Dachau 20. Januar

Veröffentlicht am 2024-01-25 In Leben im Bündnis

Eine internationale Welle quer durch alle Völker und Nationen

DEUTSCHLAND, Schw. M. Elinor Grimm / mf •

„Eine internationale Welle quer durch alle Völker und Nationen“ – der Spruch könnte auf einer der vielen wunderbaren Protestaktionen gegen Rechtsextremismus in diesen Tagen stammen oder aus dem viral gehenden Werbespot von Edeka zu leeren Regalen bei fehlender Vielfalt. Ist aber viel älter, stammt aus der unmittelbaren Nachkriegszeit und von Pater Kentenich – zitiert bei der jährlichen Begegnung von Schönstättern im und mit dem ehemaligen Konzentrationslager Dachau. —

Zwischen dem Tag des Gedenkens an die Opfer der Aktion T 4 (Bezeichnung für den systematischen Massenmord an mehr als 70.000 Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen in Deutschland von 1940 bis 1941 unter Leitung der Zentraldienststelle T4.) am 18. Januar und dem Holocaust-Gedenktag am 27. Januar liegt für die Schönstattfamilie der wichtige Gedenktag des 20. Januar.

Der 20. Januar 1942 gilt mit seinem Umfeld als „Achse der Schönstattgeschichte“ und wird als „zweiter Meilenstein“ bezeichnet. Für den Gründer Pater Kentenich – seit 20.09.1941 Häftling im Gestapo-Gefängnis Koblenz – drohte der Transport in ein „Konzentrationslager“. Vielleicht könnte er dem doch noch entgehen, wenn er bereit wäre, den Antrag auf eine nochmalige Untersuchung durch den Gefängnisarzt zu unterschreiben und sich von ihm für „lagerunfähig“ erklären zu lassen. So hofften die Mitglieder der Bewegung. Pater Kentenich rang im Gebet mit sich und entschied sich am Morgen des 20. Januar in der heiligen Messe, keine menschlichen Mittel anzuwenden, sondern sich ganz dem Willen Gottes zu überlassen. Er vertraute auf die Übernatur und setzte auf die solidarische Verbundenheit mit seiner geistlichen Familie. Er war bereit, seine äußere Freiheit zu opfern, um seiner Gemeinschaft den Geist der inneren Freiheit zu sichern. Am 13.03.1942 begann für ihn tatsächlich die „Schutzhaft“ im KZ Dachau, die bis zu seiner Entlassung am 06.04.1945 dauerte. Rückblickend durfte er, durfte die Schönstattfamilie erleben, wie viel Segen aus dieser Entscheidung vom 20.01.1942 hervorging, wie weltweit eine Segensquelle aufbrach.

Am Tor zur Gedenkstätte Dachau

Am Tor der Gedenkstätte Dachau – Foto: Anton Pfaffenzeller

Vor achtzig Jahren: Schönstatt wird international

Seit vielen Jahren treffen sich daher an diesem Tag oder im Umkreis dieses Tages in Dachau Vertreter der Schönstattfamilie, vor allem aus umliegenden Diözesen. Von Augsburg kommen Teilnehmer seit 1962! Dieses Jahr wollten wir an Gebete aus dem Konzentrationslager aus dem Gebetbuch „Himmelwärts“ erinnern. Vor 80 Jahren verfasste P. Kentenich zum 15. August, dem Fest der Aufnahme Marias in den Himmel, als Ersatz für das fehlende Brevier die „Horen“ (Tagzeiten des Stundengebetes). Aber auch die „Schönstatt Internationale sollte in den Blick kommen. Im Herbst 1944 hat Pater Kentenich die „Schönstatt Internationale“ gegründet, angeregt durch die vielen internationalen Kontakte, die er im Lager hatte. Aus mehr als 30 Nationen waren Gefangene in Dachau.

Für den meditativen Stationenweg wurde daher für die einzelnen Stationen ein Vers aus „Himmelwärts“ ausgewählt, am Beginn und Schluss Verse aus dem Kreuzweg. Die meiste Zeit war man im Freien. In der Sonne konnte man es mit entsprechender Kleidung an diesem kalten Wintertag gut aushalten, anders als seinerzeit die Häftlinge, wenn sie in der Kälte manchmal stundenlang Appell stehen mussten …

Ehemaliger Priesterblock 26

Ehemaliger Priesterblock 26 – Foto: Anton Pfaffenzeller

Sehenswerte Ausstellungen

Alternativ zum Stationenweg boten sich die beiden Sonderausstellungen an: „Auftakt des Terrors“ – in der rechten Baracke – und im Sonderausstellungsraum der KZ-Gedenkstätte Dachau die „Dachauer Prozesse“. Diese Ausstellung ist noch das ganz Jahr über zugänglich. Manche Teilnehmer, besonders solche, die erstmals in Dachau waren, äußerten sich erstaunt, dass trotz der Kälte verhältnismäßig viele Besucher zu sehen seien. Dabei war es verhältnismäßig ruhig gegenüber sonstigen Verhältnissen unter der Woche.

