Veröffentlicht am 2012-02-15 In Jubiläum 2014

Am Bündnistag im Februar: Ruanda

Agathe Hug. Vor meiner Sprechzimmertüre in meiner Frauenarztpraxis steht eine Frau und schaut sich fasziniert das dort hängende MTA-Bild an. Es ist an eine „moderne“ Praxis angepasst und einer Frauenarztpraxis entsprechend gestaltet. Durch die Türe, die einen Spalt geöffnet ist, beobachte ich, wie sie einen Zettel aus der Tasche zieht und sich irgend etwas notiert. Da sie die nächste Patientin ist, muss ich sie dennoch ins Sprechzimmer bitten und tue dies mit den Worten: Tut mir leid, aber ich muss sie in ihrer Meditation stören. – Ja, sagt sie, es ist ein wunderbares Bild. Ich habe mir gerade abgeschrieben, was da drauf steht. Ich denke, es ist der Name der Firma, bei der Sie es gekauft haben oder der Name des Künstlers. Ich werde mal im Internet recherchieren. Huch, denke ich, ich weiß ja gar nicht mehr, was da drauf steht. Peinlich, peinlich. Ich gehe täglich 1000mal an dem Bild vorbei, sehe 1000mal die MTA samt Gestaltung drumherum – und weiß nicht mehr, was da steht. Ich bin mir aber sicher, dass es weder ein Künstlername noch eine Firma ist. Deswegen lasse ich die Bemerkung der Patientin unkommentiert und drehe die Kurve zum Gespräch über den Grund ihres Besuches bei mir. Danach schleiche ich mich doch hin und schaue, was sie da abgeschrieben hat: MPHCEV. Oh. Ich wusste, dass das auf dem Bild steht und dass das sehr bewusst da hin geschrieben wurde – aber ich hatte es vergessen.

Dieser Vorgang fällt mir jetzt wieder ein, wenn ich über Schönstatt in Ruanda nachdenke. Auf meinem Bild sind nämlich Frauen mit Kind aus allen möglichen Kulturen zu sehen, mit allen Hautfarben. Schönstatt, unsere Dreimal Wunderbare Mutter, Königin und Siegerin, ist für alle Kulturen da, sie wird überall sorgen und siegen. Glauben wir, glaube ich wirklich daran? Mit dem Kopf schon – aber auch wirklich mit den innersten Fasern meiner Seele?

Ruanda… ein Völkermord und ein Mühen um Frieden

„Die Zukunft Schönstatts ist schwarz“ – sagen manche „Propheten“ in Schönstatt. Das kann schon sein, vorausgesetzt, dass es gelingt, AIDS, Fehl- oder Mangelernährung sowie Tod durch Verhungern zu überwinden. Das aber ist auch in Ruanda ein Thema.

Die Bevölkerung wächst in diesem Binnenstaat in Ostafrika. Eine Frau bringt im Durchschnitt 5-6 Kinder zur Welt. Da die Kindersterblichkeit der unter 5-jährigen Kinder etwa 7,6% beträgt, gelangen von diesen geborenen Kindern längst nicht alle ins Erwachsenenalter. Dennoch entspricht natürlich die Alterspyramide noch einer Pyramide mit breiter Basis. Die Regierung überlegt deswegen die drei-Kinder-Familie einzuführen. Allerdings muss man dabei auch noch bedenken, dass die HIV-Rate in der Gesamtbevölkerung offiziell bei 2,9% liegt – was aber realiter niemand glaubt. Sie wird höher liegen.

