Veröffentlicht am 2014-08-03 In Themen - Meinungen

„P. Günther Boll“

MIT WENIGEN WORTEN, P. Joaquín Alliende L. Von Natur aus schüchtern, wie manche hochintelligenten Menschen. Beweglich war er, geräuschlos im Auftreten. Er konnte bei Gelegenheit Rilke zitieren oder Spaemann. Einmal lud er uns ein zu einem Austausch über einige gerade entdeckte Chagalls. In einem anderen Jahr war er daran interessiert, über die Befreiungstheologie aus der kentenichianischen Geschichtsauffassung zu diskutieren. Er schaute mit Freude im Fernsehen Fußball und spielte gern Volleyball. Da war er leidenschaftlich dabei. Wenn er verlor, schnitt er ein ausgesprochen missvergnügtes Gesicht. Bei der Anbetung des Allerheiligsten beugte er seinen Körper leicht nach rechts, aber immer aufrecht. Unser Vater sagte ihm in Milwaukee, er sei wachsam wie ein Eichhörnchen. Einmal riet er ihm, in seinem Zimmer eine Packung Studentenfutter zu haben, damit Günther seine  ausgiebige Abendlektüre mit etwas Schmackhaftem begleite. Beim Geschirrspülen war er unschlagbar schnell.

Er las alles, was es gedruckt von Pater Josef Kentenich gab. Und prüfte Übersetzungen in verschiedenen Sprachen. Er war sehr treffsicher. In Blick auf tiefgründige Gespräche mit unserem Vater, in der  Endreife des Gründers, dürfte er den Weltrekord an Gesprächsstunden in Ruhe halten. Doch das Zentrale war nicht ein Wissen, es war ein Leben und ein Sterben. Günther Boll gab alles was er war in der Gefolgschaft seines Vaters, des Gründers und Propheten. Wegen dieser radikalen Konsequenz in schwierigen Zeiten wurde ihm die Weihe als katholischer Priester verweigert. Danach übernahm er menschlich gesehen die härtesten Aufgaben, um sich seiner Sendung als Mitgründer zu weihen, „ohne Fragen und Klagen“. Dafür litt er. Einmal sah ich Tränen in seinen Augen beim Annehmen einer schweren Aufgabe.

Aus einem ausgeprägten kentenichianischen Persönlichkeitskern heraus hatte er keinerlei Angst, an die Grenzen zu gehen, oder in den Widerspruch, ohne Dogmatismus und ohne sich je zu verzeichnen. Wenn jemand ihn künstlich in die Ecke trieb, antwortete er schnell, und in seinen jungen Jahren mit einem guten Stich Ironie. Später, mit den Jahren, färbte Wohlwollen seine Worte.

Er hinterlässt uns ein vielfältiges und bleibendes Erbe. Wie sich bei Josef Kentenich sein Erbe in einer Väterlichkeit in Jesus, dem Eingeborenen Sohn des Vaters und Guten Hirten jedes Menschen verwebt, so geschah Ähnliches in Günther als Kind und Vater. Und zeigt auch, dass Pater Kentenich unmittelbar Vater war im Jahr 1914, und Vater von Vätern 100 Jahre danach, hinein in einen Horizont im Werden.

P. Joaquín Alliende

 

Original: Spanisch. Übersetzung: M.Fischer/schoenstatt.org

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert