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 published: 2006-05-26


 

Aufrecht – aufrichtig – Richtung gebend

Menschen, die sich für die Gerechtigkeit eingesetzt haben - Pater Josef Kentenich

 

Vortrag von P. Elmar Busse, Stuttgart, mit anschl. Gespräch am Samstag, den 27.Mai 2006 16.30-17.30 Uhr auf dem 96. Katholikentag in Saarbrücken

Liebe Besucher dieses Forums

Wir haben das Kurzvideo über das Leben von Pater Kentenich gesehen. Darin klangen schon zwei Felder an, in denen sich der Konflikt zwischen Kentenich und seiner Umgebung zuspitzte: einmal die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und zum andern die Auseinandersetzung mit der Kirche selber.

Aus welchem Holz ist dieser Mann geschnitzt?

Einer der älteren Mitbrüder, die über die endgültige Aufnahme des Studenten Kentenich in die Gemeinschaft der Pallottiner zu entscheiden hatten, meinte: "Er hat das beste Zeug zu einem Häretiker. Er hat eine ausgezeichnete Intelligenz, und er ist sehr selbständig im Urteil. Er geht einen gefährlichen Weg." Die Entscheidung fiel gegen Kentenich aus 3:2. Pater Kolb (der damals Rektor des Limburger Hauses und Mitglied der Provinzkonsulta war) redete mit dem Studenten Kentenich und brachte auch die Bedenken gegen ihn zur Sprache. Daraufhin meinte Kentenich:

"Von Angesicht zu Angesicht werde ich stets hart sein, aber hinter Ihrem Rücken können Sie sicher sein."

Daraufhin bemühte sich Pater Kolb, einen seiner Mitbrüder umzustimmen und die Entscheidung noch einmal auf die Tagesordnung zu setzen. Am 24.8.1909 wurde der Student Joseph Kentenich mit 3:2 Stimmen zur ewigen Profess zugelassen.

(Quelle: E. Monnerjahn, P.Joseph Kentenich. Ein Leben für die Kirche, S. 53f)

Diese Momentaufnahme im Leben des 23-jährigen Studenten macht deutlich, dass er keinen Konflikt scheute, andererseits durchaus ein Gespür für Loyalität und Disziplin hatte.

Eine weitere Momentaufnahme:

Im Herbst 1915 kommt der General der Pallottiner nach Deutschland zur Visitation. Der junge Pater Kentenich erzählt in aller Offenheit von seinem neuartigen Stil der Erziehung des Ordensnachwuchses, von dem Raum für Eigeninitiative, den er seinen Schülern lässt, von der Marianischen Kongregation – eine damals durchaus übliche Institution und Gemeinschaft in katholischen Internaten -, die er gegründet hat, um das selbständige Streben der Jungen in Gemeinschaft zu fördern. Pater Gissler hört sich das alles kommentarlos an. Als nach ein paar Tagen der Generalobere schon aus dem Haus ist, meint ein Mitbruder schadenfroh zu Kentenich: Der General wird diesem ganzen Zauber ein Ende machen. Daraufhin fährt Kentenich mit der Straßenbahn dem General Gissler nach und trifft ihn auf dem Bahnhof Ehrenbreitstein. Dort auf dem Bahnsteig kurz vor dessen Abfahrt nach Limburg kommt es zum denkwürdigen Schlagabtausch: Gissler: Was Sie da alles machen, das kann ich vor Pallotti nicht verantworten!" (Das ist bei mir immer so: Wenn’s hart auf hart geht, dann bin ich sehr ruhig und kühl. Da sage ich:) "Ja, aber ich kann’s verantworten." – Am Ende sagte Gissler: "Sie werden von mir hören!"

Er hörte nichts mehr und konnte seinen Stil der Arbeit mit den Schülern fortsetzen.

1. Die Auseinandersetzung mit dem damaligen vorherrschenden Klima

In einem kirchlichen Klima,

  • in dem die Art der Demutserziehung zu chronischen Minderwertigkeitsgefühlen führte,
  • in dem die Pflege des Gehorsamsgeistes zu Unselbständigkeit und Verantwortungslosigkeit führte,
  • in dem man "Wahrheit" sagte und Macht meinte,

musste ein Mann wie Kentenich anecken. Gleichzeitig konnte er durch die vielen Diskussionen aber auch seine innere Grundüberzeugung besser benennen. Er sprach später von eingeborenen Ideen, die einfach in ihm schlummerten und die er nicht durch irgendeinen nachweislichen erzieherischen Einfluss von außen übernommen hatte.

