Muss das sein?

Veröffentlicht am 2021-03-09 In Kentenich, Themen - Meinungen

„Schönstätter Marienschwestern gehen rechtlich gegen Kentenich-Buch vor“ – Muss das sein?

Von Elke Karmann, Deutschland •

Als ich gestern in mehreren Medien las, dass die Marienschwestern gegen Frau v. Teuffenbach Klage erheben, bin ich erschrocken. Erweisen die Schwestern Pater Kentenich und Schönstatt damit nicht einen „Bärendienst“? Gute Absicht, aber schlechte Folgen. Sie wollen ihren „König“ verteidigen, aber erreichen sie dadurch nicht das Gegenteil, nämlich dass noch mehr Menschen an Pater Kentenichs moralischer Integrität zweifeln? —

Als Reaktion auf die Artikel in katholisch.de und weiteren Medien, die die Meldung brachten, dass die Schwestern Klage führen gegen Frau v. Teuffenbach, erreichten mich gestern etliche Reaktionen von Menschen, die nicht zu Schönstatt gehören, aber in ihrem Leben unterschiedliche Berührungen mit Schönstatt hatten und sich zum Freundeskreis (Schönstätter würden sagen „Wallfahrtskreis) zählen. Hier nur vier davon:

  • „Ach Gott, was für ein Gezerre.“
  • „Da versteht man die Welt nicht mehr. Aber die Wahrheit siegt. Schlimm für die Opfer, dass die Schwestern rechtlich gegen Teuffenbach vorgehen.“
  • „… passt zur Verlogenheit der alten katholischen Kirche. Hoffentlich kommen schnellstens Menschen mit mehr Verantwortungsbewusstsein an die Führungspositionen.“
  • „Mit einer solchen Klage erweist die Gemeinschaft sich und Pater Kentenich einen Bärendienst. Schade, dass die Schwestern nicht den Mut aufbringen, zu dem von Josef Kentenich selbst und in seinem Namen zugefügten Unrecht und Leid, dem Missbrauch und den Verleumdungen zu stehen, dafür die Verantwortung zu übernehmen und die Opfer entsprechend zu würdigen. Dann wäre ein guter Neuanfang möglich.“

Die Reaktionen sprechen für sich. Alle zeugen von Unverständnis für diesen gerichtlichen Schritt. Hätte Pater Kentenich wirklich ein solches Vorgehen gewollt?

Meines Erachtens bringt ein Zugehen auf den anderen, Zuhören und Bemühen um Klärung mehr als gerichtliche Kampfansagen.

Dass ihm Fehler unterlaufen sind, macht ihn und seine Sendung für mich nicht kleiner

Ich verstehe die Betroffenheit der Schwestern, dass nun nach vielen Jahren die Zeugnisse vieler, die unter Pater Kentenichs Führung litten, publik werden.  Auch mich hat das Buch „Vater darf das“ sehr betroffen gemacht. Es zeichnet ein ganz anderes Bild von Pater Kentenich, als wir es jahrzehntelang in Schönstatt vermittelt bekamen.

Pater Kentenich scheinen bei einigen Mitarbeitern und bei Menschen, die sich ihm anvertrauten und denen er helfen wollte, Missverständnisse und Fehler unterlaufen zu sein … Anscheinend ist es ihm nicht gelungen, diese Verletzungen und Missverständnisse wieder gut zu machen. Und manches, wo er versuchte, therapeutisch vorzugehen, ist schlichtweg danebengegangen und aus heutiger Sicht sehr grenzüberschreitend.

Denn wer von uns hat noch niemanden verletzt und macht keine Fehler, die ihm nachher leidtun?

Ich bin von Josef Kentenichs moralischer Integrität nach wie vor voll überzeugt und bin auch überzeugt, dass er nicht bewusst eine Infantilisierung und  Viktimisierung der Frauen wollte, sondern freie Persönlichkeiten schätzte. Er wollte eigenständig denkende Mitarbeiter/innen, die nicht nur nachplappern, was andere in der Gemeinschaft vorplappern.

Dass auch ihm  Fehler unterlaufen sind,  macht ihn und seine Sendung in meinen Augen nicht kleiner.

Denn wer von uns hat noch niemanden verletzt und macht keine Fehler, die ihm nachher leidtun?

Ich bewundere Pater Kentenich für seinen Mut, die Psychologie in seine Pädagogik und Pastoral zu integrieren und auch ganzheitlich vorzugehen. Er hat zur damaligen Zeit viel gewagt und vielen Menschen durch das Liebesbündnis geholfen, heil zu werden und ihren persönlichen Lebensweg zu finden und zu gehen.

Viel zu lange „über den Wolken“

Die Menschen heute brauchen keine makellosen Idole…. Zu lange wurde Pater Kentenich „über den Wolken“ dargestellt. Ein authentischer Josef Kentenich ist viel überzeugender … und dazu gehört auch die andere Seite. Wir brauchen den ganzen Pater Kentenich und nicht einen  mit Schokoladenseite und Heiligenschein.

