Veröffentlicht am 2019-10-20 In Leben im Bündnis

18. Oktober und Klimawandel: “Den Austausch suchen mit jenen, die uns mit ihrer Meinung in der Kirche oft sehr fremd sind“

18.OKTOBER IN SCHÖNSTATT, Maria Fischer •

„Wie ist das für einen Argentinier, der zum 18. Oktober nach Schönstatt kommt, wenn die Messfeier und die Predigt um die Jahresparole der deutschen Bewegung kreisen?“ Daniel Martino aus dem Familienbund überlegt einen Moment, lächelt, und antwortet: „Das habe ich genauso erwartet. Die ‚Alemanidad‘ von Schönstatt! Immerhin gab es Kopfhörer und Übersetzung. Und die Predigt war stark, hat so radikal Öffnung gefordert, dass es ganz egal war, dass es um die deutsche Jahresparole ging. Das war für uns alle!“ Für uns alle, für ganz Schönstatt: eine Predigt am höchsten Festtag Schönstatts, die Unruhe macht und eine Hoffnung weckt, dass dieser Freitag, der 18. Oktober,  ein „Friday for Future“ wird, für diesen Ort, für Deutschland und vielleicht, nein, sicher, darüber hinaus. —

Für „schläfrig-selige Festtagsruhe“ ist gleich zu Beginn der heiligen Messe kein Raum mehr, als Bischof Dr. Michael Gerber Solidarität mit den Jugendlichen erbittet, die heute wie an jedem Freitag für mehr Verantwortung beim Klimaschutz auf der Straße sind, und mit den Menschen in Syrien, die erneut unter Waffengewalt leiden, getötet, verletzt, vertrieben werden.

„Klimawandel – in und von Schönstatt aus. Welche inneren Bilder leiten uns dabei?“, fragt Bischof Gerber. „Eine Antwort könnte sein: „Das Klima ist rauer geworden in der realen Welt und in der digitalen Welt sowieso. Wir hier in Schönstatt bemühen uns, dass wenigstens bei uns ein anderes Klima herrscht. Am großen Klima und am großen Klimawandel können wir sowieso nichts ändern.“ –  Klimawandel – können wir das einseitig verstehen als die Sorge um ein besseres Binnenklima?“

Die Antwort ist ein klares Nein. Kein „seliges wir hier drinnen“ und lasst die da draußen doch machen, was sie wollen. Der Bischof von Fulda, Mitglied des Säkularinstitutes der Schönstatt-Diözesanpriester, schickt die Schönstätter nun zwar nicht hinaus in den Nieselregen, um Klima zu wandeln, doch: „Im Umfeld der Amazonassynode bemerkte Papst Franziskus: „Jesus ist nicht gekommen, um die Abendbrise, sondern um das Feuer auf die Erde zu bringen.“ Der Bündnistag heute macht uns darauf aufmerksam, dass die entscheidenden Wachstumsschritte Schönstatts nicht in der Abendbrise erfolgten, sondern im rauen Klima des Ersten Weltkrieges, sowie der Dachau- und der Milwaukeezeit. Sollten wir also Angst haben vor rauem Klima und vor heißen Perioden auch in unserer Kirche? … Wenn wir also jetzt in dieser Stunde Bündnis feiern, dann in besonderer

Verbundenheit einerseits mit unserer jungen Generation, die auch heute mit dem „Friday for Future“ wie an jedem Freitag ihre Sorge um das Klima der Zukunft zum Ausdruck bringt und in besonderer Verbundenheit andererseits mit den Teilnehmern der Amazonassynode, die nach dem Weg der Kirche nicht nur in dieser Region fragen.“

Die Tiefenströmungen meiner Seele

Klimawandel, das wissen wir durch Studien und wissenschaftliche Informationen, ist nicht zuerst das Ansteigen der Meeresspiegel, höhere Temperaturen oder Unwetter. Klimawandel hat zu tun mit den Tiefenströmungen der Weltmeere, die man nicht wahrnimmt, die aber das Weltklima und die Lebensbedingungen unseres Planeten prägen. Darum müssen wir uns, so Bischof Gerber, vor allem konkreten Tun, vor jedem Dialog nach den Tiefenströmungen der eigenen Seele und vielleicht auch der „Schönstattseele“ fragen.

„Fragen wir also nach: Wie reagiert meine Seele spontan und unmittelbar auf die großen und kleineren Bewegungen in Kirche und Gesellschaft? Ist mein „Humboldtstrom“ die Angst? … oder sind es erfahrene Demütigungen?“

Oder gewinnt der „Humboldtstrom“ des 18. Oktober Raum?

