Schönstatt - Begegnungen

Den Schwerpunkt verlagern

Zukunftswerkstatt der "Initiative Communio" im Bistum Paderborn mit Andrea Riccardi, San'Egidio und Peter Wolf, Schönstatt

Breaking new ground in pastoral care - priests in discussion during the 5th "Workshop Future" in Paderborn, sponsored by priests from the Focolar Movement
"Neuland betreten" in der Seelsorge - Priester im Gespräch bei der 5. Zukunftswerkstatt in Paderborn, einer von der Fokolarbewegung getragenen Initiative.
"Workshop Future" in Paderborn: "We constantly do holy things and often loose God while doing so!"
Paderborner Zukunftswerkstatt: "Wir tun ständig Heiliges und verlieren dabei oft Gott."
Peter Wolf, Director General of the Schoenstatt Institute of Diocesan Priests, called on the priest to radically break new ground in thinking and acting.
Peter Wolf, Generaldirektor des Schönstatt-Instituts Diözesanpriester, lud zum radikalen Umdenken ein
The founder of Sant'Egidio, Andrea Riccardi (l), in conversation with Peter Klasvogt, one of the initiators of the workshop.
Sant'Egidio-Gründer Andrea Riccardi (L) im Gespräch mit Peter Kalsvogt, einem der Mitinitiatoren der Zukunftswerkstatt
Andrea Riccardi in the cathedral of Paderborn: "We never made the things, we experienced them."
Andrea Riccardi im Paderborner Dom: "Wir haben die Dinge nie gemacht, wir haben sie erlebt."
Fotos: © Neue Stadt, Fokolarbewegung

DEUTSCHLAND, Ernst Ulz / NEUE STADT. Gepflegte Liturgen sollten sie sein, kompetente Theologen, feinfühlige Sozialarbeiter und therapeutische Berater. Die Erwartungen an Seelsorger werden höher und damit wächst ihr Arbeitspensum. Doch der erwünschte Erfolg bleibt oft aus. Woran es hapert, fragten sich die Teilnehmer einer Zukunftswerkstatt in Paderborn.

Gilt es noch, das Gleichnis vom Sämann, dessen Aussaat Frucht bringt – dreißigfach, sechzigfach, hundertfach? Keiner der etwa hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der "Zukunftswerkstatt" am 3. und 4. Februar im Paderborner Liborianum hätte offen diesen Zweifel ausgesprochen. Schließlich handelt es sich um ein Gleichnis Jesu, dessen Botschaft der Grund auch ihrer beruflichen Existenz ist. Angedeutet wurde die Frage jedoch schon auf der Tagung, die sich an Priester, Diakone, kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter richtete. Und auch die Bildsprache des Titels nähert sich diesem Thema: "Neuland unter dem Pflug". Das Wort der Propheten Hosea und Jesaja sollte zum Nachdenken darüber anregen, wie Seelsorge gestaltet werden kann, damit sie fruchtbar wird.

Mag sein, dass das Thema dem einen oder anderen recht abgedroschen erschien. Wahrscheinlich gibt es kaum eine Universität, einen Pfarrgemeinderat, eine Bischofskonferenz, wo es nicht schon unzählige Male durchgekaut worden ist. Es wäre sicher langweilig, würde nicht der Lebenssinn vieler daran hängen, die alles aufgegeben haben, um das Evangelium zu verkünden und die Kirche aufzubauen.

Impulse nicht von Pastoraltheologen, sondern von den Geistlichen Gemeinschaften

Langweilig war diese Tagung schon deshalb nicht, weil die Herangehensweise an das Thema neu war. Die Impulse kamen nicht von Pastoraltheologen, die neue Seelsorge-Konzepte vorschlagen, sondern von Vertretern geistlicher Gemeinschaften: dem Gründer der Gemeinschaft Sant’Egidio und überzeugten Laien, Andrea Riccardi, und dem Weltverantwortlichen der Schönstatt-Priester, Peter Wolf. Veranstaltet wurde die Zukunftswerkstatt nunmehr zum fünften Mal von der "Initiative Communio", einem losen Zusammenschluss von Priestern der Diözese Paderborn, die der Spiritualität der Fokolar-Bewegung nahe stehen, in Zusammenarbeit mit der Katholischen Akademie Schwerte. Die Veranstaltungsreihe wird jedoch weit über den Sympathisantenkreis der Bewegung hinaus geschätzt. Dies zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass einige Bischöfe - ohne Sondereinladung - als Zuhörer teilnahmen: der designierte Trierer Bischof Reinhard Marx, Weihbischof Hans-Josef Becker von Paderborn und der Superindendent der Lippischen Landeskirche, Gerrit Noltensmeier.