In einem Schreiben an die deutschen Bischöfe 1951 formuliert er sein Bild vom neuen Menschen so:

"Das damit gezeichnete Ideal ist ewig alt und ewig neu. Ewig alt, weil alle Jahrhunderte danach gerungen; ewig neu, weil die erbsündlich belastete Natur immer Abstriche macht und sich in bürgerlicher Sattheit ausruhen und mit nivellierender Mittelmäßigkeit zufrieden geben möchte. Der hier gemeinte »neue Mensch« ist der

  • geistbeseelte und
  • idealgebundene Mensch,
  • fern von aller Formversklavung und Formlosigkeit.

Die »neue Gemeinschaft« löst sich - ohne formlos zu sein - von allem seelenlosen Formalismus, vom mechanischen, bloß äußerlichen Nebeneinander; sie ringt um tiefe, innerseelische Verbundenheit: um ein seelisches Ineinander, Miteinander und Füreinander, um ein in Gott verankertes, stets wirksames Verantwortungsbewusstsein füreinander, das Individuum und Gemeinschaft auf die Bahn des universellen Apostolates drängt und dort fruchtbar werden lässt." (Schlüssel zum Verständnis Schönstatts, in: KENTENICH, Joseph, Texte zum Verständnis Schönstatts, Vallendar 1974, S. 148-228, 149)

2. Richtung gebend für Andere

Doch machen wir noch einmal einen Sprung zurück in das Jahr 1916. Am 5.März 1916 lag die erste Nummer der Zeitschrift "MTA" druckfrisch vor. Sie trug den Untertitel: "Gegenseitige Anregungen im Kampfe für unsere bedrohten Ideale in schwerer Zeit." Nach dem 1.Weltkrieg wurde der Untertitel gekürzt auf "Gegenseitige Anregungen". Pater Kentenich als Schriftleiter hatte diese Zeitschrift nicht als Einbahnstraßenkommunikation konzipiert, bei der er die klare Rolle des Inspirators inne hätte. Er wollte mit dieser Zeitschrift den Erfahrungsaustausch unter den Jugendlichen anregen und intensivieren. Damit verbunden war die Ermutigung, den eigenen Erfahrungen zu trauen. Pater Kentenich war also nicht nur einer, der selber aufrecht seinen Weg ging. In seinem Umfeld konnten auch andere den aufrechten Gang lernen.

2.1. Am profiliertesten wird das sichtbar in der Entscheidung des Schönstätters und Pallottinerpaters Franz Reinisch, der den Fahneneid auf Hitler aus Gewissensgründen verweigerte und dafür am 21.8.1942 in Brandenburg hingerichtet wurde.

Der Berliner Politologe Peter Grottian berichtet von Experimenten, bei denen in mehr als der Hälfte aller Fälle eingegriffen wurde, wenn in der U-Bahn Ausländer belästigt wurden. Sexuelle Belästigung führte übrigens nur in einem Drittel der Fälle zum Eingreifen. Entscheidendes Resultat der Studie ist aber, sowohl das Nichtstun als auch das Eingreifen entfalten eine beträchtliche Eigendynamik. Zivilcourage nützt. Sobald sich eine Person zum Handeln aufrafft, findet der Helfer weitere Helfer, die das Risiko verminderten und den Erfolg der Intervention wahrscheinlicher machten. Diese Helferpersönlichkeit lässt sich nicht in gängige soziologische Kategorien einordnen. Sozialer Mut gedeiht weder in hochgebildeten noch überdurchschnittlich gläubigen Milieus besonders üppig. Sein Vorkommen ist unabhängig von Einkommen, vom IQ, von ethischen Überzeugungen, vom gesellschaftlichen Status, oder politischer Gesinnung. Die besten Voraussetzungen für das Gedeihen von Zivilcourage sind laut diesen Forschungen

  • Ein vertrauensvolles Verhältnis zu wenigstens einem Elternteil
  • Das Vorgeben von Normen, die begründet werden, aber veränderbar bleiben,
  • und das wichtigste von allem: einen Menschen gekannt zu haben, dessen Mitmenschlichkeit durch nichts und niemandem gebeugt werden konnte

Franz Reinisch war der einzige Priester, der den Fahneneid auf Hitler aus Gewissengründen verweigert hatte. Gedrängt von seinen Mitbrüdern und Obern, doch den Fahneneid zu leisten, meinte er: "Der einzige, der mich von meinem Entschluss abbringen könnte, wäre Pater Kentenich, und der hat mich zu diesem Schritt ermutigt und ist jetzt selber im KZ."