Dachau

Foto: Grimm

Religiöse Atmosphäre mitten in Dachau. Heute.

Zur heiligen Messe kurz vor 14 Uhr waren wir eine große Schar, zum Teil von weit her angereist, fast 40 Personen. Sogar eine Schönstattfamilie aus Argentinien war dabei. Mit ihnen hatte Frau Keßler schon vorher Kontakt aufgenommen. Später kam es am Block 26 zu einer unerwarteten Begegnung mit einer jungen Südamerikanerin. Sie war gerade erst in München angekommen und wollte im Laufe der Woche nach Schönstatt weiterfahren, um an der „Einkleidung“ einer Verwandten, Novizin der Marienschwestern, teilzunehmen.

Pfarrer Eschbaumer hielt eine mitreißende Predigt. Er erinnerte an das große Anliegen Pater Kentenichs, das er auch bei seinem Besuch in Dachau zur Jubiläumsfeier am 16.7.1967 zum Ausdruck gebracht hatte, dass Schönstätter, ja alle, die dafür offen sind und diesen Ort besuchen, die religiöse Atmosphäre wahrnehmen können, die damals im KZ unter schwierigsten Bedingungen in kleinen Kreisen immer wieder spürbar war. P. Kentenich prägte dafür den Begriff „Dachaugeist“. Damit ist die starke Bindung nach oben gemeint, die Verwurzelung, die Beheimatung im „Himmel“, wie es auch Paulus ausdrückt: „Euer Wandel sei im Himmel“. Wenn das in der Situation des Konzentrationslagers ging, dann auch in Situationen am Arbeitsplatz, in Schule und Universität, in einem Land, in dem ernsthaft von „Remigration“ gefaselt wird und wo auch binnenkirchlich Hassrede an der Tagesordnung ist.

Der Wunsch nach diesem „Dachaugeist“, nach der Kraft, gerade außerhalb eines religiösen Binnenklimas Zeugnis zu geben, hat 1992 die bayerische Schönstattfamilie bewegt, Maria sichtbar eine Krone zu schenken. Im Konzentrationslager hatte Pater Kentenich in der Hungersnot 1942 Maria zur Lagerkönigin, zur Brot- und Heimmutter erwählt. Das MTA-Relief im Gedenkraum trägt seit 1992 Krone und Zepter, letzteres ein Geschenk der Frauenliga. Die beiden Vertreterinnen dieser Gliederung freuten sich sehr, dass sie und auch „ihr“ Vatersymbol dabei war, das die Frauenliga vor Jahren bewusst für Dachau gestiftet und 2014 den Marienschwestern in Bayern anvertraut hat.

Heilige Messe in der Karmelkirche

Heilige Messe in der Karmelkirche

Um Frieden

Nach dem Gottesdienst ging es zur Todesangst-Christi-Kapelle. Dort erinnerte Ilse Keßler besonders an die Internationale. Sie hatte auch anschauliche Fotos mitgebracht, um manches noch mehr zu verdeutlichen. So zeigte sie uns eine Fotokopie mit einem jungen farbigen Häftling. Er stammte aus Algerien und war im Widerstand in Frankreich verhaftet worden. Frau Keßler zitierte aus dem „Gebet des Internationalen Kreises“ (Himmelwärts), erinnerte an die dritte Gründungsurkunde und zitierte aus einer Ansprache Pater Kentenichs im Jahr 1951 bei der Weihe des Ostkreuzes (Altarkreuz im Urheiligtum, das die Verbindung zu den osteuropäischen Christen lebendig halten soll) u.a.: „Meinen Sie nicht, dass er (Gott) eine internationale Welle durch alle Völker und Nationen gehen lassen will, dass er aus allen Völkern – gesunde – Kräfte sammeln, zusammenfassen und so eine tiefgreifende internationale Erneuerungsbewegung schaffen will?

Dankbar und beschenkt machten sich die einen auf den Heimweg, andere nahmen sich noch Zeit zum persönlichen Gebet im Lager. Einige trafen sich im nahegelegenen Café auf dem Gelände der ehemaligen Plantage, um sich für die teilweise lange Heimfahrt zu stärken.

Immer wieder kam an diesem Nachmittag das große Anliegen „Frieden“ zum Ausdruck und dass wir uns stellvertretend für die internationale Schönstattfamilie sehen.

Gedenkraum

Gedenkraum

 

Hinweise

06.04. 2024, ab 10:30 Uhr:

„Schönstatt“-Angebot (Rundgang), KZ-Gedenkstätte Dachau mit Themenrundgang, heiliger Messe und Austausch aus Anlass des Tages der Entlassung von P. Kentenich aus dem Konzentrationslager.

Anmeldung/Information:

Die KZ-Gedenkstätte Dachau ist täglich von 9–17 Uhr geöffnet.

Webseite

 

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