Nicht neue pastorale Konzepte, sondern eine neue Beziehung zu Gott

"Wir laufen Gefahr, dass wir ständig etwas Heiliges tun, und dabei Gott verlieren." So sieht der Arnsberger Pfarrer Hubertus Boettcher von der Initiative Communio das Problem. Deshalb bräuchten die Priester nicht neue pastorale Konzepte, sondern eine neue Beziehung zu Gott, eine solide Spiritualität. Darin läge die Chance für eine neue Fruchtbarkeit.

Um diese Tatsache den Teilnehmern "live" vor Augen zu führen, begann die Zukunftswerkstatt mit einer Großveranstaltung einer geistlichen Gemeinschaft: Im vollen Paderborner Dom fand ein Abendgebet der Gemeinschaft Sant’Egidio statt. Zwischen Gesängen, Stille, Schriftlesung und Fürbittgebet berichtete Andrea Riccardi von der 34-jährigen Erfahrung seiner Bewegung, ihrem Engagement für die Armen, dem Friedensvertrag für Mosambik, den interreligiösen Friedensgebeten im Stil von Assisi, dem Engagement gegen AIDS. Das Wirken von Sant’Egidio ruhe auf zwei Säulen: dem Gebet - vor allem dem Hinhören auf Gottes Wort - und dem Engagement für die Armen. Beides gehört für die Gemeinschaft eng zusammen. "Wir haben die Dinge nie ‚gemacht’", unterstreicht Riccardi, "wir haben sie ‚erlebt’."

Andrea Riccardi: Priester muss "vor allem anderen Jünger Jesu sein"

Am Abend, im kleineren Kreis der Seelsorger, führte Riccardi seine Sichtweise näher aus. "Es ist vor allem die Schwäche, die Demut, die uns Gott im Gebet anrufen lässt. Und von dort kommt die Kraft." Die Menge hätte die Nähe Jesu gesucht, "denn es ging eine Kraft von ihm aus, die alle heilte."

Bei den Rückfragen an den Gründer stand das Bild des Priesters in der Spiritualität von Sant’Egidio – einer Laiengemeinschaft – im Mittelpunkt. "Wenn jemand von uns ordiniert wird oder ein Priester an unserem Leben teilnehmen will", so Ricchardi, "erinnere ich ihn daran, dass er vor allem anderen Jünger Jesu sein muss." Dazu brauche es jedoch ein spirituelles Leben. Die neuen kirchlichen Bewegungen haben laut Riccardi in diesem Sinn den Priestern etwas anzubieten. Ihre Spiritualität helfe den Amtsträgern, "mehr Priester der Kirche und weniger Priester ihrer selbst zu sein."

Dr. Peter Wolf: "Geistliche Seelsorge und geistliche Seelsorger"

Die Visionen des ersten Tages führte auch Peter Wolf, Hauptreferent am zweiten Tag der Zukunftswerkstatt, fort. Der Schönstattpriester bot allerdings auch eine Reihe von konkreten Anregungen, wie diese Visionen im Alltag des Seelsorgers umgesetzt werden können. Wolf eroberte sich die Aufmerksamkeit seiner Hörer mit einem typischen Priesterszenario. Da gäbe es Leute, die sich vom Priester eine hochfeierliche Liturgie erwarteten, aber auch die Frau, die auf soziale Hilfe angewiesen sei. Der Priester bekäme Anrufe von psychisch belasteten Menschen, die sich Rat erwarten, den er nicht geben kann. Und er sollte intellektuell veranlagten Pensionären auf jede komplizierte theologische Frage antworten können. "Aber", so fragte Wolf seine Hörer, "treffen diese Erwartungen die Mitte meines priesterlichen Dienstes?" Die Antwort gab er selbst: Nein. Das Eigentliche sei das "Vorzeichen" das Priester ihrem Handeln gäben, "denn ohne das passende Vorzeichen klingt die Musik scheußlich". Dieses Vorzeichen sei die geistliche Dimension. "Geist" im biblischen Sinne stünde für den Atem Gottes, für Kraft und Aufbruch. Von daher käme die Chance für mehr Fruchtbarkeit der Seelsorge.

In diesem Sinne plädierte Wolf für eine "geistliche Seelsorge". Er lud seine Zuhörer zu einem Umdenken ein, wie es auch im Titel zum Ausdruck kommt: "Neuland unter dem Pflug". Das sei eine Einladung der Propheten zu einem radikalen Neuanfang mit Gott.

"Geistliche Seelsorge braucht geistliche Seelsorger", war Wolfs Grundthese. Wie man zu einem solchen werden könne, legte Wolf am Beispiel der Priester seiner Gemeinschaft dar: sich Zeit für Gott zu nehmen, beispielsweise täglich eine halbe Stunde und monatlich einen halben Tag; die Gemeinschaft unter Priestern suchen und die Gemeinschaft von Gruppen und Zentren, die "Biotope des geistlichen Lebens" seien.

