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 published: 2005-01-21

Bewährter Glaube

Gedanken zu Petr 1,7 angesichts der Flutkatastrophe in Südostasien – Von P. Elmar Busse

 

 

ZEITFRAGEN. Am 11.1.2005 sprach Pater Elmar Busse in Radio Horeb zum Thema: Bewährter Glaube. Das Thema war schon lange vor der Flutkatastrophe in Südostasien ausgemacht, bekam aber dadurch eine starke Aktualität.

1:6 Deshalb seid ihr voll Freude, obwohl ihr jetzt vielleicht kurze Zeit unter mancherlei Prüfungen leiden müsst.
1:7 Dadurch soll sich euer Glaube bewähren, und es wird sich zeigen, dass er wertvoller ist als Gold, das im Feuer geprüft wurde und doch vergänglich ist. So wird (eurem Glauben) Lob, Herrlichkeit und Ehre zuteil bei der Offenbarung Jesu Christi.
1:8 Ihn habt ihr nicht gesehen, und dennoch liebt ihr ihn; ihr seht ihn auch jetzt nicht; aber ihr glaubt an ihn und jubelt in unsagbarer, von himmlischer Herrlichkeit verklärter Freude,
1:9 da ihr das Ziel des Glaubens erreichen werdet: euer Heil.

Liebe Hörerinnen, liebe Hörer!

Als wir damals das Thema für die heutige Sendung mit der Programmredaktion vereinbart haben, ahnte keiner von uns, wie aktuell auf einmal dieses Thema werden würde. Durch die verheerende Flutwelle in Südostasien am 2. Weihnachtstag hat dieses Thema eine unerwartete Brisanz bekommen. Wie kann Gott das zulassen? lautete die Schlagzeile auf der Titelseite unseres katholischen Sonntagsblattes. (Ausgabe für die Diözese Rottbg.-Stgrt , Nr.2 vom 9.1.2005)

Und dieser Frage bin ich in den vergangenen Tagen oft begegnet. Wenn unschuldiges Leid von bösen Menschen verursacht wird, dann wird der Missbrauch der Freiheit durch die Täter als Entschuldigung für Gott angesehen und angerechnet. Aber bei Naturkatastrophen ist das wieder anders.

Dass da Zweifel an der Liebe und Güte Gottes aufkommen können, ist nur all zu verständlich.

Mich selbst hat es einerseits erleichtert, als ich die Nachricht bekam, dass keiner meiner indischen Mitbrüder, die sowohl an der Südost- wie an der Südwestküste Indiens arbeiten, zu Schaden gekommen ist. Andererseits war ich betroffen, dass manche Verwandte meiner Mitbrüder umgekommen sind.

Per e-mail bekam ich auch Suchmeldungen aus Tschechien und Österreich mit Fotos von Kindern, deren Eltern vermisst sind.

Während einer Familientagung, die ich nach Weihnachten hielt, kam eine Frau ganz erfreut zum nächsten Treffen und erzählte, dass ihr Heimatarzt, der mit seiner Familie in dem Katastophengebiet Urlaub machte, sich gemeldet habe. Er selbst wolle unten bleiben und helfen, aber die Angehörigen würden demnächst ausgeflogen. Wir haben mit ihr ihre Erleichterung und Freude geteilt. Doch bleibt das Leid der persönlich Unbekannten, die uns über die Bilder im Fernsehen unmittelbar berühren.

Hinter jeder Ziffer dieser großen Zahl an Opfern steht ja ein Menschenschicksal. Und die Zahl der Betroffenen, weil sie Angehörige verloren haben, ist um ein Vielfaches größer.

Da kann einem das Lied, lobet den Herren, der alles so herrlich regieret, im Halse stecken bleiben. In dem Moment wirkt es wie Zynismus. Aus dem Grund haben ja auch die Radio-Sender alle Lieder aus ihrem Programm genommen, die mit der Schönheit des Meeres zu tun haben oder die perfekte Welle besingen.