2.2. Ein zweites Lebensschicksal mag etwas von der Atmosphäre wiedergeben, die um Pater Kentenich herrschte. Der erste Schönstätter, der selig gesprochen wurde, ist Karl Leisner. Als Tbc-kranker Diakon kam er ins KZ Dachau – (inhaftiert am 9.11.39, ab März 40 im KZ Sachsenhausen, ab 8.12.40 in Dachau) Immer wieder flammte in dem Diakon der Wunsch nach der Priesterweihe auf, ohne dass es unter diesen Umständen eine Aussicht gab, dass dieser Wunsch in Erfüllung gehen konnte. Doch als am 6.9.1944 der Bischof von Clermont-Ferrand, Gabriel Piquet, in Dachau eingeliefert wurde, tat sich auf einmal eine Tür auf. Unter größter Geheimhaltung und durch den Wagemut einiger Eingeweihter innerhalb und außerhalb des Lagers kam es am 17.12.1944 zur Priesterweihe auf dem Block 26. Am Stephanustag, dem 26.12. konnte er seine Primiz in der Blockkapelle feiern. Als die Paketsperre aufgehoben wurde, ließ er sich seine Gitarre ins KZ schicken, um seinen Mithäftlingen in der Krankenbaracke immer mal wieder eine kleine Freude zu bereiten. Am 12.8.1945 starb er an der damals nicht heilbaren Tbc. Sein letzter Tagebucheintrag einige Tage vorher lautete: "Segne auch meine Feinde." – In einem KZ nicht nur ans Überleben zu denken sondern an die Verwirklichung eines Lebenstraumes –wie viel seelische Stärke verbirgt sich hinter dieser Treue zu sich selbst! – Leisner hatte 1933 als 18jähriger Kontakt zu Schönstatt bekommen. Es wurde die geheime Quelle seines Lebens und Arbeitens für die katholische Jugend in seiner niederrheinischen Heimat und in der Diözese Münster. In Dachau gehörte er zu einer der illegalen Schönstatt-Gruppen, die sich dort bildeten.

Diese beiden Menschen stehen für viele, die in der Begegnung mit Pater Kentenich mehr zu sich selbst gefunden haben und das Beste aus sich gemacht haben.

Kommen wir wieder zurück zu Pater Kentenich. In der Kürze der Zeit kann ich nur einige Momentaufnahmen nachzeichnen.

3. Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus

möchte anhand seiner Entscheidung zum illegalen Briefverkehr darstellen.

Nach dem Hungersommer 1942 fiel im Oktober die Paketsperre. Briefe durften auch schon vorher geschrieben und empfangen werden. Pater Kentenich tarnte in seinen Briefen die Umschreibung der Zustände im Lager, indem er von Korinth schrieb und dem hl.Paulus Ansichten und Tätigkeiten zuschrieb, die mit dem biblischen Paulus wenig, aber viel mit Kentenich selber zu tun hatten. In der Zensurstelle für die abgehende Post wirkte der einzelne Brief harmlos: Bibelsprüche und theologische Fragen. Diese Briefe wurden in Schönstatt gesammelt und vervielfältigt. Bei der Hausdurchsuchung einer Schönstätterin stieß die Gestapo auch auf diese Briefsammlung. Aus dem Zusammenhang fanden die Beamten ohne Schwierigkeiten heraus, dass die angeblichen Paulusstudien nichts anderes waren als die Beschreibung der Zustände im KZ. Daraufhin wurden alle Briefe an Kentenich von der Gestapo abgefangen und seine Briefe nicht den Adressaten sondern der Gestapo Koblenz zugestellt. Nun war aber die illegale Post unter strengste Strafen gestellt, die nicht nur den Schreiber, sondern auch die Mithäftlinge der gleichen Stube oder desselben Blockes treffen konnte. Aus diesem Grunde sahen viele Mithäftlinge in dem Versuch, Schwarzpost aus dem Lager zu schmuggeln, eine verantwortungslose Unvorsichtigkeit und ein Verstoß gegen die Nächstenliebe gegenüber den Mithäftlingen. Wie nun entschied sich der Häftling Kentenich?

