Schönstatt - Begegnungen

Heiligtum ohne Wände

Schönstatt aus methodistischer Perspektive

Jan & John Beebe
Fotos: POS, Brehm © 2001
DOKUMENTATION

Im Blick auf das erste Ökumenische Treffen Geistlicher Bewegungen in Deutschland am 8. Dezember 2001 haben John und Jan Beebe, England, methodistische Christen, während ihres Aufenthaltes in Schönstatt im November ihre Schönstatterfahrungen und –erkenntnisse eingebracht. Das Wort "Heiligtum ohne Wände" oder "Offenes Heiligtum" ist für sie zum Begriff geworden für die Antwort Schönstatts auf das erwartende Anklopfen von ihnen und vielen anderen.

1 Einleitung

Wir haben zum ersten Mal Ende der siebziger Jahre durch Freunde in Manchester von Schönstatt gehört. Sie gaben uns eine kurze Einführung in Schönstatt und gaben uns den Rat, dorthin zu fahren. Kurz danach trafen wir ein Ehepaar aus Chile; über mehrere Monate hinweg sprachen sie mit uns über die Geschichte und Spiritualität Schönstatts. Nach mehreren Monaten meinten sie, um Schönstatt wirklich zu verstehen, müssten wir einmal dorthin fahren. Sie organisierten unseren Aufenthalt und im Oktober 1980 machten wir unsere erste Reise nach Schönstatt. Wir wohnten im Missionshaus, Sr. Marie Clara und P. Franz Brügger führten uns zu den verschiedenen Heiligtümern und Häusern in Schönstatt. Uns gefiel, was wir sahen, und wir waren besonders beeindruckt von unseren beiden Führern, die einfach besondere Leute waren.

Im Jahr darauf kamen wir zurück nach Schönstatt, trafen zum ersten Mal Sr. Jean und interessierten uns immer mehr. So fragten wir uns, ob wir das Liebesbündnis schließen sollten, aber dieser Gedanken erschien uns völlig abwegig, waren doch weder Jan noch ich katholisch. Konkret bin ich methodistischer Pfarrer und auch Jan ist Methodistin – kaum die richtigen Kandidaten für das Liebesbündnis, dachten wir. Doch Pater Brügger meinte, das seien keine unüberwindlichen Hindernisse und gab uns Hilfe und Unterstützung. Ohne den Begriff zu kennen, erlebten wir schon damals das "Heiligtum ohne Wände".

Nachdem wir den Weihegottesdienst vorbereitet hatten, schlossen wir am 7. April 1983 im Heiligtum der Familien unser Liebesbündnis. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir bereits mit Hans und Christel Hampl aus dem Schönstatt-Institut Familien Freundschaft geschlossen, und sie wie auch Sr. Jean machten uns Mut zu unserem Weg. Ich glaube, wir waren das erste nicht-katholische Ehepaar, das das Liebesbündnis schloss. Wir hoffen, dass es mehr geben wird und dass im Laufe der Zeit mehr und mehr Menschen spüren, wie wir, dass sie zu Schönstatt gehören möchten.

2 Mission impossible? – Unmöglich oder doch?

Da waren wir also, zwei Methodisten, die Schönstatt zu ihrem Lebensinhalt gemacht hatten, bemüht, ganz aus Schönstatts Mitte und in dieser Mitte zu leben, aber ohne Gruppe und ohne Gemeinschaft im Rücken. Wir hatten im Lauf der Jahre Kontakt mit den Familien in Manchester, aber sie lebten weit weg. Wir haben uns einmal einer ihrer Familienwochen in Schönstatt angeschlossen, besuchten sie hin und wieder in Manchester, aber im Großen und Ganzen waren wir auf uns selbst gestellt. Was als nächstes passierte war, dass wir anfingen, mit den Leuten aus unserer Kirche über Schönstatt zu sprechen, und so geschah es, dass ein Ehepaar aus unserer Gemeinde in Cambridgeshire zweimal mit uns nach Schönstatt kam. Leider ist der Mann, Frank Searle, inzwischen verstorben, aber seine Witwe, Vi, hat weiterhin Interesse an Schönstatt und denkt sehr oft an die glücklichen Tage, die sie dort erlebt haben.