Ein Versuch, Mitgefühl weltweit auszudrücken, waren die Schweigeminuten bei Trauerfeiern, in Parlamenten, im öffentlichen Leben. So tun, als ob nichts gewesen wäre, wäre herzlose Oberflächlichkeit. Innezuhalten, Fragen hochkommen zu lassen, nachdenklich zu werden – das liegt einfach nahe, bei einer Katastrophe dieses Ausmaßes.

Aber nur zu schweigen und dieses Schweigen damit zu rechtfertigen, dass es keine Antwort auf die Frage gäbe, ist sicher zu wenig.

Antworten, die keine sind

Sicher lohnt auch ein Blick auf Antworten, die keine Antworten sind, oder die es sich zu einfach machen. Denn solche Sackgassen des Denkens lassen uns weitersuchen.

Manche haben die Katastrophe mit der Sintflut verglichen. Im Alten Testament wird die Sintflut als Strafe Gottes für die Schlechtigkeit der Menschheit gedeutet. Nur der auserwählte Noah und seine Familie werden gerettet. Auch wenn in den letzten 30 Jahren in vielen Predigten darauf hingewiesen worden ist, dass sich Unglück und Glück nicht so einfach als Belohnung und Bestrafung durch Gott interpretieren lassen dürfen, so hält sich doch in den Herzen und Hirnen vieler Gläubiger hartnäckig dieses Denken. Es ist ein einfaches Erklärungsmodell der Welt – und vielleicht liegt genau in dieser Einfachheit das Verführerische: Gott belohnt die Guten und bestraft die Bösen. In manchen Psalmen finden wir noch diese einfache Weltsicht. Aber im Ps 72 wird dieses einfache Denken schon aufgebrochen, weil der Beter beobachtet, dass es den Bösen oft gut geht und den Guten schlecht. Das wühlt ihn auf, das bereitet ihm Schmerz. Noch zugspitzter wird die Frage nach dem unschuldigen Leid im Buch Ijob durchmeditiert. Darin wehrt sich Ijob vehement gegen die Deutung seines Unglücks als Strafe. Ijob nimmt sich aber sehr deutlich das Recht heraus, Gott gegenüber zu klagen, ja, ihn auch anzuklagen. Er drückt seinen Schmerz aus.

Genau darin dürfen wir uns – auf dem langen Weg der Bewältigung des Leids – an ihm ein Beispiel nehmen: Beten heißt auch klagen dürfen. Beten heißt auch mit Gott streiten dürfen. Hauptsache, wir reden mit ihm!

Am Ende des Buches Ijob erklärt Gott dem Ijob auch nicht, warum das alles so kommen musste. Er weist hin auf seine Unbegreiflichkeit. In dem Moment, wo Ijob dazu Ja sagen kann, findet er seinen Frieden. Er kann ins Dunkel hinein glauben.

Prüfungen und Bewährungen

Damit sind wir an der Stelle angelangt, wo ich unsere heutige Bibelstelle näher anschauen möchte:

Deshalb seid ihr voll Freude, obwohl ihr jetzt vielleicht kurze Zeit unter mancherlei Prüfungen leiden müsst.

Dadurch soll sich euer Glaube bewähren, und es wird sich zeigen, dass er wertvoller ist als Gold, das im Feuer geprüft wurde.

Da ist von Prüfung und Bewährung die Rede. D.h. es gibt einen Glauben, der leicht gewonnen aber auch leicht wieder verloren werden kann. Wir sprechen von leichtgläubigen Menschen – aber das ist kein Kompliment.

Es ist auch ganz offensichtlich: Wenn es den Gläubigen durch die Bank weg besser gehen würde, als den Ungläubigen, dann könnten wir uns vor Zustrom nicht retten. Das kann es nicht sein.

Gott ist auch nicht der allmächtige Wünsche-Erfüller, der zu jeder unserer Bitten ein schnelles Ja sagt.