  1. Das politische System ist ein Unrechtssystem. Was mir hier verboten wird – dazu hat diese Diktatur kein Recht, mir das zu verbieten, also bin ich auch nicht im Gewissen an dieses Verbot gebunden.
  2. Ich bin und bleibe der Gründer der Schönstatt-Bewegung. Das ist meine Aufgabe, die der liebe Gott mir zugedacht hat. Wenn ich mich in meinen illegalen Aktivitäten nur dem Wachstum der Bewegung und dem spirituellen Reifen der Einzelmitglieder und Teilgemeinschaften widme, dann kann das nicht gegen den Willen Gottes sein.
  3. Durch die illegale Post sollten unter keinen Umständen Informationen über die Zustände im Lager nach draußen befördert werden. In diesem Punkt war die Lagerkommandantur besonders empfindlich, weil immer wieder Nachrichten über die unmenschlichen Verhältnisse in Dachau an Radiostationen und Zeitungen im Ausland gelangten.
  4. Man wollte sich immer um den Weg bemühen, der nach menschlichem Ermessen die größte Sicherheit vor einer Entdeckung bietet.

Unter den verschiedenen Wegen nach draußen erwies sich der Weg über die Plantage mit den Gewächshäusern und dem Blumenladen als der sicherste und effektivste. Pater Fischer, ein Schönstätter und enger Vertrauter Pater Kentenichs wurde am 25.3. 43 auf die Plantage versetzt. Ein polnischer Priester, der im Laden arbeitete, führte ihn in die Tricks ein.

Die einkommende Post lief über den Mithäftling und Mitbruder, Pater Alebrod, der in der Poststelle für Päckchen zuständig war. Also trafen bald Päckchen ein, deren Inhalt aus vielen eng zusammengedrückten Briefen bestand.

So konnte Pater Kentenich von Dachau aus seine Bewegung durch diese schwierige Zeit gut begleiten und führen.

4. Die Auseinandersetzung mit der Kirche

Viel schwieriger als die Gewissensentscheidung zum illegalen Briefverkehr erwies sich in den folgenden Jahren der Konflikt zwischen der Treue zu seiner Sendung und der Loyalität gegenüber der Kirche.

Auch hier wieder nur Momentaufnahmen:

Einige Worte zum Hintergrund: Nach dem Ende der Nazidiktatur und des Krieges sowie nach der Heimkehr des Gründers nach Schönstatt am 20.Mai 1945 war ihm klar: Die Schönstatt-Spiritualität hatte unter den extremen Belastungen der Verfolgung und Unterdrückung den praktischen Beweis geliefert, dass sie nicht nur eine Schön-Wetter-Spiritualität war, sondern Menschen helfen konnte, auch in großem seelischen Leid nicht zu zerbrechen oder verbittert zu werden, sondern reifer, widerstandfähiger und barmherziger. Die gelungene Verbindung von Psychologie, Pädagogik und Seelsorge, die Synthese von Glauben und Leben, die Eckpfeiler einer biblisch begründeten Bündnisspiritualität und Werkzeugsfrömmigkeit sowie die Konzentration auf die Werktagsheiligkeit hatte zu einem neuen Miteinander von Priestern und Laien, zur Bildung von einem Netzwerk verschiedenster Gruppierungen und das alles im Klima einer großen Freiheit geführt. Hier wurde nicht nur ein neuer Seelsorgsstil kreiert, sondern ein neues Bild von Kirche praktisch gelebt, das seine Modernität und Zukunftsträchtigkeit schon unter Beweis gestellt hatte. Pater Kentenich hoffte daher, dass sich die deutschen Bischöfe hinter Schönstatt und seine Spiritualität stellen würden wie es die portugiesischen Bischöfe im Blick auf Fatima getan hatten. Er regte von sich aus eine bischöfliche Studienkommission an. Doch dieser Versuch scheiterte am Misstrauen kirchlicher Verantwortungsträger gegenüber diesem psychologisch orientierten Stil der Seelsorge. In der Psychologie sah man vielfach das Trojanische Pferd, das – war es erst einmal in der Kirche – seine ganze zerstörerische Kraft entfalten würde. Der Visitator des Heiligen Offiziums, der Nachfolgeinstitution der Inquisition, verfügte die Verbannung. Wir hörten es schon im eingangs gezeigten Video.

