BRASILIEN, Ruy Kaercher, Maria Fischer •
Seit zwei Jahren, seit jener Nacht- und Nebelaktion, in der die Marienschwestern den Altar und andere Elemente aus dem Heiligtum von Santa Cruz do Sul entfernt haben, gab es etwa 800 Erwähnungen dieses Heiligtums in der lokalen Presse, darunter Artikel, Pressemitteilungen, Leserbriefe und Stellungnahmen prominenter Bürger. Damit ist dieses Heiligtum, von dem nur noch die Mauern und die große Liebe seiner Pilger übrig sind, weltweit dasjenige mit der größten Medienaufmerksamkeit. Zu all dem kamen vor ein paar Tagen weitere Nachrichten hinzu, nachdem die Entfernung der Fenster, der Tür und des Glockenturms von der Staatsanwaltschaft für illegal erklärt wurde – wir erinnern uns an „Marias Tränen“ und die enorme Traurigkeit und Wut, als der damalige heftige Regen das Innere des seiner Fenster beraubten Heiligtums flutete —
In der Zwischenzeit teilten die Marienschwestern durch ihre Pressesprecherin, Schwester Rosequiel Favero, den geglückten Fortschritt auf dem Gelände ihres zukünftigen Heiligtums mit, das an einem Ort gebaut werden soll, der ihnen besser gefällt als der des ersten Heiligtums am Rande der Autobahn BR-471, und rechtfertigen die Entfernung der Tür, des Glockenturms und der Fenster als notwendig, da man sie als Vorlagen für das zukünftige Heiligtum brauchen würde – als ob es in ganz Brasilien keine andere Möglichkeit gäbe, Maße für Tür, Fenster oder Glockenturm zu nehmen.
Glacy Falleiro, der es letztes Jahr geschafft hat, mehr als dreitausend Unterschriften für die Petition zum Erhalt des Heiligtums zu sammeln, schreibt in der Tageszeitung GAZ: „Wir können nicht schweigen angesichts der Absurdität dessen, was unserem Heiligtum durch diejenigen, die sich von hier zurückgezogen haben, angetan wird. Ich sage ‚unser Heiligtum‘, weil die Gemeinde alles gespendet hat, was es hatte. Es waren nicht die Schwestern, die den Altar oder die Statuen gekauft haben, sondern es waren Arbeit und Schweiß der Gläubigen… Ich kann nicht verstehen, wie Menschen, die sich selbst als Vertreter Gottes bezeichnen und einen religiösen Habit tragen, unserer Mutter solche Grausamkeiten antun können, dass sogar ihr Gnadenbild im Regen stehen gelassen wurde… Nun, ich habe in der GAZ gelesen, dass die Schwestern eine neue Tür wie die weggenommene schicken werden. Jetzt frage ich mich, wie so viele andere auch: Warum haben sie nicht eine neue Tür für das andere Heiligtum, das sie bauen wollen, anfertigen lassen? Warum haben sie die Tür rausgerissen, die seit 40 Jahren hier war?“
Neue Fenster, eine Glastür, ein Altar und Kirchenbänke…
Kurz vor Ablauf der von der Staatsanwaltschaft gesetzten Frist für die Rückgabe der entfernten Elemente „tauchten“ neue Fenster, eine Glastür, einige Bänke und sogar ein Altar auf, der eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Altar des Heiligtums hat – mit einer Geschichte und Herkunft, die den Schönstättern des ersten Schönstatt-Heiligtums unbekannt ist. Und obwohl die Sehnsucht nach dem ursprünglichen Altar und allem, was das Innere des Heiligtums ausmacht, anhält, ist die Freude groß.
In einem Bericht der Zeitung GAZ heißt es: „Damit ist der Raum kurz davor, wieder ein Ort des Gebets und der Andacht zu werden, der der Öffentlichkeit zugänglich ist. Der Ort hat einen neuen beleuchteten Altar und acht neue Kirchenbänke im Inneren. Die Glastür am Eingang wurde ebenfalls eingebaut, ebenso wie die vier Fenster, die die ursprünglichen Fenster ersetzen.
Im Außenbereich, mit Blick auf den städtischen Kindergarten Mãe de Deus, die Schule und die Kapelle, wird eine neue Landschaftsgestaltung vorgenommen. Die Stadtverwaltung beabsichtigt, die Nutzung der Kapelle der neu gegründeten „Vereinigung der Verehrer der Mutter und Königin von Santa Cruz do Sul“ (=Schönstätter, die sich für den Erhalt des Heiligtums einsetzen) zu überlassen.
Maria Erica Goldschmidt kommentiert: „Dies ist der eigentliche Ort, der meiner Meinung nach auf jeden Fall ein heiliger Ort ist, auf dem bereits viele Gnaden empfangen wurden und von dem sie nie etwas hätten entfernen dürfen, weil alles mit Spenden der Gläubigen errichtet wurde. Ich hoffe nur, dass sie nicht noch einmal um Spenden bitten werden, denn vermutlich finden sie in Zukunft eine neue Ausrede“.
Wann ist ein Ort heilig und ein Heiligtum ein Heiligtum?
Schwester Rosequiel Lopes Fávero vom Kommunikationsbüro der Marienschwestern sagte der Zeitung GAZ, dass sich „die Erdarbeiten (auf dem neuen Gelände) in der Endphase befinden. Ein Bild, das die Mutter und Königin symbolisiert, wurde bereits in einer Ecke des Grundstücks aufgestellt. „Das Bild zeigt, dass der neue Ort bereits heilig ist“, sagte sie. Auch das Projekt für die Fassade der neuen Kapelle sei fertig, und sobald wie möglich werde mit dem Bau begonnen.