Und trotzdem erleben wir, dass Gott uns manchmal Kleinigkeiten, die nicht lebensnotwendig sind, schenkt, um uns seine Liebe und Nähe zu zeigen.

Warum ist er manchmal so zärtlich und manchmal so grausam?

Warum ist er manchmal so nahe und dann wieder so fern?

Warum ist er manchmal so zuvorkommend, dass wir die Bitte noch gar nicht geäußert haben aber sie wird schon erfüllt – und dann wiederum lässt er uns unbegreiflich lange zappeln.?

Ist er ein launischer Diktator?

Ist er wie ein ungeduldiges Kind beim Schachspielen, das die ersten 20 Züge zielstrebig spielt und auch dem Gegenspieler signalisiert, dass es auf seine Züge eingeht, dann aber – aus unerklärlichem Grund einfach das Spielbrett mitsamt den Figuren einfach umwirft?

Alle solche Vergleiche und Bilder sind ja schon angedacht worden, um die verrückte Wirklichkeit doch irgendwie erklären zu können.

Selbst wenn man sich auf die Position, es gibt keinen Gott, zurückzieht, so bleibt doch das Leid als Leid und die Frage. Wie schaffe ich es, nicht daran zu zerbrechen?

Worauf kommt es also an?

Der Dreischritt der Glaubensprobe sieht so aus:

  1. Ich glaube an einen Gott der die Liebe ist und der uns nahe ist und der allmächtig ist.
  2. Ich nehme die Wirklichkeit wahr, die dem einfach widerspricht.
  3. Ich glaube trotzdem ins Dunkel hinein an diesen liebenden Gott und überwinde meine Zweifel.
Ist das vor meiner Vernunft verantwortbar?

Ein historischer Vergleich: Kaiser Heinrich liebte seine Frau Kunigunde über alle Maßen und er war sich auch sicher, dass sie ihn liebte und ihm treu war. Nach einer längeren Trennung verbreiteten seine Ratgeber das Gerücht, sie sei ihm untreu geworden. Anfangs konnte er es nicht glauben, aber mit der Zeit wurde er unsicher. Er fing an, an der Liebe und Treue seiner Gattin zu zweifeln. Wie verletzend mussten diese Zweifel auf die treue Gattin gewirkt haben! Als sich dann das Gerücht als üble Verleumdung herausstellte, fühlte sich Heinrich schuldig gegenüber seiner Gattin. Er hatte dem Anschein und der Deutung des Anscheins durch seine Berater mehr vertraut als seiner eigenen langjährigen Erfahrung mit Kunigunde.

Heinrich hatte die Vertrauensprobe nicht bestanden.

Glauben immer auch ein Wagnis

Vergleichen wir diese historische Situation mit unserem Gottesverhältnis, dann wird deutlich, dass Glauben immer auch ein Wagnis bedeutet. Ich riskiere es – auch wenn ich es nicht mathematisch nachprüfen kann – an einen guten Gott zu glauben.

Ich riskiere es, den glaubwürdig überlieferten Worten Jesu über sich selbst und über seinen Vater zu glauben.

Ich behalte im Leid eine wache Erinnerung an all die schönen Erlebnisse, die ich als Zärtlichkeiten Gottes gedeutet hatte.

Ich nehme noch einmal ganz neu zur Kenntnis, dass dieser Gott-Vater, der zu Jesus bei der Taufe sagte: Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe. Derselbe Gott-Vater ist, der den Leidenskelch an Jesus trotz seines Flehens nicht vorübergehen lässt. Und dieser leidende Jesus kann nach seiner Auferstehung den verstörten Emmausjüngern erklären: Musste nicht all das geschehen?

Wenn Gott-Vater so mit seinem geliebten Sohn umging, müssen wir dann nicht damit rechnen, dass er mit uns ähnlich umgeht?

Im Petrusbrief werden die Leiden als Prüfung interpretiert:
Hälst Du auch dann Gott die Treue, wenn es Dir nichts bringt?
Hälst Du auch dann Gott die Treue, wenn damit Belastungen verbunden sind?

