Veröffentlicht am 2012-08-30 In Leben im Bündnis

Kardinal Koch über die Lust zu leben und die Kunst zu sterben

SCHWEIZ, Claudia Zimmermann. Ein hochkarätiger Redner und ein brisantes Thema: Gegen 250 Personen folgten der Einladung zur 16. Quartner Tagung im Bildungszentrum Neu-Schönstatt in Quarten (SG). Kurt Kardinal Koch referierte bereits zum 11. Mal im Rahmen dieser Veranstaltung – zunächst als Professor, später als Bischof des Bistums Basel und nun erstmals als Kardinal. Natürlich interessierten in der nachmittäglichen Fragerunde auch sein neues Amt und seine Beziehung zum Papst. Im Zentrum der Veranstaltung stand jedoch die immer drängendere Frage nach einem menschenwürdigen Umgang mit Sterben und Tod.

Mitten hinein in das weite Feld der offenen Fragen zwischen Hochleistungsmedizin und Palliative Care führte die musikalisch-besinnliche Betrachtung von Dr. Ulrike Wolitz, langjährige Mitarbeiterin von Kurt Koch während seiner Zeit als Bischof. Ulrike Wolitz stellte Fragen und Antworten aus ihrem Alltag als Spitalseelsorgerin in den Raum. Ein Ad-hoc-Orchester unter der Leitung von Pius Kastlunger verlieh dem gesprochenen Wort eine eindringliche Dimension.

Das Leben als letzte Gelegenheit

Die Tagungsleiterin Schwester Monja Schnider begrüßte den Kardinal und übergab ihm sogleich das Rednerpult. Menschenwürdig zu leben und wenn es an der Zeit sei menschenwürdig zu sterben, sei nur möglich aus der Hoffnung auf ein ewiges Leben – so die Grundthese von Kurt Kardinal Koch. Weil der heutige Mensch nicht mehr wirklich an ein ewiges Leben glaube, müsse er versuchen, aus dem Diesseits so viel wie möglich herauszuholen. Ein Unterfangen, das gemäß dem Referenten von vorneherein zum Scheitern verurteilt ist: „Wer die Erde zum Himmel machen will, macht sie zuverlässig zur Hölle!“

Bezug nehmend auf ein Buch von Marianne Grönemeyer „Das Leben als letzte Gelegenheit“ sagte Kurt Kardinal Koch: „Wir leben zwar länger, aber faktisch kürzer. Früher hatten die Menschen eine Lebenserwartung von 40 plus ewig. Heute sind es nur noch 90 Jahre – das ist deutlich weniger.“ Nur im Bewusstsein der Ewigkeit bleibe es dem Menschen erspart, aus dem diesseitigen Leben ein Maximum herauspowern zu müssen. Zentral ist für den Referenten die Überzeugung, dass sich die Würde des Menschen nur in der Hoffnung auf ein ewiges Leben wirklich begründen lasse. Wären wir zurückgeworfen auf unser eigenes Leben, bliebe nur die Erfahrung der Vergänglichkeit.

Die weißgelackten Türen der Hochleistungsmedizin

Kurt Kardinal Koch nimmt eine äußerst widersprüchliche Einstellung zu Tod und Leben wahr: Einerseits gebe es die banalisierende Zurschaustellung eines fast immer gewalttätigen Todes in Kino und Fernsehen, gleichzeitig eine unglaubliche Verdrängung des realen Todes aus unserem Leben. Der Kardinal nennt es ein „Sterben hinter den weißgelackten Türen der Hochleistungsmedizin.“

Diese Hochleistungsmedizin ist es unter anderem, die zu ganz neuen Fragen im Umgang mit Sterben und Tod führt. Oft fürchten die Menschen nicht den Tod, sondern das langsame Sterben. Ulrike Wolitz betonte das Gefühl der Ohnmacht vieler Patienten, „angehängt an eine Menge Schläuche“ und zitiert die Worte eines Patienten: „Immer wenn es piepst, denke ich: Jetzt sterbe ich.“

Suizid, um dem Sterben zu entgehen

Dieses Gefühl der Ohnmacht und des Ausgeliefertseins führe zu der paradoxen Situation, so der Kardinal, dass Menschen sich das Leben nehmen, um nicht sterben zu müssen. In seinem zweiten Referat betonte er deshalb die Notwendigkeit des Ausbaus von Palliative Care. Die Schweiz sei in dieser Hinsicht weit im Rückstand. Der christliche Glaube betone zwar, dass Leid ein Teil des menschlichen Lebens ist (dessen Sinn sich immer nur im persönlichen Gespräch ergründen lasse), dass aber dennoch alles getan werden müsse, Leid zu verhindern und zu bekämpfen. Palliative Care meint im Wortsinn: dem andern einen Mantel umlegen. So trete der Sterbewunsch oft zurück, wenn Schmerzen gezielt bekämpft werden und der Kranke das Gefühl (zurück-) erhält, selber mitbestimmen zu können, was mit ihm geschieht.

Ars moriendi –die Kunst des Sterbens

In mittelalterlichen Klöstern gab es die Empfehlung, der Mönch solle sich so in sein Bett legen, wie er später im Sarg liegen würde: Die Kapuze hochgezogen, das Kreuz in den Händen. Von dieser Kunst, das Sterben einzuüben, könnten wir durchaus lernen, ist Kardinal Koch überzeugt: „Einschlafen kann nur, wer sich nicht für unersetzlich hält.“ Wir sollten lernen, uns im Einschlafen zu lösen von der täglichen Umklammerung der Leistung „im Vertrauen auf einen hellwachen Gott.“

Dem Kardinal scheint diese Loslösung zu gelingen. Mit dem gebotenen Ernst beantwortete er Fragen um den Sinn des Lebens und um die aktive und passive Sterbehilfe. Bei den Fragen rund um seine Person zeigte er jedoch viel Humor, z.B. als er das Rätsel löste, warum es Kurt Kardinal Koch heiße und nicht Kardinal Kurt Koch: „Bei den Bischöfen ist der Vorname wichtig, man sagt Bischof Felix – beim Kardinal ist der Nachname wichtig, man redet von Kardinal Ratzinger. Und darum nimmt man den Kardinal in die Mitte, so macht man keinen Kardinalfehler.“

Die Tagung wurde mit einer Eucharistiefeier in der Quartner Pfarrkirche abgeschlossen.


Ab Mitte September sind die Vorträge im Wortlaut nachzulesen unter www.schoenstatt.ch oder www.neuschoenstatt.ch

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