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 published: 2005-03-11

Die schwerste Zeit seines Lebens

Drei Monate vor dem 18. Oktober 1914: Stimme Gottes oder Größenwahn? – Momente aus dem Leben Pater Kentenichs

Pater Josef Kentenich

 
 

Urheiligtum und Altes Haus

 
 

Michaelskapellchen heute innen

 

SCHÖNSTATT, mkf. Eine Kindheit ohne Vater. Waisenhaus. Schwere Krankheit. Mehrere Wochen Dunkelhaft, dann Gestapogefängnis. Dreieinhalb Jahre Dachau, Konzentrationslager, mit Hungersommer 1942, mit Epidemien, mit Freunden an seiner Seite, die den Grausamkeiten, dem Hunger und den Krankheiten zum Opfer fielen. Vierzehn Jahre Exil. Gefragt, was die schwerste Zeit in seinem Leben war, nennt er nicht eine von diesen. Er nennt die Zeit vom 18. Juli bis zum 18. Oktober 1914.

Eine schwere Zeit in Deutschland, zweifellos. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs liegt darin. Doch das ist es nicht, was diese Zeit für Pater Josef Kentenich, 29 Jahre alt, zur schwersten seines Lebens macht.

Auf einer Totenstadt eine Stadt des Lebens

Schönstatt ist entstanden, weil Pater Kentenich regelmäßig die Zeitung gelesen hat. "Auf einer Totenstadt eine Stadt des Lebens" – unter diesem Titel ist am 18.7.1914 in der "Allgemeinen Rundschau" ein Artikel erschienen, verfasst von Geistl. Rat Cyprian Fröhlich aus Altötting, Präsident des Seraphischen Liebeswerkes. In elegischer Breite schildert dieser dort seinen Besuch in Valle di Pompei, das er besucht hat, um sich die karitativen Werke Bartolo Longos anzuschauen. Wie dieser, so arbeitet auch Pater Fröhlich für "arme Kinder verwahrloster Eltern". In Form eines persönlichen Erlebnisberichtes nennt Pater Fröhlich kurz das "Heiligtum von Valle di Pompei", erwähnt die "wunderbare Entstehung der Wallfahrtskirche und des ganzen Wallfahrtsortes", vor allem aber seine Begegnung mit Bartolo Longo, wobei er sein Bedauern darüber ausdrückt, erst später von der Entstehung des Heiligtums und der Lebensgeschichte dieses Mannes erfahren zu haben. Der Artikel beschreibt dann über mehrere Abschnitte hinweg die baulichen und pädagogischen Gegebenheiten der Kinderheime. Erst die beiden letzten Abschnitte kreisen um das Geheimnis von Valle di Pompei: die innere Anregung Bartolo Longos, das Rosenkranzgebet zu verbreiten, die kurze Feststellung, dass daraufhin dort ein Wallfahrtsort entstanden sei, der Jahr für Jahr von einer Million Menschen besucht wird, "an manchen Festtagen allein 50.000", und dann der Hinweis darauf, dass die "Madonni di Pompei" "unwiderlegliche Wunder gewirkt" habe. Und wenn dies nicht so wäre, "dann wäre es das größte Wunder, dass ein unbekannter Advokat nach dem Jahre 1871 in dem modernen Italien auf den Trümmern einer heidnischen Stadt einen Wallfahrtsort gründen konnte."

Wäre es nun nicht möglich...?

Im Juli 1914 war das alte Michaelskapellchen für die Versammlungen der "Marianischen Kongregation", gegründet im April 1914, zur Verfügung gestellt worden.

In Pater Kentenich verbinden sich das Kapellchen und der Artikel über den Wallfahrtsort in Italien. In seinem Herzen steht die Frage: Wäre es nicht möglich, dass hier an diesem Ort und mit diesem Kapellchen auch eine besondere Initiative Gottes verbunden sein könnte?

Im Vortrag vom 18. Oktober spricht er von einer "kühnen Idee", "fast zu kühn für die Öffentlichkeit". Er spricht davon, dass die Gottesmutter hier "Wunder der Gnade wirken" könne – ein Anklang an den Artikel über Valle di Pompei. Diese kühne, fast zu kühne Idee ist es, die Pater Kentenich mit sich trägt seit dem Tag, an dem er den Artikel von Pater Fröhlich gelesen hat. Die schwerste Zeit seines Lebens, das sind diese Monate, in denen er sich vortastet, vor Augen immer die Frage: Größenwahn oder Gottes Wunsch? Will Gott hier einen Neuanfang setzen, oder – ist das alles nur Einbildung?

Pater Heinrich Hug zeigt in seinen "Beiträgen zur Geschichte Schönstatts" auf, dass der Text der Gründungsurkunde vom 18. Oktober wohl schrittweise in diesen Wochen zwischen Juli und Oktober entstanden ist: "Der Text ist also nicht nur die spontane Niederschrift eines spontanen Einfalls, sondern das Ergebnis eines innerseelischen Prozesses, der sich der historischen Bedeutung des Vorganges bewusst war." Es lohnt sich, die Gründungsurkunde unter diesem Gesichtspunkt als Selbstzeugnis Pater Kentenichs noch einmal neu zu lesen. Die Antwort, warum es die schwerste Zeit war, diese Zeit des Suchens und Tastens nach dem Willen Gottes im Helldunkel des Vorsehungsglaubens, ist der 18. Oktober selbst. Keiner, der dabei war, hat den 18. Oktober so tief verstanden und erlebt wie Pater Kentenich. Er wusste, dass die Gottesmutter das Liebesbündnis angenommen hatte. In dieser Sicherheit hat er jede folgende Dunkelheit gemeistert. In einem Vortrag vom 8. 12. 1914 findet sich der früheste Bezug auf den 18. Oktober und die Gründungsurkunde: "Heute weiß ich, dass das kühne Wort im Himmel Widerhall gefunden hat. Es scheint unserer Herrin und Mutter in vielen Fällen Maßstab und Norm gewesen zu sein für die Ausspendung der Gnaden."

Veröffentlicht in: "Brücke", Zeitschrift der Schönstatt-Gemeinschaft Berufstätige Frauen, 1/2005

Zu beziehen: Sekretariat Schönstatt-Gemeinschaft Berufstätige Frauen, Berg Schönstatt 8, 56179 Vallendar, schoenstatt.marienland@t-online.de



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