Veröffentlicht am 2015-02-08 In Franziskus - Botschaft

Die Präsenz des Vaters in der Familie

VATIKAN, mda. Der positive und entscheidende Aspekt des Vaterseins war das Thema, das Papst Franziskus für die Generalaudienz am Mittwoch gewählt hatte, die wegen des eiskalten Wetters und Starkregens in der Audienzhalle Pauls VI. stattfand. „Die Katechesen über Väterlichkeit – die aus der Audienz vom 28. Januar wie die vom 4. Februar – sind ein Geschenk Gottes und eine Bestätigung des Charismas Pater Kentenichs“, so Pater José María García. Der Heilige Vater macht Mut zum Vatersein, zur Präsenz des Vaters in der Familie, persönlich und konkret … Um ein guter Vater zu sein, so Franziskus, sei entscheidend, „in der Familie präsent zu sein, da zu sein. Der Ehefrau nahe zu sein, um alles zu teilen, Freuden und Schwierigkeiten, Hoffnungen und Mühen. Und den Kindern nahe sein während sie aufwachsen: wenn sie spielen und sich anstrengen, wenn sie froh sind und wenn sie Angst haben, wenn sie reden oder schweigen, wenn sie Mut haben oder furchtsam sind, wenn sie einen falschen Schritt tun und wenn sie ihren Weg finden.“ – „Ein Vater, der immer da ist“, wiederholte Franziskus. „Aber das ist nicht dasselbe wie Kontrolle. Denn die Väter, die alles kontrollieren, machen ihre Kinder klein, lassen sie nicht wachsen.“

Katechesenreihe über die Familie – Vater (1)

Liebe Brüder und Schwestern,

guten Tag!

Wir nehmen die Katechesereihe über die Familie wieder auf. Heute lassen wir uns von dem Wort »Vater« leiten, einem Wort, das uns Christen sehr viel bedeutet. Denn Jesus hat uns gelehrt, Gott mit diesem Namen anzurufen: Vater. Die Bedeutung dieses Namens hat neue Tiefe erhalten ausgehend von der Weise, in der Jesus ihn gebrauchte, um sich an Gott zu wenden und seine besondere Beziehung zu ihm zu offenbaren. Das gnadenvolle Geheimnis der innigen Vertrautheit von Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist, das Jesus offenbart hat, ist das Herz unseres christlichen Glaubens.

»Vater« ist ein Wort, das jeder kennt, ein universales Wort. Es verweist auf eine Grundbeziehung, die so alt ist wie die Geschichte des Menschen. Heute heißt es jedoch, dass unsere Gesellschaft eine »vaterlose Gesellschaft« sei. Mit anderen Worten, die Gestalt des Vaters scheint, insbesondere in der westlichen Kultur, symbolisch abwesend, verschwunden, abhandengekommen zu sein. Im ersten Augenblick wurde dies als Befreiung empfunden: die Befreiung vom Vater als Herr und Gebieter, vom Vater als Vertreter des Gesetzes, das von außen auferlegt wird, vom Vater als strenger Wächter über das Glück seiner Kinder und Hindernis für die Emanzipation und Unabhängigkeit der jungen Menschen. In der Vergangenheit herrschte in einigen Häusern manchmal Autoritarismus, in gewissen Fällen sogar Unterdrückung: Eltern, die ihre Kinder wie Knechte behandelten und ihre persönlichen Bedürfnisse als Heranwachsende nicht respektierten, Väter, die ihnen nicht halfen, in Freiheit ihren Weg zu gehen – es ist jedoch nicht einfach, ein Kind in Freiheit zu erziehen -, und Väter, die ihnen nicht halfen, eigene Verantwortung zu übernehmen, um ihre Zukunft und die der Gesellschaft aufzubauen.

Das ist natürlich keine gute Haltung; aber wie so oft gerät man von einem Extrem ins andere. Das Problem unserer Tage scheint nicht mehr so sehr die bevormundende Gegenwart der Väter zu sein, sondern vielmehr ihre Abwesenheit, ihr Verschwinden. Die Väter sind manchmal so sehr auf sich selbst und auf ihre Arbeit fixiert, manchmal auch auf ihre eigene Selbstverwirklichung, dass sie sogar die Familie vergessen. Und sie lassen die Kinder und Jugendlichen allein. Bereits als Bischof von Buenos Aires merkte ich, dass die Kinder heute mit dem Gefühl leben, Waisen zu sein; und oft fragte ich die Väter, ob sie mit ihren Kindern spielen, ob sie den Mut und die Liebe haben, Zeit mit ihren Kindern zu »verschwenden«. Und die Antwort war meistens schlimm: »Aber das kann ich nicht, weil ich viel Arbeit habe …« Und der Vater war abwesend von seinem Kind, das heranwuchs, er spielte nicht mit ihm, nein, er verlor keine Zeit mit ihm.