Unrühmliche Schlagzeilen machte Ruanda 1994 durch den Völkermord an den Tutsi durch die feindlichen Hutu. Heute stehen die Zeichen der Zeit auf Frieden und Friedensprozess. Aber damals … Bis vor einiger Zeit war ich, wie vermutlich viele andere auch, der Meinung, dass es sich bei Tutsi und Hutu um zwei unterschiedliche Stämme handelt, die sich befeinden. Doch weit gefehlt. Diese weit verbreitete Meinung ist Folge einer Ideologie, die von den Kolonialmächten zur Machtausübung benutzt wurde. In Ruanda lebt ein Volk mit einer gemeinsamen Sprache und einer gemeinsamen Kultur und, wie inzwischen über genetische Untersuchungen bewiesen wurde, zu einem einzigen Volk gehörend, das sich genetisch von Nachbarvölkern unterscheidet. Zwar gibt es zwischen Hutu und Tutsi genetische Unterschiede, die zu einem unterschiedlichen Körperbau führen. Doch sind Unterschiede dieser Art in jedem Volk zu finden.

Die Kolonialmächte, zunächst die Deutschen, dann die Belgier, nutzten die über Jahrhunderte entstandenen gesellschaftlichen Kategorien „Tutsi = Rinderhirten“, „Hutu = Bauern“ und „Twa = Jäger, Sammler und Töpfer“ für ihre indirekte Verwaltung des Landes. Die Tutsis waren in der Gesellschaft vor der Kolonialisierung diejenigen, die sozusagen die Regierung stellten, auch wenn sie die Minderheit darstellten. Ruanda hat eine lange Tradition der Monarchie und die Könige und das Königshaus waren Tutsi. Die Deutschen als Kolonialmacht regierten über diese vorgefundenen Strukturen. Allerdings machten sie daraus eine Ideologie, die dann von den Belgiern als nachfolgende Kolonialmacht verfeinert und in einer Volkszählung in den Jahren 1933 und 1934 festgeschrieben wurde und seit 1939 im Personalausweis erscheint: Wer mehr als 10 Rinder besaß, gehörte zu den Tutsi, wer weniger besaß zu den Hutu und wer kein Rind besaß zu den Twa. Die Tutsi wurden als vom Nil her eingewanderter Stamm betrachtet, der mit den Weißen nahe verwandt, aber eben schwarzer Hautfarbe seien. Die Hutus seien die ursprüngliche negroide Bevölkerung. Und damit war eine Wertigkeit eingeführt, die ja grundsätzlich nicht haltbar ist, in diesem Falle aber auch noch schlicht und einfach auf einem falschen Mythos beruht. Heute wissen wir, wie gesagt, dass dies nicht stimmt und dass sowohl die einen wie auch die anderen ganz ursprünglich im Gebiet von Ruanda siedelten.

Doch diese Ideologie hatte ihre Folgen, die im Genozid endeten. Zunächst hatten nur die Tutsi Zugang zu den Schulen, auch zu den Schulen der katholischen Missionare, und damit Zugang zu Verwaltungsposten. Im Laufe des Zweiten Weltkrieges und danach veränderte sich das Selbstverständnis der Missionare. Sie betrachteten sich als Unterstützer der Unterprivilegierten und damit bekamen auch die Hutus Zugang zu den Schulen und es entstand ein Hutu-Klerus.

Auch die belgische Kolonialmacht bekam so langsam ihre Probleme. Die Tutsi äußerten eigene Gedanken und wollten nicht einfach nur mehr die belgischen Vorgaben umsetzen. Und so wurden auch die Hutus mehr politisch gefördert. 1959 schließlich übernahmen die Hutus die Macht und drehten den Stiel um: Sie nahmen das rassistische Gedankengut der Europäer an und begannen, die Tutsi als später eingewanderte Fremde zu behandeln. So kam es 1959 zur ersten Fluchtwelle von Tutsi. Zuvor wurde deren Anteil in Ruanda auf 12 bis 13% geschätzt, danach waren es vielleicht noch 10%. Die Twa spielten in dieser ganzen Konstellation eine untergeordnete Rolle. Nach dem Völkermord, dem Schätzungen zufolge bis zu einer Million Menschen zum Opfer fielen – es gibt dazu die unterschiedlichsten Schätzungen – war der Anteil der Tutsi an der Bevölkerung auf 1 bis 3% gesunken. Man schätzt, dass bis zu 90% der Tutsi ermordet wurden. Wie hoch ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung heute ist, weiß niemand. Durch die Rückwanderung von im Exil lebenden Tutsi in ihre Heimat ist sie gestiegen. Schlussendlich ist dies aber auch egal, denn in einem befriedeten Land und erst recht für uns als Schönstätter ist dies uninteressant. Aber das Wissen um die Geschichte hilft vieles zu verstehen, hilft versöhnen und hilft in die Zukunft zu blicken.