„Der heutige 18. Oktober erzählt von einer Urerfahrung. Josef Kentenich hat sie zunächst ganz persönlich gemacht und dann eben heute vor 105 Jahren zusammen mit den ersten Mitgründern hier im Heiligtum. Es ist die Urerfahrung: Ich bin geliebt, beschenkt, Gott bietet mir seinen Bund an. Es ist eine marianische Urerfahrung. Es ist der Glaube, die  Zusage Gottes an Maria, „Du bist voll der Gnade“ steht auch über meinem Leben. Bündnisfeier und

Bündniskultur meint: Diese Erfahrung soll in meiner Seele Raum gewinnen. Das ist mehr als nur ein Wissen darum. Durch die regelmäßige Wiederholung des Bündnisschlusses an jedem 18. Oktober, an jedem 18. eines Monates und an jedem Tag in meinem Hausheiligtum will sich diese Urerfahrung tiefer in meine Seele einprägen und von da aus zu der vorherrschenden Dynamik meiner Seele werden.“

Was will Gott mir, was will Gott uns sagen durch die Seelenstimmen der jeweils anderen?

In einer pädagogischen Tagung Anfang der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts hat Pater Kentenich Grundregeln für echten Dialog aufgestellt. Eine davon heißt: „Ich gestatte meinem Gegenüber, diesen seinen Standpunkt zu haben.“

Hier wird Bischof Gerber nun ganz konkret und weist hin auf so manche Dinge in Gesellschaft und Kirche, mit denen sich so manche Christen wohl auch aus der Schönstatt-Bewegung schwertun. Beispielhaft nennt er die Bewegung Maria 2.0, eine Bewegung von Frauen in der Kirche in Deutschland, die mehr Rechte für Frauen suchen, bis hin zum Weiheamt.

Ganz konkret:

„Fragen wir nicht nur nach der Position des Gegenübers, sondern fragen wir ehrlich nach: Wie ist er oder sie zu dieser Einstellung gekommen – welche Geschichte liegt dahinter, welche Geschichte einer Verletzung liegt möglicherweise dahinter? Wo hat jemand eine elementar andere Grunderfahrung gemacht als ich? Fragen wir also nicht nur nach der Position des Gegenübers,  sondern fragen wir nach der Grunderfahrung, die dahintersteht. Ich glaube, hier sind wir als Kirche herausgefordert, manche in unserer Gesellschaft, etwa in den Internetforen sich breit machende unheilvolle Form des Dialoges – oder besser gesagt, des Redens übereinander – nicht zu kopieren. Zu oft bleiben auch in der Kirche die Kreise, die jeweils die gleiche Position vertreten, de facto unter sich, verfeinern nochmals ihre Argumente, bringen sich gegen „die Anderen“ in Stellung, aber es kommt zu keinem wirklichen Austausch.

Klimawandel: Fragen wir uns kritisch: Wo versuche ich einen ehrlichen ungefilterten Zugang zu finden zur Argumentation von Menschen, die dezidiert eine andere Meinung haben als ich. Welche Zeitschriften, welche Artikel im Internet lese ich und welche lese ich nicht? Nehme ich das alles nur aus zweiter Hand wahr, bereits kritisch kommentiert durch Meinungsführer meiner eigenen Richtung oder lese ich solche Argumentationen auch im Originaltext?“

Dann geht ein Dialog, dann kann Kultur der Begegnung entstehen, kann ich meinem Gegenüber zugestehen, diesen seinen Standpunkt zu haben – ohne ihn teilen zu müssen.

„Klimawandel: Ich möchte Sie, liebe Schönstattfamilie und liebe Gliederungen in unserer Schönstattbewegung dazu ermutigen, … sehr unmittelbar den Austausch zu suchen mit jenen, die uns mit ihrer Meinung in der Kirche oft sehr fremd sind. … Unser Gründer hat sehr genau hingehört auf die Strömungen seiner Zeit. Gehen wir bei ihm in die Schule des Hörens. Wo verweist mich mein Gegenüber auf einen Aspekt der Wirklichkeit, der mir bislang noch nicht bewusst war? Was für einen neuen Impuls nehme ich mit aus diesem Gespräch?“

Welchen Impuls nehme ich, nehmen wir mit aus dieser Predigt? Eine Frage, für die nach der festlichen Messe unter dem andauernden Nieselregen wenig Zeit ist. Eine Frage, die dennoch sicher in den Gesprächen an diesem Tag, in den persönlichen Momenten im Urheiligtum und in der nachmittäglichen Bündniserneuerung weiterklingt.

Und vielleicht noch darüber hinaus.

Predigt von Bischof Dr. Michael Gerber, Fulda, am 18. Oktober 2019 in Schönstatt (pdf)

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