Menschen, die zutiefst verletzt wurden

Das Buch „Vater darf das“ spricht von Menschen, die zutiefst von Pater Kentenich verletzt wurden. Mein Eindruck ist, dass diese Sammlung historischer Zeugnisse nicht den Anspruch erhebt, ein vollständiges Bild über Pater Kentenich zu zeichnen, auch wenn darin heftige Anschuldigungen enthalten sind.

Frau v. Teuffenbachs Einsatz für Sr. Georgia und ihre Mitschwestern wird ja leider als Affront gegen Schönstatt interpretiert. Ich habe den Eindruck, dass das gar nicht ihre Absicht ist, sondern dass sie Frauen mit Missbrauchserfahrungen eine Stimme geben will und dies als ihre Sendung sieht.  Aus dieser Sicht blickt sie dann auf die Dinge, die Schwestern in ihren Zeugnissen schildern. Sie beurteilt dadurch vielleicht manches etwas einseitig, obwohl sie eingangs ja schreibt, dass sie das nicht möchte … Aber sie gehört nicht zu Schönstatt und hat bisher nur diese Facetten an Pater Kentenich entdeckt. Haben wir schon genügend getan, dass Frau v. Teuffenbach auch noch andere Seiten an ihm  entdecken kann?? Meines Erachtens erreichen wir das nicht mit gerichtlichen Klagen.

Viel zu klären

Ich denke, dass eine gute interdisziplinäre Fachgruppe wie sie die Diözese Trier ja nun auch einrichtet mit externen und internen Fachleuten, in der auch die Psychiatrie vertreten sein sollte, Aufklärung in die damaligen Vorgänge bringen kann und eher fähig ist, ein vollständiges Bild von Pater Kentenich zu zeichnen. Wer von uns kann ihn schon ganz fassen?

Bei aller Betroffenheit, die so manche Praktiken, von denen im Buch berichtet wird, auch bei mir hervorgerufen haben, dürfen wir nicht vergessen, den ganzen historischen Kontext mit einzubeziehen. Die Psychologie und Psychoanalyse steckten ganz in den Anfängen und wurden von der Kirche sehr kritisch beäugt, die klösterliche Bußpraxis war noch vorkonziliar und ganz mittelalterlich geprägt, die Rechte der Frauen in Gesellschaft und Kirche noch weit mehr unterentwickelt als heute … und damit das Selbstverständnis der Frauen auch noch ganz anders, so dass sie sich etliches mehr gefallen ließen als wir heute es zuließen.

Manche im Buch geschilderte Strafpraxis ist meines Erachtens nicht auf „seinem Mist“ gewachsen und steht im Widerspruch zu seinem Denken und seinen Schriften.

Zudem müsste auch geklärt werden, inwieweit Sr. Georgia und ihre Mitstreiterinnen so sehr durch ihre Mitschwestern verletzt wurden, dass sie diese Erfahrungen unbewusst auf Äußerungen und Handlungen Pater Kentenichs übertrugen (im Sinn einer Übertragungsreaktion, eines Abwehrmechanismus)… oder inwieweit sich Pater Kentenich auch durch Schwestern z.B. in der Einführung von manchen Bußpraktiken, Regeln oder auch in Urteilen über einzelne Schwestern (z.B. die Anklage, dass Schwester Georgia vom Teufel besessen sei) beeinflussen bzw. manipulieren ließ.

Manche im Buch geschilderte Strafpraxis ist meines Erachtens nicht auf „seinem Mist“ gewachsen und steht im Widerspruch zu seinem Denken und seinen Schriften.

Ich wünsche allen, die um Aufklärung der damaligen Vorfälle bemüht sind, den Heiligen Geist und uns, die wir Schönstatt und Pater Kentenich lieben, den Mut, aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen und Schönstatt und unsere Gemeinschaften im Sinn des Liebesbündnisses immer wieder neu zu gründen.

 


Zu meiner Person: Ich bin 61 Jahre, verheiratet, seit Kindheit an in Schönstatt beheimatet, war viele Jahre in einem schönstättischen  Säkularinstitut und bin  Dipl. Päd. Univ. und Heilpraktikerin für Psychotherapie.

 

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1 Responses

  1. Maria Godany sagt:

    Meines Wissens nach haben Frauen in der Schweiz das Wahlrecht 1971 bekommen- das letzte Kanton in der Schweiz noch viel später…Weshalb ich das schreibe ist, dass man die Dinge immer auch aus historischem Hintergrund betrachten muss. Ausser dem historischen Hintergrund muss man auch die verschiedensten innergemeinschaftlichen Beweggründe analysieren.
    Ich bin 1968 geboren und habe meine ganze Kindheit durch meine Eltern bedingt in der Schönstattgemeinschaft verbracht. Ich habe viele Marien- Schwestern kennengelernt und einen kleinen Einblick in Schwesterngemeinschaften. Da “ menschelt“ es sehr und nicht jede Schwester hat es geschafft Pater Kentenichs Visionen umzusetzen und hat trotzdem ua Führungsposition bekommen können. Ausserdem ist es leicht anderen die Schuld zu geben um nicht einzugestehen müssen welche Fehler man selbst gemacht hat. Welche Fehler jeder einzelne von uns täglich tut……

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