Veröffentlicht am 2014-04-21 In Franziskus - Botschaft

Zurück in mein Galiläa

org. „Für alle Völker der Erde bitten wir dich, o Herr: Der du den Tod besiegt hast, schenke uns dein Leben, schenke uns deinen Frieden! Hilf uns die Last des Hunger und aller Gewalt zu überwinden und die Wehrlosen zu schützen“ – mit einem Gebet für die Völker der Erde und seinem Segen beendete Papst Franziskus seine Botschaft  „Urbi et Orbi“ an Ostern 2014. Nach der Heiligen Messe auf dem übervollen Petersplatz, die wie jedes Jahr mit einem Meer von Frühlingsblumen aus den Niederlanden geschmückt war, fuhr Papst Franziskus lange mit dem Papamobil über den Platz und grüßte die 150.000 Menschen, die dort bei strahlendem Sonnenschein versammelt waren. Auch in den angrenzenden Straßen verfolgten Tausende die Feier. In der Osternacht rief er dazu auf, in unser Galiläa zurückzukehren, dorthin, wo alles angefangen hat, an den Ort der ersten Liebe, der ersten Berufung, und vor dort aus alles noch einmal neu zu lesen – die Predigten, die Wunder, die neue Gemeinschaft, die Begeisterung und das Versagen, selbst den Verrat; alles neu zu lesen vom Ende her, von diesem neuen Anfang, dem Akt der höchsten Liebe.“ – „Feiern wir Ostern 2014 auf dem Weg in unser Galiläa, unsere Begegnung mit Christus in diesem Jubiläumsjahr“, schreibt Juan Zaforas aus Madrid. „Auf dem Weg zur Hundertjahrfeier, um die nächsten 100 Jahre in den Blick zu nehmen.“

Urbi et Orbi – ein Gebet nicht nur für Ostern

Ostersonntag, 20. April

 

Liebe Brüder und Schwestern, ein frohes und heiliges Osterfest!

In den Kirchen auf der ganzen Welt erklingt die Verkündigung des Engels an die Frauen: »Fürchtet euch nicht! Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier; denn er ist auferstanden … Kommt her und seht euch die Stelle an, wo er lag« (Mt 28,5-6).

Das ist der Höhepunkt des Evangeliums, es ist die Frohe Botschaft schlechthin: Jesus, der Gekreuzigte, ist auferstanden! Auf dieses Ereignis gründen sich unser Glaube und unsere Hoffnung: Wäre Christus nicht auferstanden, würde das Christentum seine Bedeutung verlieren; die gesamte Mission der Kirche hätte keinen Antrieb mehr, denn von dort ist sie ausgegangen und von dort geht sie immer neu aus. Die Botschaft, welche die Christen der Welt überbringen, ist diese: Jesus, die menschgewordene Liebe, ist für unsere Sünden am Kreuz gestorben, aber Gott, der Vater, hat ihn auferweckt und ihn zum Herrn über Leben und Tod gemacht. In Jesus hat die Liebe über den Hass gesiegt, die Barmherzigkeit über die Sünde, das Gute über das Böse, die Wahrheit über die Lüge, das Leben über den Tod.

Darum sagen wir zu allen: »Kommt her und seht!« In jeder menschlichen Situation, die von der Hinfälligkeit, der Sünde und dem Tod gekennzeichnet ist, ist die Frohe Botschaft nicht nur ein Wort, sondern sie ist ein Zeugnis ungeschuldeter und treuer Liebe: Sie bedeutet, aus sich herauszugehen, um dem anderen entgegenzukommen; sie bedeutet, dem nahe zu sein, der vom Leben verletzt ist; sie bedeutet, mit dem zu teilen, dem das Nötige fehlt; sie bedeutet, bei dem zu bleiben, der krank oder alt oder ausgeschlossen ist… „Kommt her und seht!“: Die Liebe ist stärker, die Liebe schenkt Leben, die Liebe lässt in der Wüste die Hoffnung erblühen.

Mit dieser frohen Gewissheit im Herzen wenden wir uns heute an dich, du auferstandener Herr!

Hilf uns, dich zu suchen, damit wir alle dir begegnen und erfahren können, dass wir einen Vater haben, und uns nicht als Waisen fühlen; dass wir dich lieben und dich anbeten können.

Hilf uns, die Plage des Hungers zu besiegen, die durch die Konflikte verschärft wird und durch die ungeheure Verschwendung, an der wir oft selbst beteiligt sind.

