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 published: 2006-09-12

Letzte Erinnerungen an Pater Kentenich

Pater Humberto Anwandter, Chile, berichtet von seiner letzten Begegnung mit Pater Kentenich am 14. September 1968

 

El 15 de septiembre se celebra en todo el mundo el 38° aniversario del fallecimiento del Padre José Kentenich

On September 15, the 38th anniversary of Father Joseph Kentenich’s death is commemorated all over the world

Am 15. September wird der 38. Jahrestag des Sterbens von Pater Josef Kentenich begangen – weltweit

 

 

La alfombra roja en la antigua sacristía de Iglesia de la Adoración, lugar donde murió después de celebrar la Santa Misa

The red carpet in the former sacristy of the Adoration Church marks the place where he died after celebrating Holy Mass

Der rote Läufer in der ehemaligen Sakristei der Anbetungskirche zeigt den Ort, an dem er nach der heiligen Messe verstarb

 
 

Casa Marienau, lugar del ultimo encuentro del P. Humberto Anwandter con el Padre

House Marienau, place of the last encounter of Father Humberto Anwandter with Father Kentenich

Haus Marienau, Ort der letzten Begegnung von Pater Humberto Anwandter mit Pater Kentenich

 
 

Un lugar de presencia del Padre

A place of Father Kentenich’s presence

Ein Ort, an dem man die Nähe Pater Kentenichs sucht und erfährt

Fotos: POS Fischer © 2006

 
   

PJK. Ich war in Lateinamerika gewesen und am 7. September 1968 nach Schönstatt zurückgekommen. Als ich mich vor der Abreise von Herrn Pater verabschiedet hatte, war es ihm gesundheitlich nicht gut gegangen, doch bei meiner Rückkehr machte er einen guten Eindruck. Ich habe zuerst am Telefon mit ihm gesprochen, ihm etwas erzählt vom Besuch in Südamerika, sprach von Chile, dann von Ecuador, und mittendrin unterbrach er mich: "Entschuldigung, Pater, da kommen die Schwestern, die beim Katholikentag in Essen waren, ich rufe Sie später diese Woche wieder an!" Danach, so wusste ich, hatte Herr Pater sich in die Marienau zurückgezogen, um die Oktoberwoche vorzubereiten. Wenn er sich zur Arbeit zurückzog, konnte man ihn nicht besuchen. Am Freitag, 13. September, rief der Rektor der Marienau mich an und sagte: "Herr Pater lädt dich für morgen zum Mittagessen ein." Am Morgen des 14. September gegen 11.00 Uhr rief er wieder an: "Entschuldigung, aber Herr Pater kann nicht, weil ein Bischof gekommen ist, der mit ihm reden möchte, ein anderes Mal dann..." Am Nachmittag um 17.00 Uhr der nächste Anruf: "Sie können mit Herrn Pater zu Abend essen." Das wurde meine letzte Begegnung mit ihm.

Als ich zur Marienau kam, waren Mons. Schmitz und Vikar Engel im Esszimmer und sagten mir: "Herr Pater ist gerade ans Telefon gerufen worden, es ist Bischof Tenhumberg, er kommt später, wir sollen schon mal anfangen zu essen." Wir begannen, und kurz darauf kam Herr Pater, ganz jovial, wir begrüßten ihn und er sagte: "Sie haben viel zu erzählen, aber erst erzähle ich etwas, Bischof Tenhumberg wollte mit mir sprechen, weil Prälat Wissing ihn angerufen hat."