Bleibt die Frage: Wenn ein kleines Bild der Dreimal Wunderbaren Mutter ein Stück Land in einen heiligen Ort verwandelt, macht dann die Entscheidung, nicht mehr an einem Ort zu leben, an dem seit 40 Jahren ein Gnadenbild derselben Dreimal Wunderbaren Mutter steht, dieses Land „nicht heilig“, oder macht die Entfernung eben dieses Bildes es zu „nicht heiligem Land“?
Wir verstehen das Narrativ, das man sich erdacht hatte: Wir nehmen Bild, Altar, alle anderen Elemente und sogar die Steine dieses ersten Heiligtums mit und damit die Gnaden und das Gnadenkapital, das sich an diesem Ort angesammelt hat, plus all die Worte, die gesagt wurden, um die Mutter Gottes einzuladen, sich für immer hier niederzulassen, die Erfahrungen der Besuche und Pilgerfahrten, und wir übertragen es – frei nach Raumschiff Enterprise und „Scotty, beam me up!“ auf den neuen Ort. Dumm nur, dass die Seelenstimmen so vieler Schönstätter, Pilger, Bürger NEIN schrien. Und sie ließen sich nicht zum Schweigen bringen. Doch es gab keinen Dialog mit dem, was Josef Kentenich einst als unverzichtbare Erkenntnisquelle im praktischen Vorsehungsglauben bezeichnet hatte.
Wir verstehen auch, dass die Marienschwestern angesichts des Skandals in den Medien und des Widerstands großer Teile des Volkes Gottes zu neuen Narrativen gegriffen haben, dieses Mal mit Blick auf den Ortsbischof. Das Narrativ, dass es nicht mehr als ein Schönstatt-Heiligtum in einer Stadt geben kann (was wollen sie mit den „überzähligen“ Heiligtümern in Rom, Buenos Aires, Santiago, Vallendar machen?), oder das Narrativ, dass es dort, wo es keine Marienschwestern gibt, kein „echtes“ Schönstatt-Heiligtum gibt (auf diese Weise wird glatt die Hälfte der Heiligtümer weltweit eliminiert…).
Jetzt sagen sie, dass das „alte“, d.h. das bisher einzige Heiligtum in Santa Cruz do Sul kein Heiligtum mehr ist, sondern eine Kapelle. Eine künstliche Unterscheidung. In den ersten Jahren Schönstatts sprach die Gründergeneration nur von ihrem „Kapellchen“… und viele Schönstätter sagen das auch heute noch.
Architektonisch handelt es sich um eine Kapelle. Das Kirchenrecht unterscheidet zwischen Kathedralen, Pfarreien und Kapellen. Erstere sind der Sitz des Bischofs, die zweiten Sitz des Pfarrers und letztere den Pfarrkirchen zugeordnet.
Ein Heiligtum ist laut Wörterbuch der deutschen Sprache eine heilige Stätte oder ein kostbarer Gegenstand, oder im engeren religiösen Sinn ein Tempel, in dem das Bildnis oder die Reliquie eines Heiligen besonders verehrt wird. Für die katholische Kirche ist ein Heiligtum ein Wallfahrtsort für die Gläubigen:
„Unter einem Heiligtum versteht man eine Kirche oder einen anderen heiligen Ort, zu dem zahlreiche Gläubige aus einem besonderen Grund der Frömmigkeit mit Genehmigung des örtlichen Ordinarius pilgern. In einem Heiligtum wird die Begegnung mit dem lebendigen Gott durch die lebensspendende Erfahrung des verkündeten, gefeierten und gelebten Mysteriums angeboten: In den Heiligtümern sollen den Gläubigen die Mittel zum Heil reichlich zur Verfügung gestellt werden, indem das Wort Gottes fleißig gepredigt und das liturgische Leben sorgfältig gepflegt wird, insbesondere durch die Feier der Eucharistie und die Buße, aber auch durch die Ausübung anderer bewährter Formen der Volksfrömmigkeit. So sind Heiligtümer wie Orientierungspunkte, die die Reise der Kinder Gottes auf der Erde leiten und die Erfahrung der Einkehr, der Begegnung und des Aufbaus einer kirchlichen Gemeinschaft fördern.“
Das gesamte Vatikan-Dokument (leider nicht in Deutsch) – hier in Spanisch
Ich erinnere mich, dass Pater Carlos Cox, der damalige Rektor des Heiligtums in Maipú (Chile), bei der Vorbereitung des Jubiläums des Liebesbündnisses sagte, dass aus dieser kirchlichen Perspektive nur wenige der Schönstatt-„Heiligtümer“ Heiligtümer sind….
Was macht ein Heiligtum zu einem Heiligtum? In Schönstatt, das Gnadenkapital, das von den Besuchern angeboten wird, zusammen mit dem Ja Marias, der Mutter von uns allen, die Einladung anzunehmen, dort ihren Wohnsitz zu nehmen und für immer zu bleiben. So wie sie es vor 40 Jahren in Santa Cruz do Sul tat und auch heute noch tut.
Original: Spanisch, 8.8.2022. Übersetzung: Maria Fischer @schoenstatt.org