Mach uns fähig, die Wehrlosen zu schützen, vor allem die Kinder, die Frauen und die Alten, die manchmal ausgebeutet und verlassen werden.

Gib, dass wir den Brüdern und Schwestern helfen können, die in Guinea Conakry, in Sierra Leone und in Liberia von der Ebola-Epidemie heimgesucht sind, sowie jene, die unter vielen anderen Krankheiten leiden, die sich auch aufgrund der Nachlässigkeit und der extremen Armut verbreiten.

Tröste alle, die heute das Osterfest nicht mit ihren Lieben feiern können, weil sie ihnen zu Unrecht entrissen wurden, wie die zahlreichen Menschen – Priester und Laien –, die in verschiedenen Teilen der Welt entführt worden sind.

Ermutige diejenigen, die ihre Länder verlassen haben, um an Orte auszuwandern, wo sie sich eine bessere Zukunft erhoffen, ihr Leben würdig leben und – nicht selten – ihren Glauben frei bekennen können.

Wir bitten dich, glorreicher Jesus, lass alle Kriege, jede große oder kleine, alte oder neue Feindseligkeit aufhören!

Wir flehen zu dir besonders für Syrien, das geliebte Syrien, dass alle, die unter den Folgen des Konfliktes leiden, die nötige humanitäre Hilfe erhalten können und dass die streitenden Parteien keine Gewalt mehr anwenden – vor allen gegen die schutzlose Bevölkerung –, um Tod zu säen, sondern dass sie den Mut aufbringen, über den Frieden zu verhandeln, der schon allzu lange erwartet wird!

Glorreicher Jesus, wir bitten dich, den Opfern der brudermörderischen Gewalt im Irak Trost zu spenden und die Hoffnungen zu unterstützen, die durch die Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern aufkeimen.

Wir flehen dich an, dass den Auseinandersetzungen in der Zentralafrikanischen Republik ein Ende gesetzt werde und dass die grausamen terroristischen Attentate in einigen Regionen Nigerias sowie die Gewaltakte im Süd-Sudan aufhören.

Wir bitten dich, dass in Venezuela die Herzen sich der Versöhnung und der brüderlichen Einigkeit zuwenden.

Durch deine Auferstehung, die wir in diesem Jahr gemeinsam mit den Kirchen feiern, die dem Julianischen Kalender folgen, bitten wir dich: Wecke und inspiriere Initiativen für eine Befriedung in der Ukraine, auf dass alle Beteiligten mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft jede Anstrengung unternehmen, um Gewalt zu verhindern und um die Zukunft des Landes in einem Geist der Einheit und des Dialogs zu gestalten. Mögen sie heute als Brüder Xphctoc Bockpec singen können.

Für alle Völker der Erde bitten wir dich, o Herr: Der du den Tod besiegt hast, schenke uns dein Leben, schenke uns deinen Frieden! Liebe Brüder und Schwestern, frohe Ostern!

Das heidnische Galiläa, Horizont der Auferstehung

Ansprache in der Osternacht

Das Evangelium von der Auferstehung Jesu Christi beginnt mit dem Gang der Frauen zum Grab im Morgengrauen des Tages nach dem Sabbat. Sie gehen zur Grabeshöhle, um den Leichnam des Herrn zu ehren, doch sie finden sie geöffnet und leer. Ein mächtiger Engel sagt ihnen: »Fürchtet euch nicht!« (Mt 28,5) und beauftragt sie, zu gehen und den Jüngern die Nachricht zu bringen: »Er ist von den Toten auferstanden. Er geht euch voraus nach Galiläa« (V. 7). Die Frauen laufen eilends fort, und unterwegs kommt Jesus selbst ihnen entgegen und sagt: »Fürchtet euch nicht! Geht und sagt meinen Brüdern, sie sollen nach Galiläa gehen, und dort werden sie mich sehen« (V. 10). „Habt keine Angst“, „fürchtet euch nicht“: Das ist eine Stimme, die uns ermutigt, das Herz zu öffnen, um diese Verkündigung zu empfangen.

