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 published: 2006-10-20

Bundesspiritualität - in oder neben Brennpunkten unserer Kultur?

Podium: Aus dem Liebesbündnis leben in konkreten Berufs- und Lebenssituationen

 

Podium in der Aula der Anbetungskirche

 

Péter Brantzen, Darmstadt: "Wenn ich an Brennpunktre denke, dann ist unsere Aufgabe zu schauen, was bewegt die Menschen, was haben wir für sie dabei, was können wir in Bewegung bringen!"

 
 

Birgitt Winter, Königstein: "Es geht um Ehrfurcht und die Freude daran, wie wir gemeinsam arbeiten für die gute Sache."

 
 

Dr. Daniela Mohr-Braun, Kastellaun: "Beten Sie, dass sich für die Menschen in Lantershofen ein Weg in die Weite öffnet."

 
 

Dr. Josef Wieland, Rümmingen: "Bund macht Mut, die Zukunft hat begonnen."

 
 

P. Dr. Paul Vautier, Schönstatt: "Das Liebesbündnis ist der Weg, wie wir wahrgenommen werden und andere wahrnehmen."

 
 

Moderation: P. Ludwig Güthlein, Schönstatt

 

Fotos: POS Brehm © 2006

 

OKTOBERWOCHE, mkf. Als vor einigen Wochen ein Team der KNA in Schönstatt war, um einen Artikel zum Thema Schönstatt zu machen, da stand als Thema bei einer Interviewpartnerin nur: "Es funktioniert". Es funktioniert: das, was als Spiritualität und Fülle an Charisma über Schönstatt bezeugt werden kann, das funktioniert tatsächlich, das funktioniert im Alltag, im Beruf, im Härtetest. "Es funktioniert", das kann man auch am Abend des 19. Oktober sagen, nach dem Gespräch über Bundesspiritualität auf dem Prüfstein des normalen Lebens: in der forensischen Psychiatrie und im Bildungszentrum der Lufthansa und anderswo.

"Die teure Business School hat auch keine besseren Ideen!" Selbstverständlich und selbstbewusst aus der verinnerlichten Bündnisspiritualität heraus den konkreten Berufsalltag meistern, ist eins. Entdecken, dass darin auch Potential liegt für die Gestaltung der beruflichen Tätigkeit und dies dann auch konkret anwenden, das ist das andere. Die teure Business School hat auch keine besseren Ideen. Péter Brantzen wendet in seiner verantwortungsvollen Tätigkeit im Bildungszentrum der Lufthansa die Elemente der Schönstatt-Pädagogik an und setzt etwa mit Action Plan, Visions- und Teilzielstrategien auf in der Schönstatt-Spiritualität gut bekannte Methoden. Sie heißen in Schönstatt nur anders, aber das ist Nebensache. Tolle Anregung für einen eher spontan (chaotisch) veranlagten Schönstatter im Publikum, für den es schon ein Ereignis ist, seinen Action Plan (= GTO) jeden Abend zu finden. Ist wohl doch die Mühe wert...

Jeden anderen als Partner sehen und ernst nehmen

Birgitt Winter arbeitet als Übersetzerin bei "Kirche in Not" in Königstein – zusammen mit 75 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen aus 18 Ländern, aus verschiedenen katholischen Bewegungen, aus der evangelischen Kirche und dem Feld der sich der Kirche vorsichtig nähernden Christen.

Die Not der Welt in den Blick und ins Gebet nehmen, das sei etwas, das sie aus ihrem Liebesbündnis mitnehme in ihre Arbeit, aber vor allem habe sie in Schönstatt gelernt, jeden anderen als Partner sehen und ernst zu nehmen. Auch die Einstellung zu den Projektpartnern sei davon geprägt: Viele Besuche kommen, und es gilt, den anderen anzunehmen, den Reichtum der anderen zu sehen, nicht nur den Bittsteller und Bedürftigen. Es heiße, zu fragen: Was brauchst du eigentlich, was brauchst du wirklich - und nicht, was denken wir von Deutschland aus, was du brauchen solltest und was nicht. Es sei dieses marianische Einfühlen etwa in die chinesische Innigkeit des Glaubens oder das Gespür, dass auch in einem bitterarmen Land Afrikas die Kapelle nicht nur einfach, schlicht und praktisch, sondern auch schön sein müsse. "Wie kann ich euren Gott ernst nehmen, wenn ihr ihn in einer Garage anbetet?", wurde eine Christin in einem überwiegend muslimisch geprägten Land gefragt.

