Oktoberwoche Schönstatt- 19.10.2001

Mit Leib und Seele lieben – Lebensvorgang Sexualität

Brüche und Umbrüche, Herausforderungen und Chancen – Vortrag von Pater Ludwig Güthlein

Pater Ludwig Güthlein, Schönstatt
Mind Map
Visualisierte Disposition des Vortrags
Father Ludwig Güthlein spoke about human sexuality.
Pater Ludwig Güthlein sprach über das Thema "Menschliche Sexualität"
 
 
 
 
 
Fotos: Brehm, POS © 2001

(mkf) Angestoßen durch den Blick auf Jugendliche und junge Menschen in der Schönstattbewegung ging es beim Studientag der Oktoberwoche um den Lebensvorgang Sexualität, um einen ersten Blick auf die veränderte Situation, Zugangswege, die ganzheitliche Sicht Pater Kentenichs und erste Überlegungen zu Konsequenzen für die Pastoral – vom leidvollen Wegschauen zu einem Weg, Menschen zu helfen, mit Leib und Seele zu lieben.

Neu war beides: das Thema, zumindest im Rahmen einer Oktoberwoche, und die Methode des Studientages. Dem Vortrag von Pater Ludwig Güthlein, Jugendseelsorger in der Schönstatt-Mannesjugend, folgte am Nachmittag eine Auswertung und Weiterarbeit in den Gliederungen. Pater Güthlein verstand den Vortrag nicht als Rezept, Positionsbestimmung oder Festlegung einer einheitlichen Linie Schönstatts, sondern als Impuls, den Lebensvorgang Sexualität in den Blick zu nehmen und zur Auseinandersetzung – reflexiv und pädagogisch – anzuregen.

Fünf Zugangsthemen: Brüche und Umbrüche

  1. Situationsblitzlicher, aktuelle Studien und eigene Erfahrungen – als Eltern, als Jugendseelsorger – zeigen ein Absinken des Alters der Geschlechtsreife, der sexuellen Erstkontakte sowie gravierende Veränderungen im gesamten Bereich des Umgangs mit menschlicher Sexualität.
  2. Zur Sprache gekommene Sexualität:
    Eine Kultur, für die Ehrfurcht durch Schweigen ausgedrückt wird, ist in Frage gestellt. Sexualität kommt heute zur Sprache. Pater Kentenich schützt die Ehrfurcht vor dem Geheimnis des Lebens nicht durch Schweigen, sondern durch Sinngebung und Durchsichtigmachen, und das bereits in der Zeit des Ersten Weltkriegs. Er klärte die jungen Männer auf, bevor sie zum Militär kamen, wollte sie nicht ohne Orientierung gehen lassen.
  3. Frühreife, Unreife, pubertäre Gesellschaft
    Die Kluft zwischen körperlicher Sexualreife und geistig-psychischer Reifung wird immer größer. Klarheit im Bereich der eigenen Sexualität und des Umgehens damit wird von Jugendlichen in einer Zeit gefordert, die von totaler Unsicherheit geprägt ist. Es sind Erwachsene, betonte Güthlein, die mit Filmen und Illustrierten Geld machen. Dem Beispiel Pater Kentenichs folgend, gelte es, die Mentalität des Guten Hirten auszuprägen.
  4. Sollen, wollen, können
    Treue, Familie - die klassischen Werte sind hoch im Kurs, nach wie vor. Dabei heißt "Treue" allerdings: Stehen zum Partner solange es glückt. In der Konfrontation mit Normen herrscht nicht nur im Bereich der Sexualität Scheu getreu der Mentalität: Ich halte das für mich für wichtig/gefährlich, wie andere damit umgehen, müssen sie selber entdecken. Die Verantwortungslosigkeit toleranter Nicht-Einmischung wird nicht empfunden. Pater Kentenich betont Wahrhaftigkeit und Treue als wichtigste Tugenden zur Zielausrichtung für lebenslang haltende Beziehungen.
  5. Geistliche-spirituelle Akzentverschieungen
    In Schönstatt werden die Berufung zur Ehe und zur gottgeweihten Ehelosigkeit als gleichwertige Berufungen gewertet. Das hat Konsequenzen sowohl in der Sicht von Ehe wie in der von zölibatärem Leben.

Grundlegung: Lebensvorgang Sexualität - die Heilige Stadt

Im Bild der "Heiligen Stadt" zeigte Pater Güthlein nun aus der Sicht Pater Kentenichs den Lebensvorgang Sexualität im Kontext einer ganzheitlich-organischen Spiritualität.