"Sie wird das Herz von irgend jemandem bewegen"

Es ging dabei um das zukünftige Heiligtum in Bonn, auf dem Kreuzberg, einem Hügel, aufdem eine alte Wallfahrtskirche von den Franziskanern betreut wurde. Dort ist eine Nachbildung der Heiligen Stiege. Die Franziskaner wollten sich dort zurückziehen, und Prälat Wissing und Bischof Tenhumberg suchten nach Möglichkeiten für den Bau eines Heiligtums in Bonn. Prälat Wissing sagte, es sei notwendig für die ausländischen Missionare, die dorthin kämen, einen Ort der Begegnung mit Schönstatt zu haben, und Bischof Tenhumberg dachte an die Diplomaten. Der erste Kontakt mit Schönstatt, so sagte er, könne nicht mit dem Urheiligtum sein, denn sie würden kaum nach Vallendar reisen, aber wenn sie Schönstatt in Bonn kennen lernten, sei das ein erster Schritt. Natürlich gab es größere finanzielle Schwierigkeiten, und sie hatten Herrn Pater gebeten, in der Oktoberwoche darüber zu sprechen, damit sich die Familie dafür verantwortlich sehe. Und Herr Pater sagte uns dazu:

"Ich habe ihm gesagt, dass die Familie momentan dazu nicht bereit wäre, die Gemeinschaften bauten ihre Generalate und hätten keine Mittel für dieses Projekt, wohl Gnadenkapital, doch er solle Vertrauen haben, denn wenn die Gottesmutter dahinter stehe, würde sie schon das Herz von irgend jemandem bewegen, der Geld für den Bau hätte."

Es hat sich später wirklich geregelt. Weder die Patres noch die Schwestern konnten den Kreuzberg übernehmen, und so haben es die Marienbrüder getan.

Der Beitrag Schönstatts zur Soziallehre der Kirche

Danach erzählte ich ihm von Südamerika, von Brasilien, Argentinien, Chile, Ecuador. Er nahm das alles in sein Herz auf. Nach einiger Zeit sagte er: "So, und jetzt essen Sie und ich erzähle über die Oktoberwoche."

Es war gerade die berühmte Enyklika Humanae Vitae herausgekommen, und der Apostolische Nuntius war zu Herrn Pater gekommen, um ihn zu bitten, diese zu unterstützten, denn vom deutschen Episkopat sei eine wenig günstige Reaktion darauf gekommen. Herr Pater war dazu bereit.

1968 war das Jahr von Freis berühmter Revolution in Freiheit. Ich erzählte Herrn Pater, dass ein Jesuit, Pater Roger Veckeman, ein Projekt zur Sozialreform entwickelt habe. Er hatte in der Zeitschrift Mensaje einen Artikel über dieses Projekt und die Soziallehre der Kirche veröffentlicht. Daher gab es nun viele Fragen nach dem Beitrag Schönstatts in dieser Richtung. Herr Pater antwortete mir:

"Sprechen Sie mit Vikar Engel, ich habe über das Thema gesprochen, als die Wirtschaftskrise in Deutschland war, Anfang der dreißiger Jahre; die Prinzipien, die darin stehen, sind auch heute noch gültig."

Später ist in Chile das Buch "Zur sozialen Frage" herausgekommen, um dessen Übersetzung sich Rodrigo Ossandón gekümmert hat, darin sind diese Vorträge alle enthalten.

Objektive Gründe allein reichen nicht – das Gesetz der Geöffneten Tür

Danach nahm die Unterhaltung eine interessante Wende. Ich sagte ihm, in Chile wolle die Bewegung Schönstatt in einem Land gründen, wo es noch nicht präsent sei, und die als ins Auge gefassten Länder seien Mexiko und Kolumbien. "Und warum?", war seine Frage. "Weil es große Länder sind, sehr katholisch, weil sie Berufungen haben und Schönstatt noch ncht da ist. Darauf sagte Pater Kentenich zwei bedeutende Dinge:

"Objekive Gründen allein reichen nicht. Wir müssen nach Mexiko und Kolumbien gehen, aber die Frage ist wann: Wann ist der richtige Moment? Ich habe nie etwas getan, nur weil es objektiv so war, sondern habe immer auf ein Zeichen der Vorsehung gewartet, das mir die geöffnete Tür gezeigt hat, das mir gezeigt hat: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt. Ich rate Ihnen, abzuwarten, Gott wird schon den den richtigen Zeitpunkt un den richtigen Ort zeigen."

