Nachrichten - News - Noticias
 published: 2004-04-28

Aktive Sterbebegleitung und lebenspraktischer Beistand statt "Sterbehilfe"

Bischof Franz Kamphaus, Limburg, in der Theologischen Hochschule der Pallottiner in Vallendar zum Thema "Menschenwürde zwischen Selbstbestimmung und Unverfügbarkeit" - Der Europarat lehnt den Antrag auf Legalisierung der aktiven Sterbehilfe ab

Mons. Franz Kamphaus, Limburgo

Bishop Franz Kamphaus,Limburg

Bischof Franz Kamphaus, Limburg

 
 

Panel: Mons. Kamphaus, P. Schuchard SAC

Panel discussion: Bishop Kamphaus, Fr. Schuchard SAC

Diskussion: Bischof Kamphaus, P. Schuchard SAC

 
 

Hannelore Spannagel habló de la entrega de 25.000 firmas

Hannelore Spannagel spoke about the 25,000 signatures collected

Hannelore Spannagel sprach von der Überreichung der 25.000 Unterschriften im Europa-Parlament

 
 

Hannelore Spannagel con Mons. Kamphaus: palabras de agradecimiento para su charla y su firma

Hannelore Spannagel with Bishop Kamphaus, thanking for his talk and his signature

Hannelore Spannagel dankt dem Limburger Bischof für seine Worte und seine Unterschrift

 
 

El P. Schuchard SAC firmando

Fr. Schuchard SAC signing

P. Schuchard unterschrieb ebenso wie eine große Zahl der Teilnehmer

Fotos: POS Fischer © 2004

 

 

 

SCHÖNSTATT, mkf. Eine neue Kultur im Umgang mit Sterbenden hat Bischof Dr. Franz Kamphaus gefordert. Dem zunehmenden Trend zur aktiven Sterbehilfe begegne man am nachhaltigsten durch aktive Sterbebegleitung und lebenspraktischen Beistand, betonte der Bischof, der am 27. April in der Theologischen Hochschule der Pallottiner in Vallendar-Schönstatt erneut ein eindringliches Plädoyer gegen jegliche Form aktiver Sterbehilfe hielt. Am selben Tag beriet die Parlamentarische Versammlung des Europarats in Straßburg erneut über den Antrag auf Legalisierung der aktiven Sterbehilfe; Hannelore Spannagel, Sprecherin der "Initiative Menschenwürde in allen Phasen des Lebens - Nein zur aktiven Sterbehilfe" war mit nun über 25.000 Unterschriften nach Schönstatt gekommen, um an diesem Abend auf Einladung von Pater Schuchard SAC diese Initiative vorzustellen. Als sich der Saal mit fast 300 Zuhörern gefüllt hatte, hatte der Europarat nach heftiger und emotionaler Debatte den Bericht des Schweizer Abgeordneten Dick Marty, der eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe gefordert hatte, mit 68 gegen 33 Stimmen an den zuständigen Sozialausschuss zurückgewiesen.

Bischof Franz Kamphaus, Limburg, sprach aus Anlass der "Woche für das Leben" zum Thema "Die Menschenwürde zwischen Selbstbestimmung und Unverfügbarkeit - Ein Plädoyer gegen aktive Sterbehilfe". Konkreter Anlass für den Diskussionsabend mit Bischof Franz Kamphaus war die von der evangelischen und katholischen Kirche gemeinsam begangene "Woche für das Leben" (24. April bis 1. Mai). Diese steht in diesem Jahr unter dem Leitwort "Die Würde des Menschen am Ende seines Lebens".

25.000 Menschen sagen: Nein zur Legalisierung der aktiven Sterbehilfe!

Zu Beginn der Veranstaltung berichtete Hannelore Spannagel von der Übergabe der Unterschriften im Europa-Parlament am vergangenen Mittwoch und stellte anschaulich dar, wie Frauen aus der Schönstatt-Bewegung in Zusammenarbeit mit anderen Bewegungen, Verbänden, Pfarreien und Gruppen Meinungsbildung zum Thema Würde des Menschen am Ende des Lebens, Unverfügbarkeit des Lebens und Sterbebegleitung geleistet und gleichzeitig gut 25.000 Unterschriften gegen die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe gesammelt hatten. Ihr Aufruf, die ausgelegten Listen zu unterschreiben, fand starke Akzeptanz.