Nach dem Tod des Meisters waren die Jünger auseinandergelaufen; ihr Glaube war zerbrochen, alles schien beendet, die Gewissheiten in sich zusammengefallen, die Hoffnungen erloschen. Jetzt aber drang diese Verkündigung der Frauen, so unglaublich sie war, wie ein Lichtstrahl ins Dunkel ein. Die Nachricht verbreitet sich: Jesus ist auferstanden, wie er vorhergesagt hatte… Und auch jener Auftrag, nach Galiläa zu gehen; zweimal hatten ihn die Frauen gehört, zuerst vom Engel, dann von Jesus selbst: »Sie sollen nach Galiläa gehen, dort werden sie mich sehen.« „Fürchtet euch nicht“ und „geht nach Galiläa!“

Galiläa ist der Ort der ersten Berufung, wo alles seinen Anfang genommen hatte! Dorthin zurückkehren, zum Ort der ersten Berufung zurückkehren. Am Ufer des Sees war Jesus entlanggegangen, als die Fischer gerade ihre Netze auswarfen. Er hatte sie gerufen, und sie hatten alles hinter sich gelassen und waren ihm gefolgt (vgl. Mt 4,18-22).

Nach Galiläa zurückkehren bedeutet, alles vom Kreuz und vom Sieg her neu zu lesen; ohne Angst, „fürchtet euch nicht!“. Alles neu lesen – die Verkündigung, die Wunder, die neue Gemeinschaft, die Begeisterungen und die Rückzieher, bis hin zum Verrat – alles neu lesen von dem Ende her, das ein neuer Anfang ist, von diesem höchsten Akt der Liebe her.

Auch für jeden von uns steht einGaliläa“ am Anfang unseres Weges mit Jesus. „Nach Galiläa gehen“ bedeutet etwas Schönes; es bedeutet für uns, unsere Taufe wiederzuentdecken als eine lebendige Quelle, neue Energie aus dem Ursprung unseres Glaubens und unserer christlichen Erfahrung zu schöpfen. Nach Galiläa zurückkehren bedeutet vor allem, dorthin, zu jenem glühenden Augenblick zurückzukehren, in dem die Gnade Gottes mich am Anfang meines Weges berührt hat. An diesem Funken kann ich das Feuer für das Heute, für jeden Tag entzünden und Wärme und Licht zu meinen Brüdern und Schwestern tragen. An diesem Funken entzündet sich eine demütige Freude, eine Freude, die dem Schmerz und der Verzweiflung nicht weh tut, eine gute und sanfte Freude.

Im Leben des Christen gibt es nach der Taufe auch noch ein anderes „Galiläa“, ein noch existenzielleres „Galiläa“: die Erfahrung der persönlichen Begegnung mit Jesus Christus, der mich gerufen hat, ihm zu folgen und an seiner Sendung teilzuhaben. In diesem Sinn bedeutet nach Galiläa zurückkehren, die lebendige Erinnerung an diese Berufung im Herzen zu bewahren, als Jesus meinen Weg gekreuzt hat, mich barmherzig angeschaut und mich aufgefordert hat, ihm zu folgen; nach Galiläa zurückkehren bedeutet, die Erinnerung an jenen Moment zurückzuholen, in dem sein Blick dem meinen begegnet ist, den Moment, in dem er mich hat spüren lassen, dass er mich liebte.

Heute, in dieser Nacht, kann jeder von uns sich fragen: Welches ist mein Galiläa? Es geht darum, Gedächtnis zu halten, mit der Erinnerung zurückzugehen. Wo ist mein Galiläa? Erinnere ich mich daran? Habe ich es vergessen? Suche es, und du wirst es finden! Dort erwartet dich der Herr. Bin ich Wege und Pfade gegangen, die es mich haben vergessen lassen? Herr, hilf mir: Sag mir, welches mein Galiläa ist; weißt du, ich will dorthin zurückkehren, um dich zu treffen und mich von deiner Barmherzigkeit umarmen zu lassen. Habt keine Angst, fürchtet euch nicht, geht nach Galiläa zurück!

Das Evangelium ist klar: Man muss dorthin zurückkehren, um den auferstandenen Jesus zu sehen und Zeuge seiner Auferstehung zu werden. Es ist kein Rückwärtsgehen, es ist keine Nostalgie. Es ist ein Zurückkehren zur ersten Liebe, um das Feuer zu empfangen, das Jesus in der Welt entzündet hat, und es allen zu bringen, bis an die Enden der Erde. Nach Galiläa zurückkehren ohne Angst.

Das »heidnische Galiläa« (Mt 4,15; Jes 8,23): Horizont des Auferstandenen, Horizont der Kirche; sehnliches Verlangen nach Begegnung … Machen wir uns auf den Weg!

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