der Menschheit. Unvergleichbar. Und doch. Was Franziskus hier gesagt hat, ist eine  Botschaft auch noch darüber hinaus.  Auch heute gibt es Menschen, die Leben zerstören, Lebensträume kaputt machen, Lebensprojekte von anderen aus schierem Neid und Machtstreben zerstören… in Staaten, in Unternehmen, in Familien, in der Kirche, in Schönstatt.

Gib uns die Gnade, uns zu schämen für das, was zu tun wir als Menschen fähig gewesen sind …

Nicht einmal Minenfelder können das gewinnende Charisma von Papst Franziskus stoppen

“Der Papst betritt ein Minenfeld.“ Das versicherte Pater David Neuhaus, Nummer zwei des lateinischen Patriarchats in Jerusalem vor der Reise. „Doch nicht einmal Minenfelder können das gewinnende Charisma von Papst Franziskus stoppen. In diesen drei Tagen im Heiligen Land hat er Minen jahrhundertelangen Hasses, von Trennung und Argwohn entschärft, um dazwischen Rosen des Dialogs zu säen, der Versöhnung, der Einheit, des Friedens und der Hoffnung. Nach innen und nach außen“, so der Kommentar des spanischen Journalisten José Manuel Vidal.

Alles gipfelt in der Messe im Coenaculum in Jerusalem. Am selben Ort, an dem vor 2000 Jahren sich von seinen Jüngern verabschiedete, das Brot brach, den Wein segnete, es teilte und sie baten, dies zu seinem Andenken zu tun. Hier feiert Franziskus die Eucharistie. „Eine Rückkehr zu den Ursprüngen, durch einen Papst, der wie kaum ein anderer in seiner Echtheit und seinem Einsatz die ersten Christen darstellt. Hier wurde die Kirche geboren, sagt Franziskus“ – so ein Kommentar von Jesús Bastante, Journalist aus Spanien.

„Schließlich erinnert uns der Abendmahlssaal an die Geburt der neuen Familie, der Kirche, unserer heiligen Mutter Kirche, die hierarchisch ist und vom auferstandenen Jesus gegründet wurde“, sagt Franziskus. „ Eine Familie, die eine Mutter hat, die Jungfrau Maria. Die christlichen Familien gehören zu dieser großen Familie, und in ihr finden sie Licht und Kraft, um durch die Mühen und Prüfungen des Lebens hindurch voranzugehen und sich zu erneuern. In diese große Familie sind alle Kinder Gottes aus allen Völkern und Sprachen eingeladen – alle Geschwister und Kinder des einen Vaters im Himmel.

Das ist der Horizont des Abendmahlssaals: der Horizont des Auferstandenen und der Kirche.

Von hier geht die Kirche im Aufbruch aus, belebt vom Lebenshauch des Geistes. Indem sie zusammen mit der Mutter Jesu im Gebet verharrt, lebt sie immer wieder in der Erwartung einer erneuten Ausgießung des Heiligen Geistes: Dein Geist, o Herr, komme herab und erneuere das Antlitz der Erde (vgl. Ps 104,30)! „

Ein Blumenstrauß

Er ist zurück in Rom. Bei der Generalaudienz am letzten Mittwoch dankte er allen für die Gebete für diese Wallfahrt. Und zuvor, in den ersten Stunden des Dienstag, am Tag nach seiner Rückkehr aus dem Heiligen Land, da ging er nach Maria Maggiore, um der Mutter des Herrn für seine Reise ins Heilige Land zu danken. Etwa eine halbe Stunde war er dort, nur mit seinem Chauffeur, danach ging er zurück in den Vatikan. Mit einem Blumenstrauß für Maria begann und endete, in diesem Marienmonat Mai, seine Wallfahrt.

Siehe auch

Alle Ansprachen, Videos und Fotos der Pilgerreise ins Heilige Land
http://w2.vatican.va/content/francesco/de/travels/2014/outside/documents/papa-francesco-terra-santa-2014.html

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