Mario Hiriart
Ein Techniker auf den Spuren Gottes
von Dr. Martin Faatz

Mario Hiriart

"Wer die Liste der Seliggesprochenen in den letzten Jahren liest, der findet vor allem Priester, Ordensfrauen, Mönche, Missionare und Märtyrer, und nicht wenige davon haben schon vor Jahrhunderten gelebt. Der Mann, für den in Santiago de Chile der Seligsprechungsprozeß in Gang gesetzt wird, fällt da aus dem Rahmen. Denn der Chilene Mario Hiriart war kein Priester oder Ordensmann, sondern Bauingenieur. Er hat nie in fernen Ländern missioniert, sondern schlicht in seinem Beruf gearbeitet und zunächst bei einer Ingenieurgruppe, später als Dozent. Sein Tod liegt erst 32 Jahre zurück. Was war das Besondere an diesem Mann?

Mario Hiriart wird am 23. Juli 1931 in Santiago de Chile geboren. Die Eltern zählen zum Mittelstand des lateinamerika -nischen Landes. Fleiß und Intelligenz bringen Mario in der Schule ausgezeichnete Noten ein. Mitschüler charakterisierten ihn als eher still.

Nach dem Abitur hatte sich Mario Hiriart für das Studium des Bauingenieurwesens entschieden; aber sein Interesse an Philosophie oder Soziologie war fast genauso groß. Wie sein Tagebuch verrät, wollte er mehr verstehen lernen als rein technische Zusammenhänge, und er wollte selbst später im Beruf mehr sein als nur ein Rädchen im Getriebe. Mit Blick auf eine eventuelle spätere Tätigkeit als Dozent vertraut er seinem Tagebuch an: "Der Professormuß mehr sein als nur eben ein Mann, der seine Materie so gut er kann vorträgt, um sich dann damit zu bescheiden. Er muß mehr sein: ein Freund, ein Ratgeber seiner Schüler, er muß sich persönlich für sie interessieren und ihnen die richtigen Wege weisen, und zwar nicht nur beruflich, sondern auch moralisch."

Als Siebzehnjähriger hatte sich Mario einer Jugendgruppe der Schönstattbewegung angeschlossen. Was ihn hier faszinierte, war nicht zuletzt die Art zu beten: Einfach alle alltäglichen Sorgen und Freuden mit eigenen Worten vor Gott zu tragen. In seinem Tagebuch benutzt er später fast zärtliche Wendungen, um Gott oder auch Maria anzureden.

Im Studium empfindet Mario dann allerding seine starke Spannung: In Technik und Naturwissenschaften ist von Gott nie die Rede. DieWelt scheint keine Transzendenz zu kennen, wird nicht als Schöpfung gesehen. Die Analyse des angehenden Ingenieurs fällt nüchtern aus: "Das Christentum ... war nicht in der Lage, dieEntwicklung der Naturwissenschaften aufzufangen und sie in eine theozentrische Denkstruktur zu integrieren", schreibt er ins einem Tagebuch. Die Christen selbst hätten es versäumt, moderne Erkenntnis und den Glauben miteinander zu verbinden.

Der angehende Wissenschaftler hält es allerdings für sinnlos, diese Spannung rein theoretisch bewältigen zu wollen. Technik, Naturwissenschaften und den christlichen Glauben könnten letztlich nur Techniker und Naturwissenschaftler verbinden, die an ihrem Arbeitsplatz bewußt als Christen zu leben versuchten. "Somit brauchen wir Ingenieure, die den vitalen Begriff der Ingenieurwissenschaften umgestalten, indem sie einfachanders leben, bis in Ietzte Konsequenzen." Der Techniker hatte sein Lebensideal gefunden.

1954 konnte Mario Hiriart sein Studium abschließen. Seine erste Stelle fand er bei einer für den Staat tätigen Ingenieurgruppe, der CORFO. Seine Aufgaben erledigte er mit viel Elan, wie sich ein Kollege erinnert: "Mario begriff die technische Arbeit auf eine Weise, daß sie Freude machte und zur Leidenschaft wurde, selbst wenn es sich um trockene Materie handelte." Unter den Kollegen gründete Mario Hiriart eine katholische Gruppe, die sich jeweils nach dem Mittagessen zur Diskussion traf.