  1. Sexualität ist ein anthropologisches Grunddatum, an dem Lebenssinn und Lebenserfüllung hängen. Pater Josef Kentenich hat alles zurückgeführt auf die menschlichen Grundkräfte; und eben nicht auf Angst, sondern auf den Urtrieb Liebe.
  2. Der Mensch als leib-seelische Ganzheit
    Eine gewisse grundlegende Bejahung der Sexualität gehört bei Pater Josef Kentenich zu jedem Lebensweg; abwertende Strömungen gegen das Leibliche und Sexuelle, die das Christentum auch geprägt haben, will Pater Kentenich klären.
    Die Ganzheit der menschlichen Liebe ist eine vielschichtige Ganzheit. Ihm geht es nicht darum, eine einzige kirchliche Norm in Frage zu stellen, sondern an der Wurzel anzusetzen, bei der Ermöglichung von Normerfüllung durch das Verstehen menschlicher Sexualität von der Tiefe her. Bei Pater Kentenich gehören sexuelle, erotische, geistige und übernatürliche Liebe in wechselseitiger Ergänzung zusammen und sollen integriert gelebt werden. In einem von seiner organischen Denkweise her vertrauten Griff versteht er Sexualität als Ausdruck, Mittel und Schutz sowohl für eheliche Liebe wie selbst für ganzheitliche Liebe zu Gott. In der Ehepädagogik verweist er auf die bindende Funktion der Sexualität und betont, dass in einer bindungsschwachen Zeit alle bindenden Kräfte ausgewertet werden müssen.
  3. Eine angeschlagene Ganzheit
    Den kerzengeraden Weg zum Himmel gibt es nicht, er führt durch Bruch.
  4. Eine natürlich-übernatürliche Ganzheit
    Hier rührt Pater Kentenichs Sicht der Sakramentalität der Ehe an das Moment des Staunens. Das vollkommenste Abbild des Dreifaltigen Gottes sind die Eheleute im Moment des ehelichen Aktes, hält er fest. Das Sehen-Können Gottes in allem Geschaffenen, auch und gerade im Geschlechtlichen, gehört zum radikal Neuen seiner Botschaft.

Konsequenzen, Chancen und Herausforderungen

Einige Ansätze in Blick auf einen Weg zum Leben und Vermitteln einer so gesehenen Geschlechtlichkeit zeigte Pater Güthlein im abschließenden dritten Teil seines Vortrags auf:

  1. Unbefangenheit und Gespräch
    Die Art der Befangenheit hat sich verändert. Die Befangenheit im Aussprechen früherer Generation ist zur Gefangenheit in Zweideutigkeiten geworden. Es gilt, klärend und sinngebend zu sprechen und eine Sprache zu finden für den verlorenen Symbolgehalt der Sexualität
  2. Persönlichkeitsstärkung
    In einem Alter, wo es so wichtig ist dazuzugehören, erwarten wir Gegensatzbewusstein von den Jugendlichen. Die schönstättischen Jugendgemeinschaften müssen wir noch mehr verstehen als Räume, wo sich Eigenart von männlicher und weiblicher Identität entfalten kann. Die geschlechtsspezifische Jugendarbeit, schon von früh an, gibt den Raum, unbefangen und konkret über Gefühle und Sexualität zu reden.
  3. Körperkultur
    Der Fitness-Welle ist die Wellness-Welle gefolgt. Die heutige Kultur ist eine Körperkultur.
    Lebens- und Kleidungsstil sind nicht zuerst Vermeidungsrichtlinien, sondern dienen der Kultivierung eines gesunden Körpergefühls. Schutz beginnt mit Faszination. Verzicht ist erst möglich, wenn die Werthaftigkeit der zu opfernden Wirklichkeit erlebt ist.
  4. Beheimatung in klarer Orientierung
    Es geht darum, mit Klarheit den Ernst und die Wichtigkeit des Themas zu vermitteln und gleichzeitig die Botschaft der zweiten Chance; im Potential der Bekehrung liegt das Potential zur Heiligkeit. Wichtig ist die Vermittlung oder das Erfahren, mit der eigenen Einstellung zur Sexualität nicht allein zu stehen. Klarheit auch in der Beurteilung von objektiv nicht den christlichen Normen entsprechendem Verhalten; Freiheit des Willens und klare Einsicht in die Schwere des Vergehens fehlen oft, so dass die objektive Konsequenz – Ausschluss von den Sakramenten – subjektiv selten gegeben ist.
  5. Geistliche Herausforderung
    Es geht um den eigenen Glaubenssprung und die Herausforderung an die Eindeutigkeit des eigenen Lebensentwurfes. Und zum Schluss geht es um Gott als den Vater der Liebe – den Vater der barmherzigen Liebe und die "außergewöhnliche Größe dieser barmherzigen Liebe" (J.Kentenich, 13.12.1965)

Starke Resonanz

Nicht nur der starke Beifall, sondern auch die nachmittäglichen Besprechungen und viele Bemerkungen und Kommentare am Samstag zeigten, wie stark dieser Vortrag und diese Thematik an einen Lebensnerv getroffen hatten und wie intensiv der Wunsch nach Weiterarbeit an diesem Thema ist.



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Last Update: 20.10.2001 23:27 Mail: Editor /Webmaster
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