Habt keine Angst

WJT LISSABON 2023, Maria Fischer •

Kurz nach dem Ende der Live-Übertragung der Aussendungsmesse von Papst Franziskus mit 1,5 Millionen Jugendlichen auf dem Campo da Graça, dem Gnadenfeld, sause ich („in Eile“, klar) zum Ort meiner konkreten Liebe, einem Pflegeheim in der Nachbarstadt. Irgendwann schalte ich den Fernseher ein, und zwischen Nachrichten über Kriege, Sportereignisse, Dramen von Stars und Sternchen und politischen Reden wird eine Minute der Messe des Weltjugendtages in Lissabon gezeigt, eine Aufnahme von einer Drohne, die das ganze riesige Feld voller junger Menschen zeigt. „Das ist doch Gnade, was für eine Gnade“, sagt, mit Tränen in den Augen, eine seit einer Hirnblutung schwer geistig behinderte Frau. „Die Welt muss doch stehen bleiben, so viel Glaube auf einmal! Nicht weitermachen, das muss ich lange sehen….“. —

Beginn des Tages in Campo da Graça – Fotos: Sebastião Roxo \ JMJ 2023

So viel Glaube auf einmal. Ein Glaube, der eine lange Nacht lang gewartet hat, betend, schlafend, redend… bis die Sonne wieder aufging. Bis wir alle, bis eine müde Kirche und eine geängstigte Welt ein sonnendurchflutetes Feld sehen konnten, mit Tausenden und Abertausenden von Gesichtern, die vor innerer Freude strahlten, einer missionarischen Freude, wie der Papst in der Vigil gesagt hatte.

Kurz nach 8 Uhr morgens traf Franziskus an dem Ort ein, an dem die jugendlichen Pilger übernachtet hatten, nachdem sie an der Vigil und der Anbetung des Allerheiligsten Sakraments teilgenommen hatten.

Foto: Duarte Nunes \ WJT 2023

Leuchten, zuhören, sich nicht fürchten

Franziskus fasst die Erfahrung und das Vermächtnis von Lissabon 2023 in drei Verben zusammen: „leuchten, zuhören, sich nicht fürchten“. In Spanisch klingt es noch stärker: keine Angst haben. Das Evangelium der Tagesliturgie, der Abschnitt über die Verklärung, leitet die Überlegungen an und bietet geeignete Bilder. Die Apostel, die vom Glanz auf dem Tabor umhüllt sind, sind, wie der Papst erklärt, „in Licht getaucht“, das sie in der „Nacht der Passion“ trösten wird.

Habt keine Angst, sagt er den jungen Menschen. „Habt keine Angst“, wiederholt er einmal, zweimal, dreimal, viermal. Die Verstärkung lässt die Worte von Franziskus widerhallen wie Glockenschläge und trägt sie über das weite Gelände des „Gnadenfeldes“, das in diesen Stunden wirklich ein Gnadenfeld ist. Habt keine Angst. Es scheint, als würde er nicht nur zu den anwesenden Jugendlichen, sondern zu allen sagen: Habt keine Angst.

Zu euch, junge Menschen, die ihr diese Freude – ich wollte gerade sagen, diese Herrlichkeit, nun, es ist so etwas wie eine Herrlichkeit dieses Treffen -, mit uns erlebt habt; euch, die ihr große Träume hegt, die aber manchmal von der Angst getrübt werden, sie nicht verwirklicht zu sehen; zu euch, die ihr manchmal denkt, dass ihr es nicht schaffen werdet, manchmal schleicht sich ein wenig Pessimismus ein; zu euch, junge Menschen, die ihr in diesen Zeiten versucht seid, euch entmutigen zu lassen, euch vielleicht für unzulänglich zu halten oder euren Schmerz zu verbergen, indem ihr ihn mit einem Lächeln überspielt; zu euch, junge Menschen, die ihr die Welt verändern wollt – und es ist in Ordnung, dass ihr die Welt verändern wollt – und für Gerechtigkeit und Frieden kämpft wollt; zu euch, junge Menschen, die ihr euch mit Energie und Phantasie in das Leben einbringt, aber den Eindruck habt, dass dies nicht genügt; zu euch, junge Menschen, welche die Kirche und die Welt so nötig hat wie die Erde den Regen; zu euch, junge Menschen, die ihr die Gegenwart und die Zukunft seid; ja, eben zu euch, liebe junge Menschen, sagt Jesus heut: »Fürchtet euch nicht!«.