Den Blick der Menschen auf das Handeln Gottes an ihnen öffnen

Anhand der "Kasualien" – also der routinemäßigen Seelsorge-Aufgaben wie Taufe, Hochzeit, Begräbnis, Sonntagspredigt - illustrierte Wolf, wie eine "geistliche Seelsorge" in der Gemeinde aussehen kann. Es ginge nicht darum, Neues und mehr zu machen, sondern bei den Dingen, die man ohnehin tut, den Blick der Menschen auf das Handeln Gottes an ihnen zu öffnen. "Ich muss den Eltern bei der Taufe mehr sagen können als der Standesbeamte.", sagte Wolf. "Das neue Leben, das Kind, das Sie miteinander haben dürfen, ist Geschenk von Gott, ist von ihm geliebt, gewollt." Das selbe gelte für andere Bereiche, wie Pfarreiausflüge oder Zeltlager.

Eine solche Vision verlange eine Schwerpunktverlagerung in der Seelsorge, dessen ist sich Wolf klar. Viele Verwaltungsaufgaben könne und müsse man delegieren, wie die Herausgabe des Pfarrblattes oder die Verwaltung der Gebäude in Pfarreibesitz.

"Der Vortrag von Peter Wolf war voller Hoffnung", diesen Eindruck hatte Pfarrer Stefan Wigger aus Paderborn. Wolf habe mit praktischen Beispielen aufgezeigt, wie man das Priestersein reicher gestalten könne, und das habe gut getan.

Workshops: Liturgie für junge Leute, Internetseelsorge, Priester in Gemeinschaft, Jugendprojekt

War bis dahin die Zukunftswerkstatt vom Hören geprägt, so ging sie nun in die Aktion über. Eineinhalb Stunden lang wurden vier Workshops angeboten: Die größte Gruppe beschäftigte sich der Liturgie für junge Leute. Die anderen Arbeitsgruppen konnten bereits auf die Erfahrung von Projektgruppen aufbauen, die vergangenes Jahr bei der Zukunftswerkstatt gestartet worden waren: Der Workshop "Spiritualität im Internet" war eine Art Nachbesprechung und Überlegungen für die Zukunft des Internetprojekts www.ich-wer.de, das in der Adventszeit 2001 gelaufen war. Regen Austausch prägte die Gesprächsgruppe "Priester in Gemeinschaft – Vita Communis". Dort wurde eine Broschüre vorgestellt, in der Priester über ihre Erfahrung eines gemeinschaftlichen Lebens berichten. In der vierten Gruppe berichteten Meinolf Wacker und seine Mitarbeiterinnen vom Jugendprojekt "Jesus beim Wort genommen" (siehe NEUE STADT 9/2001).

Wie im Jahr zuvor werden diese Projekte weiterlaufen und den Priestern und kirchlichen Mitarbeitern Gelegenheit bieten, durch die Zusammenarbeit im Austausch untereinander zu bleiben und sich damit auch in den Härten des priesterlichen Alltags zu unterstützen.

Zukunftswerkstatt Beispiel für Zusammenarbeit der Bewegungen

"Die Tage waren für uns wie eine Frischzellenkur " fasst der Fokolar-Priester Stefan Wigger seinen Eindruck zusammen. "Ich habe beim Abschied auch bei den Mitbrüdern eine Freude bemerkt, die echt war." Hubertus Böttcher teilt diesen Eindruck, wenngleich er eingesteht: "Das was hier von uns verlangt wurde, ist: Bekehr Dich! Und für viele ist das nicht einfach. Sie spüren zwar die Sehnsucht nach einem Wandel, haben aber nicht die Kraft dazu." Bei dem Berg an Konferenzen und Terminen, die jeder nach seiner Rückkehr vor sich haben werde, könne es "leicht passieren, dass man das alles gleich wieder aus dem Blick verliert".

Für die Priester der Fokolar-Bewegung, die in die Veranstaltung viel Herzblut gelegt haben, war diese fünfte Zukunftswerkstatt die "reifste und geistlichste" bisher, wie Peter Klasvogt, Regens des Paderborner Priesterseminars, formulierte. Sie sei ein gelungenes Beispiel für die Zusammenarbeit unter den Bewegungen gewesen, meinte Klasvogt. Mehr als in den Jahren davor sei auf unaufdringliche Weise deutlich geworden, welche Früchte aus dieser Zusammenarbeit für die Seelsorger und für die Kirche hervorgehen können.

Ungewollt symbolisch verlief der Abschluss: Aus gegebenem Anlass wollten die Priester das Mittagsgebet nicht im klassischen Brevier-Stil beten sondern im Stil der Gemeinschaft Sant’Egidio. Bei aller Hingabe kam da so mancher Schola-Sänger mit den ungewohnten Melodien etwas ins Schleudern. Alles Neue braucht eben seine Zeit, um in Fleisch und Blut überzugehen.

Mehr Informationen zu Initiative Communio unter www.communio-initiative.de.

© Aus: NEUE STADT Monatsmagazin, März 2002.



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Last Update: 01.03.2002 15:07 Mail: Editor /Webmaster
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