Und Schönstatt in Ruanda?

Anfang Februar 2009 – genau gesagt, zum Beginn der Konferenz 2014 – kam die 3. Internationale Auxiliar der Kampagne der Pilgernden Gottesmutter von ihrer Afrikareise zurück nach Schönstatt. Ein Jahr und drei Monate lang war sie zuvor durch Burundi, Kongo, Tansania und Ruanda gepilgert – im Rahmen großer und bewegender Friedenswallfahrten, die die Schönstattfamilie von Burundi zur Vorbereitung auf die Krönung der Muttergottes von Schönstatt zur Königin des Friedens und der Versöhnung angeregt hatte. Diese Friedenswallfahrten – oft von Hunderten und Tausenden von Menschen begleitet – sollten Versöhnung schaffen zwischen Menschen, die künstlich verfeindet worden waren und in den Folgen dieser Verfeindungen unsägliches Leid, Flucht, Tod von Angehörigen und unzählige Nächte im Kugelhagel erlebt hatten. Einander angetan hatten.

Im Juli 2008 war die Auxiliar bei der Friedenswallfahrt nach Kibelo und Butare in Ruanda. Im Bericht auf schoenstatt.org heißt es:

„Über 230 Pilger machten sich vom Heiligtum in Mont Sion Gikungu, Bujumbura, Burundi aus mit der Internationalen Auxiliar der Kampagne der Pilgernden Gottesmutter auf den Weg ins Nachbarland Ruanda. Acht Busse und 2 Jeeps fuhren am 4. Juli zunächst nach Kibeho. Weiter ging’s am folgenden Tag nach Butare. Auffallend war die Begeisterung von Bischof Philippe Rukamba, dass er die Auxiliar in seiner Diözese empfangen durfte. Sein großer Wunsch ist, dass die Kampagne der Pilgernden Gottesmutter in allen 21 Pfarreien seines Bistums beginnt. Die Wallfahrt war, wie die früheren Friedenswallfahrten mit der Auxiliar auch, mit Nachtanbetung im Heiligtum von Bujumbura vorbereitet worden. Viele verbrachten die ganze Nacht im Gebet um Frieden und ein gutes Gelingen dieser Wallfahrt. Unterwegs wurde auch viel gebetet, vor allem der Rosenkranz – um Frieden in den Familien, Frieden in den beiden Ländern… Auch der Bischof von Butare möchte in allen Pfarreien seines Bistums mit Schönstatt beginnen, zuerst und vor allem mit der Kampagne der Pilgernden Gottesmutter. In der heiligen Messe wurde ein großes Bild der Pilgernden Gottesmutter gesegnet; in diesem Bild soll die Dreimal Wunderbare Mutter von Schönstatt alle Pfarreien des Bistums besuchen, in der Hoffnung, dass überall die Kampagne beginnt!“

Auf seiner Weltpilgerschaft zur Vorbereitung auf 2014 ist das Vatersymbol im April 2011 in Ruanda gewesen – an eben diesen beiden Orten, Kibeho – einem Marienwallfahrtsort – und in Butare, wo es eine recht große Schönstattfamilie gibt. Im Bericht auf schoenstatt.org heißt es dazu: „Es war ein schönes Erlebnis, als alle Anwesenden abwechselnd auf Kirundi und auf Kinyarwanda beteten und sangen. Rund um die Auxiliar und das Vatersymbol entsteht eine Familie aus vielen Völkern und Sprachen…“

Und diese Familie feiert am Bündnistag im Februar die heilige Messe auf dem Weg nach 2014 im Bündnis mit Ruanda.

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