Zwischen Selbstbestimmung und Unverfügbarkeit

Nach der Begrüßung durch Pater Rheinbay, der dem Limburger Bischof zugleich herzlich für dessen Unterstützung in Fragen der Hochschule dankte, ging Bischof Kamphaus das häufig eher erfahrungs- und prozesshaft angegangene Thema von der Veränderung der Denkweise in den letzten gut zweihundert Jahren an: " Im Zuge der neuzeitlichen Aufklärung tritt der Mensch als Planer auf, er verdrängt die Idee eines vorgegebenen göttlichen Heilsplanes. Was vorher als Vorsehung oder schicksalhafte Fügung gedeutet wurde, erweist sich über weite Strecken als berechenbar und beherrschbar. Der Mensch erfährt sich mehr und mehr als autonomes Subjekt seines Entscheidens und Handelns, die Welt als Objekt seines Gestaltungswillens: Zunächst die Gesellschaft und den Staat (Französische Revolution, Demokratiebewegung statt Monarchien von Gottes Gnaden), dann die Umwelt (die industrielle Revolution des 19. und 20. Jahrhunderts). Schließlich macht er sich selbst (seinen Körper, seine Psyche, sein leibhaftiges Leben) zum Objekt seines Forschens und Experimentierens. Die Verfügungsmacht über das menschliche Leben ist in früher unvorstellbarer Weise ausgeweitet (vgl. Genforschung und Gentechnik). Längst genügt es nicht mehr, sich selbst zu verwirklichen, man will sich selbst neu erfinden und neu schaffen."

Der Mensch, der produziert, was ihn umgibt und schließlich auch sich selbst, verliere den Begriff für Schöpfung und Geschöpflichkeit, so der Bischof. Der Begriff der "Unantastbarkeit" der Menschenwürde, den die Grundgesetzväter bewusst in den Paragraph 1 des Grundgesetzes genommen hätten, sollte - aufgrund der Erfahrungen der Nazizeit - einen außerhalb des innermenschlichen Verfügungsrahmens liegenden Anker bilden; darum auch die Berufung auf Gott im Grundgesetz - um nicht nur systemimmanent zu legitimieren und zu sanktionieren.

In vier Schritten zeigte er dann die Dimensionen der Sterbehilfe-Diskussion auf.

Erfahrungen mit der neueren Euthanasiegesetzgebung

Erfahrungen in den Niederlanden, Belgien und der Schweiz, so Bischof Kamphaus, zeigten, dass die staatliche Gesetzgebung einen starken Einfluss ausübt auf individuelle und kollektive Einstellungen. Außerdem: " Die anfänglich auf die Gruppe Todkranker beschränkte Freigabe ärztlicher Sterbehilfe wirkt als Türöffner. Das Ziel des Gesetzgebers und der Gerichte, durch erhöhte Rechtssicherheit auch die Transparenz und die Kontrolle einer vordem heimlichen Praxis zu erhöhen, ist weitgehend verfehlt. Zudem wird der Kreis der Menschen, die eine Tötung verlangen, für eine Tötung in Betracht gezogen oder faktisch getötet werden, schrittweise erweitert. In Belgien erlaubt die Gesetzgebung inzwischen die Euthanasie in bestimmten Fällen ohne nachweisbare oder auch nur mutmaßliche Einwilligung von Patienten. Sie ist möglich, wenn ein psychisches Leiden vorliegt, ferner auch bei Patienten, die sich nicht im Endstadium einer tödlichen Krankheit befinden. Es zeichnet sich ab, dass die schwächsten Gruppen am stärksten betroffen werden: Säuglinge und Senile." Nicht der Wunsch nach "ultimativer Autonomie", sondern Angst sei oft der Auslöser des Tötungswunsches: Angst vor dem Sterben, Angst vor den Kosten, Angst, zur Last zu fallen. " Im Zeichen der wachsenden Ökonomisierung im Gesundheitswesen haben sich schließlich jene Ärzte und Patienten zu rechtfertigen, die die Euthanasie ablehnen. Aus dem proklamierten Recht zum Sterben wird unter Hand eine Pflicht zum Sterben. Die Schwerkranken sehen sich nicht mehr von einer selbstverständlichen Solidarität ihrer Mitmenschen getragen. Sie empfinden sich vielmehr als unsolidarisch, wenn sie ihren Platz nicht räumen."