D.h. gerade in der Bewährung kann der Mensch über sich hinauswachsen oder er zerbricht. Gerade in der Bewährung kann die Treue widerstandsfähiger werden, oder der Mensch wird zum Verräter.

Gerade in der Bewährung zeigt sich, ob man sich bisher nur einen Schön-Wetter-Glauben erarbeitet hat, oder ob dieser Glaube auch den Stürmen des Zweifels gewachsen ist. Dieser innere Widerstand muss nicht zwangsläufig mit einer Sturheit, die den Zweifel nicht kennt, verbunden sein. Dieser innere Widerstand kann durchaus in Seelen reifen, die um ihre eigene Schwäche wissen und die Möglichkeit des eigenen Verrats befürchten, aber die sich um so mehr an Gott und seine Gnade wenden und um die Gnade der Treue und Beharrlichkeit bitten.

Das Beispiel Pater Kentenichs: Glauben in Dachau

In der ganzen Frage der Leidbewältigung aus dem Glauben ist mir der Gründer der Schöstatt-Bewegung, Pater Josef Kentenich, ein geistlicher Pfadfinder und Wegbegleiter geworden. Wie er als Häftling 3 Jahre Konzentrationslager Dachau überlebt, ja mehr als überlebt, nämlich bewältigt hat, das gibt mir immer wieder Stoff zum Nachdenken und Meditieren.

Wir brauchen auch einen Respekt vor dem Glauben der Opfer. Wenn sie, die unmittelbar Betroffenen, an Gott festhalten, dann dürfen wir, die Zuschauer, nicht in ihrem Namen und stellvertretend für sie an Gott zweifeln.

Pater Kentenich hat 1944 in Dachau einen Kreuzwegtext verfasst, der zum schnellen Auswendiglernen in Knittelverse geschrieben ist. Der Text lässt wich wirklich schnell lernen, aber in diese tapfere Sicht von Leid muss ich mich erst noch hineinkämpfen – immer wieder neu.

Darin heißt es:
Lass, Vater mich an unserer Mutter Seite
Dem Welterlöser geben das Geleite,
in seinem Lebenskampf die Mächte sehn,
die hinter allem Weltgeschehen stehn.

Ich stehe zwischen beiden großen Mächten,
die sich in ewigem Kampf einander ächten,
und treff’ erneut für Christus den Entscheid
in voller Freiheit – jetzt und allezeit.

Voll Sehnsucht seh’ ich dich das Kreuz umarmen,
das laut verkündet göttliches Erbarmen.
Was dir gezimmert hat des Teufels Wahn,
nimmst du als Werkzeug der Erlösung an.

Noch etwas wird in diesen Kreuzwegmeditationen deutlich. Pater Kentenich hat keine Scheu, den Affen und Widersacher Gottes direkt beim Namen zu nennen. Als Pater Kentenich in Dachau eingeliefert worden war, da meinte ein Blockältester zu den Priesterhäftlingen: "Ihr Pfaffen redet vom Herrgott. Noch niemals ist mir der Herrgott hier begegnet." Dabei war sein Blick an Kentenich haften geblieben, und er fragte ihn direkt: "Dir vielleicht?" Daraufhin bemerkte Kentenich gelassen: "Wenn Ihnen hier der Herrgott noch nicht begegnet ist, dann aber sicher der Teufel." Pater Kentenich nimmt also die biblischen Aussagen Jesu über den Widersacher, den Durcheinanderwerfer, den Vater der Lüge, den Verderber des Menschengeschlechtes sehr ernst. Und er betont, dass es Zeiten gibt, in denen die hintergründigen geschichtlichen Mächte, Gott und der Teufel deutlicher sichtbar werden. Immer kommt es darauf an, dass der Mensch Geschichte so sehen und deuten lernt und dass er sich vor allem entscheiden lernt für Gott. Es gibt Zeiten, in denen verbirgt sich der Teufel, ja, er möchte die Menschen glauben lassen, dass es ihn gar nicht gibt. Dann wieder zeigt er seine mörderische Fratze. Im Blick auf das Kreuz Jesu formuliert Josef Kentenich:

Was dir gezimmert hat des Teufels Wahn,
nimmst du als Werkzeug der Erlösung an.