Für Birgitt Winter ist Maria im Liebesbündnis zudem die Frau der Synthese, die Frau des "und". Und was sie auch aus ihrem Schönstatthintergrund einbringt, ist das Gespür für Atmosphäre und ihre Bedeutung, konkret angewendet etwa im Bemühen um eine ansprechende Gestaltung von Besprechungsräumen.

Elementarisierung

Die Referentin des Vormittags, Dr. Daniela Mohr-Braun, gab Zeugnis von ihrem Arbeiten aus dem Liebesbündis Lanterhofen, wo Männer auf dem dritten Bildungsweg auf den Priesterberuf hin theologie studieren. Ihr Stichwort war "Elementarisierung". Die Männer, die in Lantershofen ausgebildet werden, kommen aus profanen Berufen und haben in der Regel kein Abitur, sondern Real- oder Hauptschulabschluss, und gehen von da aus ins Theologiestudium. Da ist in der Vermittlung eine Elementarisierung nötig, so die Referentin, und "Josef Kentenich ist darin ein Meister".

Sympathisch ihre spontane und überzeugte Aussage, dass es für sie selbstverständlich sei, "unserem Gründer eine Vorlesungsstunde zu gönnen" und in ihrem Beruf "selbstverständlich Schönstätter zu sein, das wissen da alle."

Es ist erlaubt, so Daniela Mohr-Braun, in der Landschaft der Wissenschaftlichkeit Josef Kentenich ins Gespräch zu bringen.

Die Farbe rot

Die Farbe rot spielt eine Rolle im Berufsleben von Dr. Josef Wieland. Rote Pigmente, für LCD-Displays, beispielsweise. "Sie sind überall drin, wirken im Verborgenen und haben einen starken Effekt", heißt es in einer Werbung seiner Firma, und damit, so Herr Wieland, haben sie eine Menge gemeinsam mit den Schönstättern. Das ist aber bei weitem nicht die einzige Verbindung zur Bündnisspiritualität.

Die Wirtschaft taufen, die soziale Frage angehen, heben, was Pater Kentenich in der Industriepädagogischen Tagung gesagt hat, die Mitte zwischen dem Wunsch nach Freiheit und dem nach Solidarität – extrem ausgeprägt in Kapitalismus und Sozialismus – finden: Themen, um die sich ein Weiterdenken im Bereich der Wirtschaft von Schönstatt aus dreht. Aber es geht auch um ein Denken von der Wirtschaft aus. Jim Collins, Management-Experte und einer der bedeutendsten"Wirtschafts-Gurus" der USA mit Büchern wie "Built to last "und "Good to great" (in Deutsch "Der Weg zu den Besten"/ "Immer erfolgreich"), zeigt auf, wie Firmen zu Spitzenfirmen werden und warum sie es bleiben. Einen gemeinsamen Nenner fanden er und sein Team bei der Analyse von den Firmen, die über lange Zeiträume hinweg an der Spitze blieben: Entscheidend war die Persönlichkeit des Firmenführers in kritischen Phasen, mit den beiden Merkmalen persönlicher Bescheidenheit und Konsequenz in der Verfolgung von Zielen. Die persönliche Bescheidenheit zeigt sich dabei an der Art, wie man über Mitarbeiter denkt und spricht. So ähnlich kann man die Gründungsurkunde lesen... und findet Überraschendes. Qualitätsarbeit liefern und Gewinn machen, Wertschätzung gegenüber fremden Kulturen und Mentalitäten, das konkurrenz- und neidfreie Zusammenbringen von Menschen, Wagemut und Zuversicht auch dann, wenn der Wind ins Gesicht bläst, einfach mal losgehen und machen – all das, so Wieland, lernt man im Liebesbündnis und braucht man in der Wirtschaft und nicht nur da.