Vernunftgründe: Der Mensch muss sich um seiner selbst willen bejahen

Widerspricht die Unverfügbarkeit des Lebens und Sterbens der Freiheit und Autonomie des Menschen? Viele sagen: ja. Bischof Kamphaus: "Zwar verlangt die Freiheit des sittlichen Subjekts unbedingten Respekt, doch folgt daraus für Immanuel Kant nicht, dass jede Einschränkung dieser Freiheit im Widerspruch zur Menschenwürde stünde. Denn Autonomie heißt weder Willkür noch Schrankenlosigkeit, sondern Selbst-Gesetzgebung. Ein Gesetz aber kann nicht nur für einen Menschen, es muss für alle gelten können. Darum gehört zur Autonomie die Bereitschaft, Grenzen der Freiheit in Freiheit anzuerkennen. Denn der Entschluss, sich selbst zu töten, leidet an einem unaufhebbaren Selbstwiderspruch: Die Menschenwürde besteht darin, dass der Mensch ein sittliches Wesen ist, das sich selbst als Zweck versteht und annimmt. Ein Wesen aber, das sich um seiner selbst willen bejaht und will, muss auch seine Existenz bejahen und wollen. Die Selbsttötung verneint mit dem eigenen Leben auch seine Existenz als sittliches Subjekt und verstößt damit gegen die eigene Würde."

Was der Glaube lehrt

Für den gläubigen Menschen, so Bischof Kamphaus, ist Leben Geschenk aus Gottes Hand. ". Wir sind weder nur ein Produkt der Natur noch machen wir uns selbst. Wir sind uns vorgegeben. Das Leben

schenkt und entzieht sich uns. Wir werden geboren, wir werden geliebt, das Leben wird uns genommen. Unser Dasein ist also nicht nur von unseren selbstbestimmten Aktionen geprägt, sondern auch vom Annehmen und Hinnehmen des Vorgegebenen." Christen könnten gerade in heutigen Diskussion die "Kunst des Sterbens" wieder neu aufzeigen. Sterbehilfe ist, konkret gesehen, ja einen keine Hilfe zum Sterben, sondern führt "nur" zum Tod.

Plädoyer für aktive Sterbebegleitung

Die moderne Medizin hat Lebens- und Sterbezeiten verlängert. Pfarreien, Verbände, Bewegungen, Nachbarschafts- und Besuchsdienste sehen und sollten noch viel mehr hier eine Aufgabe sehen, Pföegebedürftige, Sterbende - und, so wurde eingeworfen, pflegende Angehörige - zu begleiten. Sterben in Würde und Pflege in Würde sind einander zugeordnet. Hier lobte er ausdrücklich die Hospizarbeit und alle Bemühungen, lebenspraktisch den Sterbenden beizustehen.

Ein Thema, das auch in der folgenden Diskussion lebhaft aufgegriffen wurde, ist die gesetzliche Regelung zur Sterbekarenz in Österreich. Ziemlich still wurde es, als er ein Modell zeigte: " Das Vorbild von Mutter Teresa bietet nicht nur Christen im Umgang mit Sterben und Tod eine verlässliche Orientierung. Sie sammelte die Sterbenden aus dem Straßendreck der Slums von Kalkutta. Sie sah in ihnen Wesen, denen nur noch das Recht geblieben war, menschenwürdig zu sterben. Keine Aussicht auf Besserung oder gar Heilung trieb sie an, sondern einzig die Absicht, Menschen nicht wie Hunde verenden zu lassen. Kann man sich auch nur für einen Augenblick vorstellen, diese Frau hätte aus 'Mitleid' ihre Schützlinge zu Tode gespritzt oder ihnen Giftpillen gereicht?"

Er schloss mit dem Aufruf: ". Statt dass wir der Versuchung erliegen, wie Gott zu sein und uns als Herrgötter zu gebärden, kommt es darauf an, dass wir Mensch bleiben."

"Was Sie tun, ist nicht nichts!"

In der anschließenden Diskussion machte Bischof Kamphaus wiederholt Mut zum aktiven Begleiten Sterbender - sei es in der Familie oder im Hospiz. Christen sollten nicht das Feld räumen, wo es um Sterbekultur,Trauer oder den Umgang mit dem Tod gehe - wo sie nicht mehr präsent seien, träten andere auf den Plan. "Was Sie tun, ist nicht nichts!" - ermutigte er auch zu den kleinen Schritten.

Am Schluss der Veranstaltung nahm sich Bischof Kamphaus Zeit, sich von Frau Spannagel in die Initiative der Schönstattbewegung einführen zu lassen, dankte für den Einsatz und unterschrieb die Petition.