Am 19.April 1951 kam Pater Kentenich von Brasilien nach Rom. Anfang Mai ergab sich dort ein Gespräch zwischen Pater Kentenich und dem Visitator, in dem dieser Pater Kentenich nahe legte, sich freiwillig von seinem Werk zu trennen, um auf diese Weise mit zur Lösung der Probleme beizutragen. Willige er von sich aus in die Trennung ein, so bestehe immerhin die Aussicht, dass er irgendwann zu seinem Werk zurückkehren könne. Müsse die Trennung dagegen befohlen werden, so dürfe er mit dieser Aussicht nicht rechnen. Pater Kentenich erbat sich Bedenkzeit, um seine Entscheidung, die er augenblicklich im Herzen schon getroffen hatte, auch mit einem Mitbruder besprechen zu können. Diesen Mitbruder, Pater Alex Menningen, fragte er dann unter vier Augen: "Alex! Gehst Du mit?" In dieser Not sollte sein Mitbruder das Ja stellvertretend für die ganze Bewegung mitsprechen. Beide waren sich über die Tragweite voll im Klaren. Die Antwort an den Visitator lautete: "Aus Treue zu meinem Werk kann ich nicht an eine freiwillige Trennung denken. Aber einer entsprechenden Anordnung der kirchlichen Autorität werde ich selbstverständlich sofort Folge leisten."

Pater Kentenich durfte zwar noch am 7.Mai nach Schönstatt fahren und dort einige Tagungen halten, aber am 30.9. verfügte der Visitator, dass Kentenich nach dem 19.Oktober sich nicht mehr in Schönstatt aufhalten dürfe. So ging er erst in die Schweiz (22.10.) und dann nach Rom (23.11.) Am 1.12. erhielt er die Anweisung, Europa zu verlassen und im Januar 52 wurde ihm Milwaukee/USA als Wohnsitz zugewiesen. Dort musste er bis 1965 auf seine Rehabilitierung warten.

Er bekam weder eine Anklageschrift, in dem die Beschuldigungen gegen ihn genannt wurden. Erst recht bekam er keinen Prozess, in dem objektiv Schuld oder Unschuld nach redlicher Prüfung des Für und Wider hätte festgestellt werden können. Die demütigenden Verfügungen, die allen möglichen Verdächtigungen und Verleumdungen Tür und Tor öffneten, waren rein adminstrativer Art.

Die Machtfülle des Heiligen Offiziums, die nicht noch einmal durch ein Kontrollorgan eingeschränkt wurde, musste zwangsläufig die Beamten dieser Institution in den Machtmissbrauch hineinschlittern lassen.

Da sich Kentenich keiner Schuld bewusst war, sah er auch keinen Grund, von sich aus von seinen Ämtern und Aufgaben zurückzutreten. Er blieb sich selber und seiner Sendung treu, was ihm – nicht erst ab diesem Moment – den Vorwurf der Überheblichkeit einbrachte.

Vor seinem Goldenen Priesterjubiläum 1960 verfasste er noch einmal eine groß angelegte Verteidigungsschrift. Er war ein leidenschaftlicher Kämpfer für die Wahrheit und Gerechtigkeit. Doch gleichzeitig war diese Leidenschaft noch einmal umfangen von einer größeren Leidenschaft, der Liebe zur Kirche. Als er dann endlich 1965 rehabilitiert wurde, meinte er zu einem seiner treuen Weggefährten: Auf meinem Grabstein soll einmal stehen: "Er liebte die Kirche." So können Sie es heute auch an seinem Sarkophag lesen – allerdings auf Latein: "Dilexit ecclesiam." Kentenich unterscheidet sich in dieser barmherzigen Weite wohltuend von anderen bitter gewordenen Reformern der Kirche, die angesichts der Enge und Ängstlichkeit von Verantwortungsträgern in der Kirche ihr Heil in Kurzschlusshandlungen oder medial bestens aufbereiteten Klageliedern suchten. So sehr und so hart Kentenich mit den römischen Stellen um sein Recht gekämpft hat – so hat er es doch stets abgelehnt, mit seinem Fall in die Öffentlichkeit zu gehen und auf diesem Umweg Druck auszuüben. Nur ein Gerechtigkeitgefühl, das noch einmal umfangen wird von der je größeren Liebe wird den Gerechtigkeitskämpfer davor schützen, sich auf das Niveau der Auseinandersetzung seiner Gegner herabziehen zu lassen.

Für mich, der ich in einer Diktatur groß geworden bin, war die Unbeugsamkeit eines Josef Kentenich und eines Franz Reinisch faszinierend. Da findet jemand die Kraft, gegen die deutliche Übermacht und im Wissen um die eigene Ohnmacht seinen Weg zu gehen, sich selber und damit seiner gottgewollten Sendung treu zu bleiben. Wenn ich mal eine Kentenich-Biographie schreiben sollte, sie hätte die Überschrift: Mit Rückgrat und Herz.


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