Werkzeug der Erlösung

Christus hat sein Leiden sehen und annehmen können als erlösend für die ganze Menschheit. Und genau dadurch überwindet er das Böse um den Preis des Leidens. Darin zeigt sich seine menschliche Größe und seine göttliche Liebe zu uns Menschen. Wir sind hineingerufen in seine Nachfolge und nehmen – auf unterschiedliche Weise - teil an seinem Schicksal. Demzufolge steht uns auch seine Interpretation des Leidens zur Verfügung. Wir können es fruchtbar werden lassen für die Erlösung. Das Böse lähmt uns ja nicht nur, es kann uns auch aktivieren.

Papst Johannes Paul betonte, die weltweite Welle der Solidarität sei für ihn eine Quelle der Hoffnung. Er freue sich über den Wettlauf der Solidarität, der sich in allen Teilen der Erde entwickle.

In einer Zeit, wo die Entsolidarisierung und der Individualismus als Gefahr für die Menschheit immer wieder beschworen wird, ist das Erlebnis der weltweiten Solidarität erfreulich. Wir Menschen sind doch manchmal besser, als wir vermuten. Es gibt mehr ideal gesinnte Menschen, die sich aufopfern, als manche Geiz-ist-geil-Debatte uns vermuten lässt.

Trotzdem möchte ich meine Ausführungen nicht so verstanden wissen, als würde Gott einen gleichmächtigen Widersacher in der Weltgeschichte haben. Der Teufel ist zwar mächtig, aber auch er bleibt in seiner Auflehnung gegen Gott doch Gottes Geschöpf. Und so stellt sich erneut die Frage nach der Unbegreiflichkeit Gottes. Warum, o Gott, hast Du eine solche Welt geschaffen? Warum hast Du die Naturgesetze so entworfen und unsere Erde so sich entwickeln lassen, dass es Erdbeben und andere Naturkatastrophen gibt?

Wenn wir Gott nur an den Anfang der Schöpfung stellen würden und alles Weitere sich zwangsläufig aus den Naturgesetzen entwickeln würde, dann wäre Gott bei den konkreten Naturkatastrophen fein raus, weil er weit weg wäre. Solche Glaubensrichtungen hat es vor allem im 18./19.Jh gegeben. Man wollte auf diese Art und Weise Gott entschuldigen, aber der Preis für diese Art von Welterklärung und diese Sicht des Zueinanders von Gott und Schöpfung ist zu hoch. Denn dann ist Gott wirklich weit weg. Dabei betont doch Jesus genau die Nähe und das Interesse Gottes an den Kleinigkeiten in dieser Welt. Wenn wir also in der Erklärung der Naturkatastrophen die Eigengesetzlichkeit der geschöpflichen Kräfte zwar gelten lassen, uns aber doch zu der letzten Ursache, nämlich Gott, gedanklich durcharbeiten, dann spüren wir, dass unsere wachsende Kenntnis der Naturgesetze die Frage nach Gott nur weiter nach hinten verschoben hat, aber sie nicht aufheben kann.

Die Frage des unschuldigen Leids

In den ersten Januartagen war ich mit einer Jugendgruppe zusammen. Ein 17jähriger meinte im Blick auf das vergangene Jahr: "Das Wichtigste für meine seelische Entwicklung war, dass ich mit offenen Fragen zu leben gelernt habe." Und ein 16jähriger brachte es für sich auf den Punkt: "Ich kann davon ausgehen, es hat alles einen guten Grund." – Sie spüren in diesen beiden Äußerungen von Jugendlichen, es gibt Überzeugungen, die kann ich mir nicht ableiten wie mathematische Beweise. Die kann ich auch nicht gelassen, objektiv diskutieren. Es kommt wirklich darauf an, leidenschaftlich zu ringen. Es kommt darauf an, für Gott Partei zu ergreifen. Es kommt darauf an, sich im Glauben zu bewähren.