Seit dem Frühjahr 2001 setzt sich Kamphaus mit dem Themenfeld Bioethik und Gentechnologie auseinander. Im Zusammenhang mit den politischen Debatten wandte er sich an die Bundestagsabgeordneten seines Bistums und machte darauf aufmerksam, dass durch das wachsende selektive Denken die Menschenwürde gefährdet sei.

In einem Interview mit der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) sagte der Bischof Anfang Juni 2002: "Ich möchte nach Kräften daran arbeiten, dass das unterscheidende ursprüngliche Profil des Christentums stärker zum Vorschein kommt. Nur so können wir auch unserem Auftrag in der Welt gerecht werden. Wir brauchen nicht zu wiederholen, was andere sagen und machen. Das wäre langweilig. Das Spannendste bei uns ist und bleibt Jesus Christus."

Entscheidung in Straßburg

In Straßburg war es um das gleiche Thema gegangen. Angesichts der völlig unvereinbaren Positionen in den 45 Mitgliedsländern hat die Parlamentarier-Versammlung des Europarats einen neuen Bericht über die Sterbehilfe in Auftrag gegeben. Mit 68 gegen 33 Stimmen beschloss die Versammlung am Dienstagabend nach zweistündiger Debatte, den umstrittenen Bericht des Schweizers Dick Marty mit seinem Vorstoss für die grundsätzliche Zulässigkeit aktiver Sterbehilfe an den Sozialausschuss zurückzuverweisen. Der Ausschuss soll innerhalb eines Jahres einen neuen Bericht vorlegen.

Die meisten Europa-Parlamentarier befürchten im Falle einer Entkriminalisierung der Sterbehilfe Missbräuche. Es gibt auch erhebliche moralische Bedenken: Viele betrachten Euthanasie als unvereinbar mit dem Grundrecht auf Leben, mit dem Verbot der absichtlichen Tötung, mit der religiösen Doktrin und mit dem ärztlichen Berufsethos.Marty hatte in seinem Bericht die Forderung erhoben, in den 45 Europarats-Mitgliedsstaaten aktive Sterbehilfe unter bestimmten Bedingungen straffrei zu stellen. Er vertritt die Meinung, dass niemand das Recht hat, schwer leidende oder kranke Menschen in der «letzten Phase zum Leben zu zwingen».

Mehr als 30 Parlamentarier ergriffen das Wort und brachten die unterschiedlichsten ethischen, juristischen, religiösen und sozialen Argumente vor.

Der Marty-Bericht war bei zwei voraufgegangenen Sitzungen der Versammlung im September 2003 und im Januar 2004 von der Tagesordnung abgesetzt worden.

Der Einsatz geht weiter

Dass das Thema "aktive Sterbehilfe" nicht vom Tisch ist, war auch Hannelore Spannagel und den Aktiven der Initiative klar, auch wenn sie das Ergebnis der Straßburger Abstimmung erst am anderen Morgen erfuhren. Dass es weiter gehen soll, dass Schönstatt sich bei diesem Thema weiter engagiert, steht aber fest.

"Alsich die Nachricht von der Entscheidung in Straßburg gehört habe, bin ich vom Sessel aufgesprungen wie bei einem Tor für Argentinien bei der WM", schreibt eine Lehrerin aus Argentinien. "So groß ist meine Freude! Ein Sieg der Gottesmutter und unseres Gründers, aber auch der Mütter, die so hart gearbeitet haben in diesen Monaten, und all derer, die dafür gebetet haben. Glückwunsch an alle! Der Einsatz hat sich gelohnt!"

Jemand anders meinte: "Als ich das Foto von den Unterschriftenlisten in der Gründerkapelle gesehen habe und dann abends von der Entscheidung am selben Tag hörte, da habe ich gedacht - das ist ein Eingreifen unseres Vaters und Gründers, das für mich so viel Wert hat wie ein physisches Wunder! Er hat 25.000 Unterschriften genau an dem Tag da liegen, an dem die Entscheidung ist - das hat mich sehr berührt!"



Zurück/Back: [Seitenanfang / Top] [letzte Seite / last page] [Homepage]

Last Update: 28.04.2004 Mail: Editor /Webmaster
© 2004 Schönstatt-Bewegung in Deutschland, PressOffice Schönstatt, hbre, All rights reserved, Impressum