Stellungnahme - Statement - Opinión
 published: 2006-03-15

Dreifaltiges Defizit

Eine Stellungnahme zu Karikaturenstreit, Pressefreiheit und dem vielbeschworenen "Zusammenprall der Kulturen" von Joachim Schwind, Fokolar-Bewegung

 

Unidad en la diversidad ....

Unity in diversity ...

Einheit in der Vielfalt...

 
 

... aceptar lo diferente del otro...

...accepting the other one being different...

…im Annehmen des Anderen beim Anderen…

 
 

... según el modelo de la Santisima Trinidad

... according to the model of the Holy Trinity

… nach dem Bild der Heiligsten Dreifaltigkeit

Fotos: Crivelli © 2006

 

 

 

STELLUNGNAHME. Nun muss man den amerikanischen Politikwissen-schaftler Samuel Huntington wohl endgültig zum Propheten erklären. 1993 veröffentlichte er die These vom "Clash of Civilizations", vom Zusammenprall der Kulturen. Demnach hätten die Nationalstaaten als zentrale politische Akteure ausgedient. Sie würden abgelöst durch Kulturen, zwischen denen es zu weltweiten gewalttätigen Auseinandersetzungen kommen würde, insbesondere zwischen Muslimen und Nichtmuslimen.

Nach all dem, was sich im Zusammenhang mit den Mohammed-Karikaturen ereignet hat, scheint sich Huntingtons Prophezeiung zu erfüllen. Wütende muslimische Menschenmassen vor brennenden europäischen Botschaften scheinen das Bild zu bestätigen, das der Harvard-Professor vor 13 Jahren gezeichnet hat.

Wie immer in aufgeheizten Situationen kann ein kühler Blick sehr aufschlussreich sein. Viele Kommentatoren weisen zu Recht darauf hin, dass die Ausschreitungen offenkundig von interessierter Seite geschürt werden. Gerade in Staaten, in denen diktatorische Regime ums Überleben kämpfen, ist eine solche Ablenkung des Volkszorns sehr willkommen. In diesem Fall handelte es sich aber noch nicht um den Zusammenprall der Kulturen an Stelle der Nationalstaaten. Vielmehr bedienen sich offenbar immer noch einzelne Nationalstaaten des religiös-kulturellen Kontextes, um ihre bröckelnde Macht zu erhalten.

Auch im Westen fördert ein genaueres Hinsehen auf den Konflikt Interessantes zu Tage. Das hohe Gut der Meinungsfreiheit stehe auf dem Spiel, heißt es. Erstaunlicherweise wird dies besonders nachhaltig von Politikern verkündet, die ansonsten gerne der Presse die Grenzen ihrer Freiheit aufzeigen, etwa wenn es um die angebliche oder tatsächliche innere Sicherheit geht. Hier also: Abwägung von Gütern, dort: Absolutheitsanspruch eines Grundwertes. So misst man mit zweierlei Maß!

Was tun? Ich möchte denen, die - bisweilen sehr lauthals - die Rückbesinnung auf die christlichen Werte des Abendlandes einfordern, gerne Recht geben. Mit einer Ergänzung: Wir haben noch längst nicht verstanden und schon gar nicht umgesetzt, was dies bedeutet.

"Ein Defizit an trinitarischem Glauben" bescheinigte der Freiburger Theologe Gisbert Greshake jüngst in einer Tagung der Katholischen Akademie in Bayern dem Abendland - von Anfang an bis heute. Der Glaube an einen dreifaltigen Gott verlange wesenhaft "die Beziehung zum anderen ...und die Gemeinschaft mit ihm". Die Folge daraus sei nicht "Selbstbestimmung gegen das andere", sondern "Selbstbestimmung aus und durch das Mitsein sowie durch die Hingabe an den anderen".

Christlich-abendländische Kultur kann - wenn sie wirklich christlich und damit trinitarisch ist - nie mit einer anderen Kultur zusammenprallen. Sie wird, ganz gleich wer oder was ihr gegenüber steht, immer die Beziehung suchen, ungeachtet aller modernen Propheten.

Joachim Schwind ist Chefredakteur der Monatszeitschrift Neue Stadt, herausgegeben von der Fokolar-Bewegung.

 


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Last Update: 15.03.2006 Mail: Editor /Webmaster
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