Veröffentlicht am 2014-09-02 In Franziskus - Initiativen und Gesten

Papst Franziskus über seine Reise nach Korea: Christus löst die Kulturen nicht auf

ROM, José M. Vidal – RD/mda. Mittwochsaudienz in der Audienzhalle Paul VI. Eine von Trauer geprägte Audienz wegen der Tragödie, die die Familie von Papst Franziskus am Tag zuvor erlebt hat mit dem Unfalltod der Frau seines Neffen und deren beiden kleinen Kindern. Man spürt die Erschütterung auch bei denen, die zur Audienz gekommen sind. Der Papst geht auf das Geschehen ein und dankt für alle Beileidsbezeugungen und das Gebet für seinen Neffen, dessen Zustand kritisch ist. In der Katechese bezieht er sich auf seine gerade beendete Reise nach Korea und versichert, dass Christus die Kulturen nicht auslöscht …

Er sieht traurig aus, auch wenn er allem den Anschein von Normalität geben möchte. Seine Familie ist die Welt.  Und die Menschen spüren das und begleiten ihn mit ihrer Anteilnahme, während die Sprecher – in Englisch ist es Aufgabe des südafrikanischen Schönstattpriesters Simon Donnelly, der seit Anfang des Jahres im Staatssekretariat arbeitet – ihm in den verschiedenen Sprachen Beileid aussprechen. Man spürt etwas wie solidarisches Bündnis mit Franziskus, ganz schlicht und ganz normal. Er ist Vater, und die Familie leidet mit dem Vater, wie sie sich mit ihm freut, für ihn und mit ihm betet und sich von  ihm bewegen lässt, zu tun, was er selbst auch tut. „Ich danke für die Beileidsbekundungen und für das Gebet“. Mit diesen Worten wendet Papst Franziskus sich an die Gläubigen, die an diesem 20. August in der Audienzhalle Paul VI. versammelt sind, um ihnen zu danken für ihre Nähe in diesem schwerem Moment, den seine Familie durchmacht – drei Angehörige sind am Tag zuvor bei einem schweren Autounfall ums Leben gekommen. Valeria Carmona, die Frau seines Neffen Emmanuel Bergoglio, und deren zwei Kinder, José Bergoglio (2 Jahre) und Antonio Bergoglio (8 Monate). Emmanuel Bergoglio liegt lebensgefährlich verletzt im Krankenhaus. „Ich danke euch auch für die Gebete, die Beileidswünsche wegen dem, was in meiner Familie geschehen ist. Auch der Papst hat eine Familie, wir waren fünf Geschwister, ich habe 16 Nichten und Neffen, und einer dieser Neffen hatte einen Unfall, und seine Frau und seine beiden kleinen Kinder von zwei Jahren und ein paar Monaten sind ums Leben gekommen. Er selbst ist in Lebensgefahr. Und ich danke sehr, sehr für die Beileidswünsche und für das Gebet.“

„Das ist Teil meiner kulturellen Identität“

Die Atmosphäre ist anders als sonst bei den Generalaudienzen, weniger enthusiastisch und geprägt von der Trauer, die die Familie des Papstes getroffen hat. Wie angekündigt, waren Spieler und Funktionäre des argentinischen Fußballclubs San Lorenzo gekommen, um ihrem berühmtesten Fan den Copa Libertadores – dem europäischen Champions League-Pokal entsprechend – zu überreichen, den sie eine Woche zuvor zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte gewonnen hatten. Als sie die Bühne betreten, begrüßt Papst Franziskus einen nach dem anderen aus seiner Lieblingsmannschaft, die alle streng in Schwarz gekleidet erschienen sind. Neben seinem Stuhl stehen auf einem Holztisch die riesigen Trophäen – der „echte“ Copa Libertadores und seine Nachbildung, die im Vatikan bleibt. Als er in Spanisch die spanischsprachigen Pilger begrüßt, betont er die Anwesenheit seines Clubs: „Ganz besonders grüße ich die Pokalsieger von Amerika, das Team von San Lorenzo, hier anwesend, Teil meiner kulturellen Identität“, sagt er, und löst damit Begeisterungsstürme bei den Argentiniern aus.

Ein Papst, der trauert, der eine Familie hat, ein Papst, der Freunde besucht,  lacht,  spielt,  überrascht, improvisiert, redet, telefoniert – kurz gesagt, der einfach menschlich handelt. So kommt Franziskus ins Herz der Menschen, weil er einfach er selbst ist. Er handelt nicht als Papst. Er ist Papst.

Die Reise nach Korea

Die eigentliche Ansprache bei der Audienz widmet der Papst seiner Reise nach Korea, seiner Dankbarkeit dafür und seinen Überlegungen. Er nennt die wichtigsten Stationen des intensiven Programms – die Seligsprechung von 124 Märtyrern, der Asiatische Jugendtag, die Messe für Frieden und Versöhnung der geteilten Halbinsel.

Vollständiger Text der Ansprache

Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag!

In den vergangenen Tagen habe ich eine Apostolische Reise nach Korea unternommen, und heute danke ich zusammen mit euch dem Herrn für dieses große Geschenk. Ich durfte eine junge und dynamische Kirche besuchen, die auf dem Zeugnis der Märtyrer gründet und vom missionarischen Geist beseelt ist, in einem Land, wo altehrwürdige asiatische Kulturen und die immerwährende Neuheit des Evangeliums einander begegnen: beide begegnen einander.