In einer kurzen Stille wiederhole jeder von euch, in seinem Herzen, diese Worte: Fürchtet euch nicht.

Liebe Jugendliche und junge Erwachsene, ich würde gern jedem von euch in die Augen schauen und ihm sagen: Fürchtet euch nicht. Fürchtet euch nicht. Aber ich sage euch etwas viel Schöneres: Nicht mehr ich bin es, sondern Jesus selbst schaut euch in diesem Moment an. Er sieht uns an. Er kennt euch, er kennt das Herz eines jeden von euch, er kennt das Leben eines jeden von euch, er kennt die Freuden, er kennt die Sorgen, die Erfolge und die Misserfolge, er kennt euer Herz. Er liest in euren Herzen und sagt euch heute, hier in Lissabon, auf diesem Weltjugendtag: „Fürchtet euch nicht“. Habt Mut, „fürchtet euch nicht“.

WJT Abschlussmesse Fotos: Bárbara Vitória WJT 2023

Wir sehen uns in Rom und Seoul

Am Ende der Messe erhielt ein junger Mensch aus jedem Kontinent ein Kreuz in den Farben des zu Ende gehenden Weltjugendtags Lissabon 2023. Die Worte von Papst Franziskus klingen nach: „Was nehmen wir mit zurück in das Tal des Alltags?“

Und was nimmt Papst Franziskus mit?

„Lissabon wird in der Erinnerung dieser jungen Menschen als Haus der Brüderlichkeit und ‚Stadt der Träume‘ in Erinnerung bleiben“, so der Dank von Papst Franziskus an die Stadt, die sich eine Woche lang in eine Stadt der Freude verwandelt hatte.

Die Aussendungsmesse des Weltjugendtags Lissabon 2023 endet mit der Einladung zu den nächsten internationalen Treffen der katholischen Jugend und aller, die mit ihnen glauben möchten, zunächst in Rom (Italien) im Jahr 2025 zum Jugendjubiläum und 2027 in Seoul (Südkorea) zum nächsten Weltjugendtag: „Von der westlichen Grenze Europas werdet ihr euch in den Fernen Osten begeben: das ist ein schönes Zeichen der Universalität der Kirche und des Traums von der Einheit, dessen Zeugen ihr seid“, so Papst Franziskus.

Pilger bei der WJT-Abschlussmesse – Foto: Bárbara Vitória \JMD 2023

Seid Surfer der Liebe

Die Aussendungsmesse war nicht der letzte Moment des WJT Lissabon 2023. Es folgte das Treffen mit den Freiwilligen, mit einer Botschaft nicht nur für sie:

“ Wie viele von euch wissen, gibt es nördlich von Lissabon einen Ort, Nazaré, wo man bis zu dreißig Meter hohe Wellen bestaunen kann, die eine weltbekannte Attraktion sind, vor allem für Surfer, die auf ihnen reiten. In diesen Tagen seid auch ihr einer echten Welle begegnet: nicht aus Wasser, sondern aus jungen Menschen, aus jungen Leuten so wie ihr, die in diese Stadt geströmt sind. Aber mit Gottes Hilfe, mit viel Großherzigkeit und gegenseitiger Unterstützung habt ihr diese große Welle geritten. Ihr seid wirklich mutig! Danke, obrigado! Ich möchte euch sagen: Macht weiter so, reitet weiter auf den Wellen der Liebe, den Wellen der Nächstenliebe, seid „Surfer der Liebe“! Und das ist wie eine Aufgabe, die ich euch in diesem Augenblick anvertraue: Dass der Dienst, den ihr bei diesem Weltjugendtag geleistet habt, die erste von vielen Wellen des Guten sei; und jedes Mal werdet ihr höher getragen, näher zu Gott, und das wird euch erlauben, euren Weg von einer besseren Perspektive aus zu sehen.“

Papst Franziskus, wir sind da. So viel Glaube auf einmal. Wir haben keine Angst.

Pilger bei der Abschlussmesse des WJT – Foto: Bárbara Vitória \JMJ 2023

Original: Spanisch. Übersetzung: Maria Fischer @schoenstatt.org