Warum es gut war, dass die ersten Pilger in Tuparenda Analphabeten waren

Als Theologe war schließlich Pater Paul Vautier vom Moderator dieses Nachmittags, Pater Ludwig Güthlein, angefragt worden, zum Thema Bündnisspiritualität zu sprechen.

Im gegenwärtigen theologischen Diskurs, so Pater Vautier, der in der Aus- und Weiterbildung der Schönstatt-Patres arbeitet, ist das Thema Bündnisspiritualität keins. Mariologie begnügt sich, wenn es sie denn überhaupt gibt, mit Dogma und biblischem Ansatz. Anwendung des Marianischen in der Pastoral wird nicht reflektiert.

Pater Vautier brachte eine überraschende Wende in den Gedankengang, indem er Liebesbündnis als Elementarisierung des Glaubens aufzeigte. Dabei ging er aus von der angesichts der 50.000 am Vortag zum Fest des Heiligtums in Tuparenda gepilgerten Menschen hochaktuellen Erfahrung der Vorbereitung der ersten Pilger zum Liebesbündnis aus, vor Jahren in Tuparenda. Diese waren nämlich überwiegend Analphabeten aus der einfachsten Bevölkerungsschicht. Im Umgehen mit ihnen habe er erfahren: diese Menschen haben kein Buch gelesen zur Vorbereitung auf das Liebesbündnis, aber sie haben eine tiefe Beziehung aufgebaut zu dieser Muttergottes von Schönstatt. Glaube ist keine Theorie, sondern eine personale Angelegenheit. Wir lernen Glauben über Personen, über Biograhien. Und man schließt das Liebesbündnis "freigewählt und freigewollt": man macht das, weil man das will. Diese einfachen Leute fühlten sich als Mitarbeiter aufgewertet, ernst genommen als freies, mitwirkendes Wesen.

Es geht um das Liebesbündnis mit der Mutter, die das Kind auf ihren Armen trägt – ein Einbringen des Mütterlichen in die Kulturen ist damit angesagt.

Weiter ist das Liebesbündnis ein Heilmittel gegen das tief verwurzelte Minderwertigkeitsgefühl in vielen von der europäischen Kolonisierung im Selbstbewusstsein verletzten Völker.

Das Schließen des Liebesbündnisses ist ein geschichtliches Ereignis, wird zu einer persönlichen Geschichte – das, was die "Story-Theologie" so stark als wesentlich betont: Christentum ist nicht zuerst eine Lehre, sondern die Geschichte Gottes mit den Menschen und die Geschichte von Menschen mit Gott.

Und schließlich stellt das Heiligtum denen, die unterwegs sind in Räumen, die keine Heimat sind, einen bleibenden Ort an den Lebensweg.

Und darum war es gut, dass die Pilger damals in Paraguay nicht lesen und schreiben konnten: sie haben einen neue Sicht des Liebesbündnisses erschlossen.

Ein Satz zum Schluss

Anstelle der vorgesehenen Diskussion war nur noch Zeit, dass jeder der Teilnehmer einen Satz zum Schluss sagen konnte: persönlich und programmatisch.

  • Birgitt Winter: Es geht um Ehrfurcht und die Freude daran, wie wir gemeinsam arbeiten für die gute Sache
  • Dr. Josef Wieland: Bund macht Mut, die Zukunft hat begonnen.
  • Dr. Daniela Mohr-Braun: Beten Sie, dass sich für die Menschen in Lantershofen ein Weg in die Weite öffnet.
  • Péter Brantzen: Wenn ich an Brennpunktre denke, dann ist unsere Aufgabe zu schauen, was bewegt die Menschen, was haben wir für sie dabei, was können wir in Bewegung bringen!
  • Pater Dr. Paul Vautier: Das Liebesbündnis ist der Weg, wie wir wahrgenommen werden und andere wahrnehmen.

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