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 published: 2006-01-24

Mehr Tiefe

Ansprache von Pater Elmar Busse am 18. Januar in der Anbetungskirche, Bündnisfeier

Im Sommer 2005 wurde in Südindien ein ehrgeiziges Projekt in Angriff genommen: Zwischen Sri Lanka und Südostindien soll der Meeresboden so tief und so breit ausgebaggert werden, dass große Schiffe nicht mehr den 780km Umweg um Sri Lanka wählen müssen, sondern direkt entlang der Südostküste Indiens ihren Weg nehmen können. Bis jetzt verhindert das Riff Adams Bridge zwischen Dhanushkodi auf indischer und Talaimannar auf ceylonesischer Seite den direkten Seeverkehr rund um Indien. Die Idee zu diesem Kanal im Meer hatten schon die Engländer vor rund 150 Jahren. Doch erst jetzt paart sich politischer Wille mit gestalterischer Energie und technischem Know how für dieses 550 Millionen Dollar teure Projekt. 82 Millionen Kubikmeter Seeboden müssen bewegt werden, bis 2008 der Kanal eröffnet werden soll. Schiffe sparen durch diese Abkürzung ca. 30 Stunden. Nur für riesige Öltanker und Flugzeugträger wird der 12m tiefe und 300m breite Kanal noch zu flach sein. (Zum Vergleich: Der Suezkanal ist durchgängig 21m tief und 180m breit). Indien erhofft sich von diesem Projekt den wirtschaftlichen Aufschwung der regional wichtigen Häfen wie Chennai (=Madras), Ennore, Paradip, Tuticorin und Visakhapatnam. Bisher wurden die Waren für Südindien im Hafen von Colombo, der Hauptstadt von Sri Lanka, auf kleinere Schiffe verladen, um sie dann in die indischen Häfen zu befördern. Dieser Umweg fällt weg.

Wie immer bei solchen Großprojekten gibt es warnende Stimmen von Umweltschützergruppen, die lieber alles so belassen wollen, wie es ist.

Bevor ich von diesem Kanalbauprojekt erfuhr, glaubte ich mit größter Selbstverständlichkeit, dass alle Schiffe durch diese Meerenge fahren können. Irrtum! Erst der neue Kanal im Meer, "Sethusamudram" (=Brücke über das Meer) wird das ermöglichen.

Dieser Kanalbau ist für mich ein Symbol für eine Problematik, mit der alle religiösen Gruppen und die Kirche als Ganzes zu ringen haben: Wie gewinnen wir an Tiefe? Wie schützen wir uns vor Verflachung?

Als 1964/1965 das Heiligtum in Cambrai geplant und gebaut wurde, da erklärten die engagierten Schönstätter den Josef Engling zum Patron Europas und zum Brückenbauer zwischen Frankreich und Deutschland. Als der Gründer im Herbst 1965 zunächst nach Rom und ab 24.12. nach Schönstatt kam, erzählte man ihm von dieser neuen Sicht Josef Englings. Er war darüber gar nicht begeistert, sondern fand diese Sicht auf einen Schönstätter aus der ersten Stunde als Verflachung. Da müsse man tiefer graben, meinte er. Für Pater Kentenich war Josef Engling die "gelebte erste Gründungsurkunde". Mit anderen Worten: Für den Entwickler einer neuen Pädagogik und Spiritualität war Josef Engling der praktische Beweis, dass man auf diese neue Weise heilig werden kann. Ähnlich war ja auch für Don Bosco das Leben und Sterben des Dominikus Savio der praktische Beweis, dass seine neuartige Pädagogik zur Heiligkeit führte. Don Bosco wie Josef Kentenich wurden ja nicht nur bewundert sondern auch ganz massiv angegriffen – gerade von Leuten, die sich für sehr katholisch hielten und sich ein Urteil anmaßten, was katholisch sei und was nicht. In einem solch argwöhnischen Klima sind die praktischen und lebendigen Beweise die wichtigsten.

Inzwischen ist die Schar der Schönstätter, die im Rufe der Heiligkeit gestorben sind, gewachsen. Schon 1939, zum 25jährigen Jubiläum Schönstatts stellte Pater Kentenich voller Dankbarkeit fest:

Als ein besonderes Gnadengeschenk dürfen wir die Tatsache buchen, dass die Familie als Gesamtheit am Jubiläumstage so reif geworden und sich so tief in den Geist des Gründungskontraktes und der Weihe hinein gelebt, dass sie sich bereit erklärt, der Dreimal Wunderbaren Mutter von Schönstatt nicht nur alle Fähigkeiten der Seele und des Leibes, nicht nur alle geistigen und irdischen Besitztümer, sondern auch das eigene Leben ganz und immer für ihr Werk anzubieten. Es ist ein überaus beglückendes und beschwingendes Bewusstsein, zu wissen, dass alle, die mit uns in diesem Augenblick in unserem kleinen Heiligtum sich zusammenfinden, der Dreimal Wunderbaren Mutter von Schönstatt vollständige Blanko-Vollmacht über sich und ihr Leben gegeben …Und ob am Ende der kommenden 25 Jahre die Familie sich um die Heiligsprechung eines zweiten Josef Engling bemühen darf? Gott gebe es!"

Wir spüren aus diesen Zeilen, dass es Pater Kentenich nicht um schnellen Erfolg oder Effekthascherei ging. Er leistete solide Aufbauarbeit, stellte an sich höchste Ansprüche, aber auch an andere. Christsein bedeutete für Kentenich "heilig werden wollen". Mit Lauheit hatte er nichts am Hut.

Weil Pater Kentenich wusste, dass die Familie ihn liebt, hat er am 20. Januar den risikoreicheren Weg gewählt, um seine Familie zu mehr Tiefe anzuspornen.

Wenn Eltern sich um ihre Kinder Sorgen machen, dann beten sie intensiver, als wenn alles glatt läuft. Umgekehrt galt es auch für das Verhältnis Gründer-Bewegung."

Wo Menschen aus ihrer seelischen Tiefe leben, wo sie in enger Beziehung zu Gott ihren Alltag gestalten, da wirken sie faszinierend und attraktiv auf andere. Was unsere Kirche heute braucht, sind solche Christen mit Tiefgang. Viele suchende Menschen bräuchten nicht den langen Umweg über alle möglichen esoterischen Seminare und Meditationskurse zu machen, wenn ihre – oft etwas nebulöse und unbestimmte - Sehnsucht nach Tiefe und Sinn des Lebens auf ein entsprechendes Angebot in den Pfarreien treffen könnte. Manchmal ergeben sich ja Gespräche, wo wir am Anfang noch nicht ahnten, worauf der Andere hinaus wollte. Wenn wir weit genug sind, um seine Zweifel und Probleme annehmen und mittragen zu können, und wenn wir tief genug sind, um mit seinen Leiden und Freuden mitschwingen zu können, dann öffnen sich überraschende Tore hin zum Göttlichen.

Wir dürfen die Gottesmutter darum bitten, dass Sie uns einen Bagger schickt, der so manche Oberflächlichkeit aus unserer Seelenlandschaft wegbaggert und uns neue Tiefen schenkt. Wenn wir uns täglich etwas Zeit nehmen, um hinter dem Erlebten Gottes leise Stimme zu hören, dann sind wir auf einem guten Weg.


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Last Update: 24.01.2006 Mail: Editor /Webmaster
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