Ich möchte den lieben Brüdern im Bischofsamt in Korea, der Frau Staatspräsidentin, den anderen Autoritäten sowie allen, die bei meiner Reise mitgewirkt haben, erneut meine Dankbarkeit zum Ausdruck bringen. Die Bedeutung dieser Apostolischen Reise lässt sich in drei Worten zusammenfassen: Gedächtnis, Hoffnung, Zeugnis. Die Republik Korea ist ein Land, das eine beachtliche und rasche wirtschaftliche Entwicklung erfahren hat. Seine Bewohner sind sehr fleißig, diszipliniert, geordnet und müssen die von ihren Vorfahren ererbte Kraft bewahren.

In dieser Situation ist die Kirche Hüterin des Gedächtnisses und der Hoffnung: Sie ist eine geistliche Familie, in der die Erwachsenen den Jugendlichen die Fackel des Glaubens weitergeben, die sie von den alten Menschen empfangen haben; das Gedächtnis der Zeugen der Vergangenheit wird zum neuen Zeugnis in der Gegenwart und zur Hoffnung für die Zukunft. Dafür standen auch die beiden Hauptereignisse dieser Reise: die Seligsprechung von 124 koreanischen Märtyrern, die hinzukommen zu den bereits vor 30 Jahren vom heiligen Johannes Paul II. heiliggesprochenen Märtyrern; und die Begegnung mit den Jugendlichen im Rahmen des sechsten asiatischen Jugendtages.

Der junge Mensch ist immer auf der Suche nach etwas, für das es sich zu leben lohnt, und der Märtyrer legt Zeugnis ab von etwas, oder besser von Jemandem, für den es sich lohnt, sein Leben hinzugeben. Diese Wirklichkeit ist die Liebe Gottes, die in Jesus, dem Zeugen des Vaters, Fleisch angenommen hat. In den beiden Augenblicken der Reise, die den Jugendlichen gewidmet waren, hat uns der Geist des Auferstandenen mit Freude und mit Hoffnung erfüllt, die die Jugendlichen in ihre verschiedenen Länder tragen und die viel Gutes bewirken werden!

Die Kirche in Korea bewahrt auch das Gedächtnis der wesentlichen Rolle, die die Laien hatten, sowohl in den Anfängen des Glaubens als auch bei der Evangelisierungstätigkeit. Denn in jenem Land wurde die christliche Gemeinde nicht von Missionaren gegründet, sondern von einer Gruppe junger Koreaner der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die sich von einigen christlichen Texten angezogen fühlten, sie gründlich studierten und sie sich zur Lebensregel machten. Einer von ihnen wurde nach Peking entsandt, um die Taufe zu empfangen, und dann taufte dieser Laie seinerseits die Gefährten.

Aus dieser ersten Kerngruppe entwickelte sich eine große Gemeinde, die von Anfang an etwa ein Jahrhundert lang grausame Verfolgungen erlitt, mit Tausenden von Märtyrern. Die Kirche in Korea gründet also auf dem Glauben, auf dem missionarischen Einsatz und auf dem Martyrium der gläubigen Laien. Die ersten koreanischen Märtyrer nahmen sich die apostolische Gemeinde von Jerusalem zum Vorbild und übten die brüderliche Liebe, die über alle sozialen Unterschiede hinausgeht. Daher habe ich die heutigen Christen ermutigt, großherzig zu sein im Teilen mit den Armen und den Ausgegrenzten, gemäß dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 25: »Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan« (V. 40).

Liebe Brüder, aus der Geschichte des Glaubens in Korea wird ersichtlich, dass Christus die Kulturen nicht auflöst, den Weg der Völker nicht verwirft, die durch Jahrhunderte und Jahrtausende hindurch die Wahrheit suchen und die Liebe zu Gott und zum Nächsten üben. Christus hebt das vorhandene Gute nicht auf, sondern bringt es weiter, bringt es zur Vollendung. Christus bekämpft und besiegt jedoch den Bösen, der zwischen Menschen und zwischen Völkern Zwietracht sät; der durch die Anbetung von Reichtum Ausgrenzung schafft; der das Gift des Nichts in die Herzen der jungen Menschen einimpft. Das ja. Jesus Christus hat ihn bekämpft und hat ihn durch sein Liebesopfer besiegt. Und wenn wir in ihm, in seiner Liebe bleiben, dann können auch wir, wie die Märtyrer, seinen Sieg leben und bezeugen. Mit diesem Glauben haben wir dafür gebetet und beten wir auch jetzt dafür, dass alle Kinder Koreas, die die Folgen von Kriegen und Spaltungen erleiden, einen Weg der Brüderlichkeit und der Versöhnung gehen können.

Diese Reise war erleuchtet vom Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel. Von oben her, wo sie mit Christus herrscht, begleitet die Mutter der Kirche den Weg des Gottesvolkes, stützt die mühsamsten Schritte, tröstet jene, die Prüfungen erleiden, und hält den Horizont der Hoffnung offen. Durch ihre mütterliche Fürsprache möge der Herr das koreanische Volk stets segnen, ihm Frieden und Wohlergehen schenken; und er segne die Kirche, die in jenem Land lebt, auf dass sie stets fruchtbar und mit der Freude des Evangeliums erfüllt sein möge.

 


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Evangelii Gaudium

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