Genau so ist es später. Ein mexikanischer Priester, der in Rom studierte, traf dort Bischof Cox, der im Päpstlichen Rat für die Familie wirkte. Er lernte Schönstatt kennen und begann die Bewegung in Mexiko. Die Schwestern kamen dorthin und baten die Patres um Unterstützung.

Herr Pater sagte damals weiter:

"Wenn eine Gründung beginnen soll, schicken Sie nie nur einen allein; es muss eine Gemeinschaft sein, wenigstens drei. Nicht nur, damit sie Gemeinschaft haben, sondern weil Schönstatt sehr komplex ist und man nicht erwarten kann, dass ein Einzelner alles verstanden und die Spiritualität Schönstatt als Ganzes harmonisch verinnerlicht hat. Das Normale ist, dass jeder einen bestimmten Aspekt betont. Es ist wichtig, eine Gemeinschaft am Anfang zu haben, denn so ergänzen sich sich gegenseitig. Wenn man nur einen Einzelnen schickt, muss man bald danach einen zweiten und dritten schicken."

Ich reise vorher...

Nach dem Thema Oktoberwoche sagte ich zu Herrn Pater: Herr Pater, in Sudamérica werden Sie erwartet!

"Ich hoffe, nach Südamerika zu fahren, habe aber den Reiseplan etwas geändert."

Zu diesem Zeitpunkt war Schönstatt in Lateinamerika vertreten in Chile, Argentinien, Uruguay, Brasilien und Ecuador, und gemeinsam hatte man die Hin und Rückfahrt Pater Kentenichs mit Gnadenkapital und "anderem" Kapital erarbeitet, und die Übergabe war am 2. Februar 1967 gewesen. Die Patres waren in einem internationalen Terziat, die Schwestern in ihrem Pro-Kapitel, und Patres und Schwestern gingen gemeinsam zu Herrn Pater, um ihm sein Ticket zu überreichen. Wir gaben es ihm in einem verschlossenen Umschlag: Herr Pater, hier ist das Gnadenkapital für Ihre Reise nach Südamerika!

"Oh, schön." - Aufmachen! Er öffnete den Umschlag und sagte: "Ein Lufthansa-Ticket!"

Er war überrascht, hatte er doch gedacht, es sei nur eine symbolische Geste, Ausdruck des Gnadenkapitals., "Und welches Datum hat der Flugschein?" Das müssen Sie festlegen, sagten wir.

Schwester Aloysia, die damals eine seine vier Sekretärinnen war, erzählte uns, dass Herr Pater später im Jahr sie fragte: "Wann läuft das Ticket aus, das mir die Südamerikaner geschenkt haben?" Sie sagte: "Ich glaube bald, wir müssen nachschauen, ja, es läuft am 2. Februar 1968 aus." "Dann müssen wir es verlängern lassen, denn ich kann nicht fahren."

Im August fragte er Schwester Aloysa erneuet, wann das Ticket auslaufe, und sie sagte, Anfang 1969. "Ah, dieses Jahr brauchen wir es nicht verlängern lassen, denn ich reise vorher."

An diesem Abend des 14. September sagte er mir: "Ja, ich fahre, aber es gibt eine Änderung, ich fahre nicht zuerst nach Bellavista, sondern zuerst nach Milwaukee, weil schon so viel Zeit vergangen ist, aus Dankbarkeit all denen gegenüber, die so viel für mich getan haben in diesen Jahren, und von da aus dann nach Bellavista und danach die Rundreise."

Das war seine ausdrückliche Absicht am Abend vor seinem Heimgang. Zu diesem Zeitpunkt hatte Herr Pater keinerlei Vorahnung seines baldigen Sterbens, er hatte Pläne für die Oktoberwoche und wollte reisen.

Für die armen Patres in Sonneck

Beim Abschied sagte mir Herr Pater: "Jetzt holen sie gleich ab, ich gehe heute abend wieder nach oben, ins Schulungsheim, weil ich morgen Messe mit der Metternicher Provinz habe."