Jetzt, auf diesem gemeinsamen Weg der Reflexion über die Familie, möchte ich allen christlichen Gemeinden sagen, dass wir aufmerksamer sein müssen: Die Abwesenheit der väterlichen Gestalt im Leben der Kinder und Jugendlichen hinterlässt Lücken und Wunden, die sehr schlimm sein können. Tatsächlich lassen sich gewisse Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen zum großen Teil auf dieses Fehlen zurückführen, auf fehlende Vorbilder und maßgebliche Bezugspersonen in ihrem täglichen Leben, auf den Mangel an Nähe, auf den Mangel an Liebe seitens der Väter. Das Gefühl, Waisen zu sein, das viele Jugendliche erleben, ist tiefer als wir denken.

Sie sind Waisen in der Familie, weil die Väter oft – auch physisch – von zuhause abwesend sind, vor allem aber, weil sie, wenn sie da sind, sich nicht wie Väter verhalten, keinen Dialog mit ihren Kindern führen, ihrer erzieherischen Aufgabe nicht nachkommen. Sie vermitteln ihren Kindern nicht durch ihr Vorbild, begleitet von Worten, jene Grundsätze, jene Werte, jene Lebensregeln, die sie brauchen wie das tägliche Brot. Die erzieherische Qualität der väterlichen Gegenwart ist umso notwendiger, je mehr der Vater durch die Arbeit gezwungen ist, von zuhause fern zu sein. Manchmal scheinen die Väter nicht gut zu wissen, welchen Platz sie in der Familie einnehmen und wie sie die Kinder erziehen sollen. Im Zweifel nehmen sie dann Abstand, ziehen sich zurück und vernachlässigen ihre Verantwortungen, vielleicht indem sie sich in eine unglaubwürdige »ebenbürtige« Beziehung zu ihren Kindern flüchten. Es stimmt, dass du der »Kamerad« deines Kindes sein sollst, aber ohne zu vergessen, dass du der Vater bist! Wenn du dich nur als ebenbürtiger Kamerad des Kindes verhältst, dann wird das dem Kind nicht gut tun.

Und dieses Problem sehen wir auch in der Zivilgesellschaft. Die Zivilgesellschaft mit ihren Institutionen hat eine gewisse – sozusagen väterliche – Verantwortung gegenüber den jungen Menschen, eine Verantwortung, die sie manchmal vernachlässigt oder schlecht ausübt. Auch das lässt sie manchmal als Waisen zurück und bietet ihnen keine wahre Perspektive. So sind die jungen Menschen »verwaist«: Es fehlen ihnen sichere Wege, die sie beschreiten können; Lehrer, denen sie vertrauen können; Ideale, die das Herz erwärmen; Werte und Hoffnungen, die sie im Alltag stützen. Sie werden vielleicht mit Idolen erfüllt, aber man raubt ihnen das Herz. Sie werden gedrängt, von Spaß und Vergnügen zu träumen, aber man gibt ihnen keine Arbeit. Sie werden getäuscht durch den Götzen Geld, und die wahren Reichtümer werden ihnen versagt.

Es wird daher allen, den Vätern und den Kindern, gut tun, erneut die Verheißung Jesu an seine Jünger zu hören: »Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen« (Joh 14,18). Denn er ist der Weg, den man beschreiten soll, der Lehrmeister, auf den man hören soll, die Hoffnung, dass die Welt sich ändern kann, dass die Liebe den Hass besiegt, dass es eine Zukunft der Brüderlichkeit und des Friedens für alle geben kann. Jemand von euch könnte zu mir sagen: »Aber Vater, heute waren Sie zu negativ. Sie haben nur über die Abwesenheit der Väter gesprochen, über das, was geschieht, wenn die Väter den Kindern nicht nahe sind…« Das stimmt, ich wollte das hervorheben, weil ich am kommenden Mittwoch diese Katechese fortsetzen und die Schönheit der Vaterschaft beleuchten werde. Daher habe ich mich entschieden, mit der Finsternis zu beginnen, um beim Licht anzukommen. Der Herr möge uns helfen, diese Dinge gut zu verstehen. Danke.