Es gilt auch weiterhin, dass das unschuldige Leid das stärkste Argument gegen Gott bzw. gegen Gottes Liebe ist. Aber es gilt auch, dass unschuldig Leidende an Gott festgehalten haben. Und vor diesem Glauben der Opfer müssen wir Respekt haben. Im extremen Hungersommer 1942 formulierte Pater Kentenich als seelische Wachstumsaufgabe: "Wir Priester im Konzentrationslager Dachau wollen in primitivsten Verhältnissen nicht primitiv, sondern naiv reagieren und, wenn Gott es will, entweder als starke Priesterpersönlichkeiten heldenhaft im Lager sterben oder als gereifte Priester später einmal fürs Gottesreich eifrig und fruchtbar weiterarbeiten." (Häftling 29392, S.134f) unter "naiv" verstand Pater Kentenich einen Gläubigen, der hinter den eisernen Handschuhen an Gottes liebende Hände glauben wollte und konnte. Dieser Glaube an die Realität der Übernatur ließ die Welt in einem neuen Licht sehen.

Selbstlose Liebe – einfühlsame Begleitung

Wenn wir unser Leben im Licht der Übernatur sehen, dann dürfen wir zu Recht sagen: Wir sind auf der Erde, um Gott zu verherrlichen und in den Himmel zu kommen. So lautete früher einmal die Katechismusantwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens. Wir zweifeln heute zu Recht, ob es etwas bringt, solche existentiellen Fragen und Antworten nur zu lernen. Es kommt darauf an, diese Wirklichkeiten sich zu erschließen. Dann kann eine solche Wahrheit wirklich frei machen.

Wenn also ein Mensch nur kurz lebt und vielleicht unter dramatischen Umständen sein Leben beenden muss, dann ist er doch schon bei Gott angekommen, dann hat er seinen Lauf vollendet, dann hat sich sein Leben erfüllt. Dann bleibt mir als Zurückgebliebenem die Aufgabe, ihm den Himmel und die Glückseligkeit zu gönnen. Dann muss ich in der selbstlosen Liebe zu ihm wachsen, ich muss ihn loslassen, denn ich kann ihm noch nicht in sein Glück folgen.

Wenn ich so das Sterben sehen kann, dann verliert es etwas von seiner Tragik. Und es gibt Trauernde, die so denken und fühlen. Aber es kann durchaus sein, dass Trauernde diesen Trostversuch aus dem Mund Anderer als puren Zynismus ablehnen und sich noch mehr verletzt fühlen. Wann der einzelne Gläubige sich zu welcher Sicht der Wirklichkeit durchringen kann, wie lange er braucht, bis ihm das helle Licht des Glaubens geschenkt wird, dafür gibt es keine Regeln. Ich merke nur, dass die, die selber durch großes Leid gegangen sind, fruchtbarer sind im Trösten als Andere. Der Glaube dieser tapferen Lebenskünstler ist wirklich wertvoller als Gold. Dieser Glaube verdient unser Lob und unsere Ehre, zeigt er doch die schönsten Möglichkeiten auf, zu denen ein Mensch mit der Gnade Gottes sich durchringen kann.

Ich wünsche Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, dass Sie in all Ihren Glaubenskämpfen verständnisvolle und einfühlsame Begleiter finden, die mit Ihnen den Weg in dem Tempo gehen, das Ihnen möglich ist. Manchmal nimmt Gott selber und unmittelbar diese Aufgabe wahr. Egal wie – wir dürfen hoffen, dass Verzweiflung, Trauer und Tränen nicht das letzte Wort behalten. Mit dieser Hoffnung lässt es sich gut leben. Bitten wir füreinander um diesen Glauben, der sich in der Prüfung bewährt!



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