Das ist die Provinz des Mariengartens. Kurz danach kam Schwester Bernhildis im Auto, um ihn abzuholen. Als er vor dem Aufzug stand, um sich zu verabschieden, sagte Vikar Engel: "Herr Pater, diesem schicken Sie nichts für die Patres?" – Denn immer, wenn ich zu ihm kam, hatte er ein Geschenk mitgegeben. "Sie haben Recht", sagte er, ging zurück ins Esszimmer, schaute sich um, erblickte den Obstkorb, den ihm die Oberin von Sonneck geschickt hatte, und sagte mit einem Lächeln: "Das ist für die armen Patres in Sonneck..."

Es war sein letztes Geschenk. Als er in den Aufzug ging, habe ich ihn zum letzten Mal im Leben gesehen.

15. September 1968

Für mich war es ein totales Schock, weil ich ihn so gesund erlebt hatte. Am anderen Tag hatte ich Messe in Schönfels, im alten Noviziatshaus der Schwestern, genau um viertel nach sieben. Ich war schon für die Messe angekleidet und dabei, aus der Sakristei auszuziehen, als die Schwester mir sagte: Pater Anwandter, warten Sie doch einen Moment, die Oberin ist gerade ans Telefon gerufen worden, sie kommt gleich wieder. Die Schwester kam auch wieder, doch statt auf ihren Platz zu gehen, kam sie in die Sakristei und sagte: Pater Anwandter, beten Sie besonders für Herrn Pater, sie haben aus der Anbetungskirche angerufen, er ist zusammengebrochen! Nicht im Traum habe ich gedacht, dass er gestorben wäre, denn ich hatte ihn doch am Abend zuvor noch gesehen; ich habe gedacht, es sei nur ein Zusammenbruch... Nach der Messe ging ich gleich nach Sonneck; an der Pforte stand Pater Bodo Erhard, der Generalobere, und war am Telefonieren. Das machte mich stutzig, um diese Zeit war er sonst nie da. Ich fragte ihn: Wie geht es Herrn Pater? Und er fragte: Weißt du denn nicht??? "Klar weiß ich Bescheid", sagte ich, er hatte einen Zusammenbruch, darum frage ich ja wie es ihm geht. Da sagte er: "Nein. Herr Pater ist tot."

Ich hatte gehört, dass das passiert: man hört etwas und registriert es doch nicht. Ich hatte das nie verstanden. Jetzt passierte es mir. Ich hatte gehört: "Herr Pater ist tot", aber es war wie wenn eine Münze partout nicht in den Schlitz passen will. Ich weiß nicht, wie lange es gedauert hat, aber es war eine ganze Zeit, in der ich einfach nicht begriff. Dann sagte Pater Erhard: Wenn du willst, fahre ich dich rauf. Kurz nach acht Uhr kam ich an, Herr Pater lag dort, wo heute der Teppich ist, den Kragen geöffnet, ein weißes Taschentuch unter dem Bart, es war, als schliefe er, ich habe mich hingekniet, meinen Rosenkranz in seine Hände gelegt, gebetet, mein Liebesbündnis erneuert und ihm zum Abschied ganz sanft die Stirn geküsst.

Pater Bodo sagte: ich warte draußen auf dich und hole Pater Menningen. Mich hat sehr getroffen, wie ich Pater Menningen gesehen habe: er saß in einer Ecke der heutigen Gründerkapelle auf einem Hocker und war am Boden zerstört. So hatte ich ihn noch nie gesehen. Als ich sagte: Gehen wir?, ließ er sich führen wie ein Kind. Er schien den Boden unter den Füßen verloren zu haben. Der Tod Herrn Paters hatte ihn völlig überrascht.

Das sind meine Erinnerungen an meine letzte Begegnung mit Herrn Pater vor seinem Tod am 15. September 1968.

Anmerkung: Die von Pater Humberto Anwandter frei wiedergegebenen Worte von Pater Kentenich sind aus dem Spanischen zurückübersetzt, sind damit nicht als wörtliche Zitate zu verstehen. Um den Fluss des Zeugnisses nicht zu stören, wurde auf Wiedergabe in indirekter Rede verzichtet und der Stil der wörtlichen Rede beibehalten.


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