Unser nächster Umzug führte uns nach Tonbridge in Kent, und in einer neuen Umgebung und Situation fingen wir wieder von vorn an mit unserer Schönstattsendung.

Wir freundeten uns vor allem mit einem Ehepaar, Lynne und Hugh Taylor, an, die sich beide für das interessierten, was wir von Schönstatt erzählten. Mit war es Ende 1989 nicht gut gegangen, ich hatte mich einer Operation unterziehen müssen, und konnte daher die lange Fahrt nach Deutschland nicht machen. Wir waren immer mit dem Auto unterwegs gewesen, doch mir war es zu dem Zeitpunkt nicht möglich, die weite Strecke zu fahren. Unsere Freude boten an, uns in ihrem Auto an den Ort zu fahren, von dem wir so oft mit solcher Begeisterung gesprochen hatten, und so kamen wir im August 1990 mit ihnen zusammen. Hugh und Lynne gefiel, was sie sahen, aber am meisten gefallen haben ihnen die Leute, die wir trafen. Sr Jean war noch in Schönstatt zu dieser Zeit, allerdings schon dabei, sich auf die Rückkehr in ihre Heimat USA vorzubereiten. Ihre Nachfolgerin, Sr. Jessica, war gerade angekommen, und es war schnell klar dass sie genau so wie so viele andere darauf aus war, unseren methodistischen Freunden das Gefühl zu geben, herzlich willkommen zu sein. Nach unserer Rückkehr schrieb Lynne einen Artikel für unser Kirchenblättchen, erklärte, dass Schönstatt ein wunderbarer Ort sei und dass es herrlich wäre, wenn eine ganze Gruppe aus unserer Kirche dort einen Besuch machen würde.

Das "Heiligtum ohne Wände" wuchs weiter als wir 1991 die erste Gruppe von zwölf Personen nach Schönstatt brachten. Dem folgten zwei weitere Gruppen, zuletzt 1996. Bald darauf wurde das neue Schönstattzentrum in Schottland, Ballincleroch, eröffnet, und 1999 brachten wir eine Gruppe dorthin. Alle, die mit uns nach Schönstatt gekommen sind, fanden diesen Besuch bereichernd. Manche hatten natürlich Fragen, aber auch die mit echten Schwierigkeiten haben den Aufenthalt in guter Erinnerung. Was sie wirklich beeindruckt hat war die Freundlichkeit und Offenheit der Leute, denen wir begegnet sind – Schwestern, Patres, Mitglieder der Bewegung. Das "Heiligtum ohne Wände" braucht Begeisterte, die mithelfen, die bestehenden Gräben zu überwinden!

3 Marias Rolle

Früher oder später galt es, die Schönstatt-Spiritualität genauer zu untersuchen; das habe ich während meines dreimonatigen Sabbatikums Ende 1992 getan. Als Ergebnis meiner Studien habe ich eine Broschüre verfasst mit dem Titel: "Die Rolle Mariens im christlichen Leben". Es war dies der Versuch, einige der Fragen derjenigen zu beantworten, die mit uns in Schönstatt gewesen waren wie auch von Gemeindemitgliedern, die zwar nicht mitgefahren waren, aber doch Interesse zeigten. Während unserer Zeit in Tonbridge besuchten uns Sr. Margarita aus Schottland und Pater Brügger je einmal mit dem Ergebnis, dass sich zwei Gruppen bildeten. Es waren keine Schönstattgruppen im strengen Sinn, aber es ging darin um Fragen der Schönstattspiritualität.