Mario Hiriart hatte Freude am Beruf und am Zusammensein mit christlichen Kollegen; aber richtig ausgefüllt fühlte er sich nicht. Sollte er Priester werden, wie mancher Freund aus der Jugendarbeit? Damit wäre er seinem ursprünglichen Ideal eines christlichen Ingenieurs untreu geworden. Mario wollte ganz bewußt als Laie leben, wollte in einem ganz normalen Alltagsleben christliche Werte bezeugen, nicht als Geistlicher oder Ordensmann. Aber war das, was er als Mitarbeiter der CORFO für sein Ideal eines christlichen Ingenieurs tun konnte, schon alles? Das Tagebuch verrät die Unsicherheit. Immer wieder bittet er Gott, sein Leben ganz in die Hand zu nehmen.

Kurz vor Marios sechsundzwanzigstem Geburtstag sind schließlich mehrere Entscheidungen gefallen: Mario strebt eine Tätigkeit als Dozent an, um ganz nach seiner früheren Idealvorstellung neben seiner Lehrtätigkeit den Studenten auch in ethischer Hinsicht zur Seite stehen und Vorbild sein zu können. Bewußt verzichtet er auf eine Ehe, weil er sich mit ganzer Kraft seinem Lebensziel widmen will, die christlichen Ideale in die Welt der Technikzu übersetzen. Gleichzeitig sucht er aber auch den Rückhalt in einer Gemeinschaft.

Im Februar 1957 tritt er dem Säkularinstitut der Schönstätter Marienbrüder bei. Nach dem Noviziat in Brasilien kehrt Mario Hiriart Anfang 1960 nach Santiago de Chile zurück und wird Dozent an der Ingenieurwissenschaftlichen Fakultät der Katholischen Universität. Er sucht den persönlichen Kontakt zu seinen Schülern,begleitet Studentengruppen. Für Jugendgruppen aus der Schönstattbewegung ist er als Betreuer da, fährt mit auf Zeltlager, besucht immer wieder einzelne Jugendliche. Wenn doch einmal freie Zeit bleibt, sitzt er stundenlang in der Universitätsbibliothek, liest Werke über Kunst und Malerei, aber auch die gerade erschienenen Bücher Teilhard de Chardins. Mario Hiriart gönnt sich kaum Entspannung, aber er wirkt glücklich. Seine Tagebuchaufzeichnungen verraten, daß er Gott sein ganzes Leben als Opfer für seine Ideale angeboten hat.

Bereits während des Noviziats in Brasilien hatte Mario Hiriart häufig mit heftigen Kopfschmerzen gekämpft. Seit der Rückkehr nach Chile kamen Schlafstörungen und Verdauungsprobleme dazu. Mario konnte immer weniger essen und magerte zusehends ab. Auf seiner Stirn zeichneten sich Geschwüre ab. Aber erst bei einem Aufenthalt in Milwaukee (USA) 1964 bestätigen die Ärzte die Befürchtungen: Mario Hiriart hat Krebs. Bestrahlungen und Operationen kommen zu spät. Am 15. Juli stirbt er.

An der katholischen Universität in Santiago, beider CORFO, bei Jugendlichen und Studenten blieb Mario Hiriart unvergessen. Viele sahen ihnso, wie es ein Freund einmal ausgedrückt hatte, als "einen Menschen, mit dem man Probleme der Erde besprechen konnte ..., einen Menschen mit einer sehr tiefen Erfahrung von allem Menschlichen", der sich gleichzeitig "in der Welt Gottes wie daheim im eigenen Haus" gefühlt habe. Ernst M. Kanzler (Vallendar), der heutige Generalobere der Schönstätter Marienbrüder, sieht ihn geradezu als Propheten: Mario Hiriart habe die Vision des Zweiten Vatikanischen Konzils von der christlichen Durchsäuerung der heutigen Welt praktisch vorweg genommen. "Er mag Zuversicht geben und uns helfen, auch unseren Weg zu finden."

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Letzte Aktualisierung: 05.10.98, 02:45
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