Übersetzung: Osservatore Romano

Die Familie – Vater (II)

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Heute möchte ich unsere Überlegungen zur Gestalt des Vaters im Rahmen der Familie fortsetzen. Letzte Woche habe ich von den Gefahren gesprochen, die mit der Abwesenheit der Väter in vielen Familien zusammenhängen; heute will ich hingegen von den positiven Seiten sprechen. Auch der heilige Josef spürte die Versuchung, Maria zu verlassen, als er merkte, dass sie schwanger war. Doch dann griff der Engel des Herrn ein und offenbarte ihm den Plan Gottes und Josefs Aufgabe als Ziehvater Jesu. Josef, der ein gerechter Mann war, „nahm seine Frau zu sich“ (Mt 1,24) und wurde so zum Vater der Heiligen Familie von Nazareth.

Jede Familie braucht die Gestalt des Vaters. Heute wollen wir über den Wert der Vaterrolle sprechen und ich will mit einer Aussage beginnen, die wir im Buch der Sprichwörter finden. Es sind Worte, die ein Vater an seinen Sohn richtet: „Mein Sohn, wenn dein Herz weise ist, so freut sich auch mein eigenes Herz. Mein Inneres ist voll Jubel, wenn deine Lippen reden, was recht ist“ (Spr 23,15-16). Besser könnte man den Stolz und die Bewegung eines Vaters nicht ausdrücken, der sieht, dass es ihm gelungen ist, seinem Sohn zu vermitteln, was im Leben wirklich zählt: ein weises Herz. Dieser Vater sagt nicht etwa: „Ich bin stolz auf dich, weil du genauso bist wie ich, weil du dieselben Dinge sagst und tust, wie ich.“ Stattdessen sagt er seinem Sohn etwas viel Wichtigeres; etwas, das wir so umschreiben könnten: „Jedes Mal, wenn ich dich weise handeln sehe, bin ich glücklich; immer, wenn ich dich aufrichtig sprechen höre, bin ich gerührt. Das ist es, was ich dir mit auf den Weg geben wollte, damit du es dir aneignest: die Neigung, in deinem Empfinden und Handeln, in deinen Worten und deinem Urteil immer weise und gerecht zu sein. Um dir zu ermöglichen, so zu werden, habe ich dir Dinge beigebracht, die du nicht wusstest, und habe Fehler korrigiert, die du nicht sehen konntest. Ich habe dir meine tiefe und zugleich zurückhaltende Liebe zu spüren gegeben, auch wenn du sie vielleicht nicht voll erkannt hast, als du noch jung und unsicher warst. Ich habe dir ein Beispiel der Strenge und Festigkeit gegeben, das du vielleicht nicht immer verstanden hast, wenn du dich nur nach Kameradschaft und Schutz sehntest. Ich selbst habe als erster mein Herz auf seine Weisheit hin prüfen müssen und habe darüber gewacht, dass die Gefühle nicht ausufern; ich habe die Last der unvermeidlichen Missverständnisse getragen und nach den Worten gesucht, um mich verständlich zu machen. Wenn ich heute sehe, dass du dich mit deinen eigenen Kindern auch so verhältst und mit allen Menschen gerecht verfahren willst, bin ich zutiefst gerührt. Ich bin so glücklich, dass ich dein Vater bin.“ Das ist es, was ein weiser, ein reifer Vater sagt.

Jeder Vater weiß, wie schwer es ist, dieses Erbe zu vermitteln: wie viel Nähe, wie viel Zärtlichkeit und wie viel Festigkeit man braucht. Doch wie viel Trost und welch ein Lohn, wenn die Kinder dieses Erbe würdigen! Es ist eine Freude, die für alle Mühen entschädigt, alle Missverständnisse überwindet und alle Wunden heilt.

Die erste Voraussetzung dafür ist also, dass der Vater in der Familie da sein muss. Er muss seiner Frau nahe sein und alles mit ihr teilen; Freude und Leid, Mühen und Hoffnungen. Und er muss für seine Kinder da sein, während sie wachsen: wenn sie spielen und wenn sie lernen, wenn sie ausgelassen sind und wenn sie frustriert sind, wenn sie sprechen und wenn sie schweigen, wenn sie etwas wagen und wenn sie sich nicht trauen, wenn sie einen Fehler begehen und wenn sie zu ihrem Weg zurückfinden; ein Vater muss immer da sein. Das bedeutet nicht, dass er seine Kinder überwachen soll! Zu viele Väter überwachen ihre Kinder so streng, dass sie ihnen keine Freiheit mehr zum wachsen lassen.