Einer der Momente der Schönstattspiritualität, der als erstes ins Auge springt, ist die Betonung der Rolle Mariens. Manche meinten, das sei unnötig, als Christen hätten wir direkten Zugang zu Gott. "Wir brauchen Maria nicht", erklärten sie. Das ist einer der größten Schwierigkeiten für uns mit Schönstatt. Es stimmt allerdings auch, dass für viele aus unserer Kirche die Rolle Mariens überhaupt kein Problem war, im Gegenteil, sie akzeptierten ihre Bedeutung und hinterfragten sie nicht. Für diejenigen, denen Maria ein Hindernis war auf ihrem Weg zu Schönstatt, versuchten wir aufzuzeigen, wie Pater Kentenich Maria im Kontext des göttlichen Plans sieht, als Werkzeug für die Inkarnation.

Für viele Protestanten spielt Maria eine Rolle bei den Weihnachtsfeiern, und dann kommt sie für den Rest des Jahres in die Schublade. Ich persönlich bin überzeugt, dass die Hindernisse überwunden werden können und dass wir zu einem reicheren Verstehen unseres Glaubens kommen durch Maria; doch es ist notwendig, unsere protestantischen Freunde langsam, Schritt für Schritt zu diesem tieferen Verstehen zu führen.

Wenn das "Heiligtum ohne Wände" Wirklichkeit werden soll, dann muss die Rolle Mariens verstanden und geschätzt werden. Für eine ganze Reihe von Leuten war das Erschließen der Rolle Mariens eine regelrechte Befreiung. Eine Frau aus Tonbridge sagte bei einem Treffen nach der Fahrt nach Schönstatt: "Ich habe Maria immer geliebt, aber ich habe mich nie getraut, das zu sagen."

Mittlerweile bin ich im "Ruhestand" und wir sind in eine neue Gegend gezogen. Und hier geht die Arbeit weiter! Zwei Ehepaare aus diesem Ort haben Interesse für Schönstatt gezeigt und wir machen Pläne für einen Besuch im Mai 2002. Eine Frau aus dieser Gruppe hat in den letzten Wochen erstaunliche persönliche Erlebnisse mit Maria gehabt, und statt ein Hindernis zu sein, ist Maria für sie und damit für alle zu einer ausgesprochen starken Hilfe geworden. Wir erleben, wie Jesus uns tatsächlich einlädt, seine Mutter kennen- und lieben zu lernen und sehr konkret zu verstehen, dass sie auch unsere Mutter ist.

4 "Den Weg bereiten"

In all den Jahren, in denen wir Leute nach Schönstatt gebracht haben und auch, wenn wir allein gekommen sind, sind uns einige Dinge aufgefallen, die beachtet sein wollen, wenn Protestanten Schönstatt besuchen. Die Rolle Mariens habe ich schon erwähnt, aber es gibt weitere Momente. Katholiken sind daran gewöhnt, ihren Glauben in zahlreichen Zeichen und Symbolen auszudrücken. Wir sind dabei, es zu lernen – mittlerweile haben wir ein Kreuz in unserer Kirche, wir zünden öfters Kerzen an, aber wir bewahren die Eucharistie nicht auf und haben keinerlei eucharistische Verehrung. Wir haben keine Weihwasserbecken, wir machen keine Kniebeuge, und wir knien fast nie während des Gottesdienstes. Wir haben selten Bilder in den Kirchen, und Statuen kennen wir fast gar nicht. Ich spreche natürlich vom Methodismus aus, aber ich bin sicher, dass es bei Baptisten, Reformierten und anderen evangelischen Kirchen ähnlich ist.

Nun stellen sie sich einmal jemanden aus unseren Kirchen vor, der nach Schönstatt kommt: das MTA-Bild, der barocke Altar in den Heiligtümern, die Statuen, der Tabernakel und so viel mehr. "Ist das wirklich nötig?", würden sie fragen. "Man kann doch Gott auch ohne all diese Dinge verehren." Statt der Verehrung Gottes zu dienen, werden sie zum Hindernis.

Weil Schönstatt eine katholische Bewegung ist, müssen wir großzügig sein mit diesen Dingen, die so unnötig scheinen, bis sie auch für uns zu den vertrauten Zeichen werden, die das Heiligtum zu einem Gnadenort und zur Heimat machen.

Das braucht etwas Zeit, und wir haben die Erfahrung gemacht, dass diejenigen, die sich schwer tun mit den Symbolen, ein paar Tage brauchen, um sich zu akklimatisieren.

Ein anderes Hindernis, allerdings nicht begrenzt auch Nicht-Katholiken, ist die Sprache. Wenn man dauernd Gebete und Gottesdienst in einer unbekannten Sprache hört, dann fühlt man sich schnell isoliert. Wenn wir mit Gruppen in Schönstatt waren, sind wir sonntags immer in die Morgenmesse in der Anbetungskirche gegangen. Manche waren danach völlig perplex, und wir brauchten einiges, um zu erklären, dass die Liturgie eigentlich recht ähnlich ist wie unsere Abendmahlsfeier (wie wir die Eucharistie normalerweise nennen); dann fühlten sie sich schon eher zuhause.

Kulturschock, religiöse Unterschiede, neue Akzente – das alles schafft Schwierigkeiten, wenn Leute nach Schönstatt kommen. Diejenigen, die einen natürlichen Zugang zur Marienverehrung finden, denen unbekannte religiöse Praktiken nichts ausmachen und die Sprach- und Kulturunterschiede spielerisch ausgleichen, haben keinerlei Probleme. Aber unsere Erfahrung zeigt, dass auch diejenigen, die große Probleme damit haben, zu einer Wertschätzung der Sendung, Botschaft und Spiritualität Schönstatts kommen. Barrieren, Vorurteile und Misstrauen bricht zusammen, wenn Liebe sich Bahn bricht.

Ganz konkret ist Maria, die Mutter des Herrn, nicht nur das Objekt katholischer Verehrung, sondern die Mutter aller Christen. Diejenigen von uns, die das zu ihrer persönlichen Überzeugung gemacht haben, sind in eine tiefere Beziehung mit Jesus, dem Heiligen Geist und dem Vater gewachsen. Fernab davon, ein Hindernis zu sein, hat Maria uns dazu geholfen. Darum ist Schönstatts Spiritualität so wichtig und darum ist das Konzept des "Heiligtums ohne Wände" so notwendig.

5. Der Gründer-Einfluss

Ich dürfte diese kurze Zusammenfassung unserer Erfahrung des "Heiligtums ohne Wände" aber nicht schließen ohne ein Wort zu verlieren über die bedeutsame Rolle, die Leben und Beispiel Pater Kentenichs für die Schönstatt-Akzeptanz unserer methodistischen Freunde gespielt hat. Als wir das Pater-Kentenich-Haus besucht haben und die Diashow über sein Leben gesehen haben, als wir die Einsamkeit des Bunkers erlebt haben und seine Charakterstärke in Dachau und in der Auseinandersetzung mit kirchlichen Autoritäten (was uns ihn sehr sympathisch macht!), da waren wir jedes Mal neu beeindruckt von jemandem, der in all diesen Prüfungen das Beispiel eines Christen bleibt wie wir es zu leben anstreben. Er ist für uns zum Vorbild geworden, vor dem die Konfessionsgrenzen sich in Luft auflösen.

Ähnlich ging es uns in der Ausstellung der Schönstatt-Persönlichkeiten, den wir den "Raum des Persönlichen Ideals" nennen; wir fühlten uns eins mit dem mutigen und selbst-verleugnenden Leben so vieler der Schönstatt-Pioniere. Für uns sind sie alle zum Weg ins "Heiligtum ohne Wände" geworden. Wir wünschen uns, dass viele diesen Weg "hinein" finden und wie wir reich gesegnet werden.

16. November 2001, John und Jan Beebe

 



Zurück/Back: [Seitenanfang / Top] [letzte Seite / last page] [Homepage]

Last Update: 04.12.2001 13:21 Mail: Editor /Webmaster
© 2001 Schönstatt-Bewegung in Deutschland, PressOffice Schönstatt, hbre, All rights reserved