Das Evangelium berichtet uns von der Beispielhaftigkeit des himmlischen Vaters – des einzigen, sagt Jesus, den man einen „guten Vater“ nennen kann (vgl. Mk 10,18). Alle kennen jene wunderbare Geschichte, die wir das „Gleichnis vom verlorenen Sohn“ oder „vom barmherzigen Vater“ nennen und die sich im 15. Kapitel des Lukasevangeliums findet (vgl. 15,11-32). Wie viel Würde und wie viel Zärtlichkeit liegt in der Gestalt jenes Vaters, der auf der Türschwelle wartet, dass sein Sohn zurückkehrt! Väter brauchen viel Geduld. Oft gibt es nichts anderes, was sie tun können, als zu warten; zu beten und mit viel Geduld, Sanftmut, Großzügigkeit und Barmherzigkeit zu warten.

Ein guter Vater versteht es, zu warten und aus ganzem Herzen zu vergeben. Freilich weiß er auch, wie man mit fester Hand Fehler korrigiert: er ist kein schwacher, nachgiebiger, sentimentaler Vater. Ein Vater, der korrigieren kann, ohne zu verletzen, kann auch beschützen, ohne auf sich selbst Rücksicht zu nehmen. Einmal habe ich einen Vater sagen hören: „Manchmal muss ich meine Kinder ein wenig schlagen… aber nie ins Gesicht, um sie nicht zu demütigen.“ Das ist schön. Dieser Vater nimmt Rücksicht auf die Würde seiner Kinder. Er muss strafen, aber er übertreibt nicht.

Wenn es also jemanden gibt, der in der Lage ist, das Vaterunser, das Jesus uns gelehrt hat, tiefsinnig zu erläutern, dann ist es ein Mensch, der seine Vaterschaft konsequent vorlebt. Ohne die Gnade, die vom Vater im Himmel kommt, verlieren die irdischen Väter ihren Mut und verlassen das Feld. Die Kinder aber brauchen einen Vater, der auf sie wartet, wenn sie von ihren Niederlagen zurückkehren. Sie werden alles tun, um das nicht zuzugeben, um es nicht zu zeigen; aber sie brauchen ihn. Wenn sie ihn nicht finden, schlägt das Wunden, die nur schwer wieder abheilen.

Die Kirche, unsere Mutter, unterstützt mit allen Kräften die großzügige Präsenz der Väter in den Familien, denn sie sind für die neuen Generationen unersetzliche Hüter und Vermittler des Glaubens an die Güte, die Gerechtigkeit und den Schutz Gottes, wie der Heilige Josef.

Aufruf des Heiligen Vaters:

Noch einmal gehen meine Gedanken an das geliebte ukrainische Volk. Leider wird die Lage immer schlimmer und eine Verständigung zwischen den Parteien rückt in immer größere Ferne. Wir wollen vor allem für die Opfer beten, unter denen viele Zivilisten sind, und für ihre Familien; und wir wollen den Herrn bitten, dass diese furchtbare, mörderische Gewalt bald beendet wird. Ich erneuere meinen Aufruf, dass man nichts unversucht lasse, auch auf internationaler Ebene, um den Dialog wieder aufzunehmen, denn dieser ist der einzige Weg, um Frieden und Eintracht in dieses gequälte Land zurückzubringen. Liebe Brüder und Schwestern, wenn ich die Worte „Sieg“ und „Niederlage“ höre, füllt sich mein Herz mit Schmerz und Trauer. Das sind nicht die richtigen Worte; das einzige Wort, auf das es ankommt, lautet: „Friede“. Das ist das richtige Wort. Ich denke an euch, Brüder und Schwestern der Ukraine… Denkt doch, das ist ein Krieg unter Christen! Ihr alle habt die selbe Taufe empfangen! Ihr bekämpft euch unter Christen. Denkt doch, welch ein Skandal! Wir wollen gemeinsam beten, denn das Gebet ist unser Protest vor Gott gegen den Krieg.

Übersetzung aus Zenit

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