Zum Weiterdenken - Considerations - Para reflexionar
 published: 2005-12-13

Vierzig Jahre Abschluss des Konzils – 8. Dezember 1965 - 2005

Predigt von Pater Dr. Joachim Schmiedl, am 08. Dezember 2005 in der Anbetungskirche, Berg Schönstatt

 

 

 

Liebe Schönstattfamilie,

heute vor 40 Jahren war auch für den Münsteraner Bischof Heinrich Tenhumberg ein voller Tag. Am Vormittag des 08. Dezember 1965 wurde auf dem Petersplatz das Zweite Vatikanische Konzil feierlich beendet. Eine Eucharistiefeier in Konzelebration wurde ergänzt durch die Proklamation von Grußworten der Konzilsväter an einzelne Stände und Berufsgruppen. Wie die Eröffnung am 11. Oktober 1962 war auch die Beendigung des Konzils ein großes Ereignis, in die ganze Welt ausgestrahlt. Bei solchen Momenten zeigte sich eben auch damals schon die Medienpräsenz der katholischen Kirche - oder wie es ein evangelischer Theologe vor kurzem bedauernd formulierte: "Hannover und Rom, das ist wie Regionalliga und Champions League".

Für Bischof Tenhumberg war der Tag damit noch lange nicht zu Ende. Er fuhr zum Haus der Mainzer Vorsehungsschwestern und bekam gerade noch den Schluss des langen Vortrags Pater Kentenichs mit. In die Geschichte ging er ein als Vortrag zur geistigen Grundsteinlegung des Rom-Heiligtums. Wegen eines japanischen Bischofs, den er zu Besuch erwartete, ging Pater Kentenich nicht mit nach Belmonte, wo am Nachmittag der MTA-Bildstock gesegnet wurde. Vierzig Jahre später wird heute Nachmittag dort der erste Bauabschnitt des Zentrums eingeweiht. Wir sind geistig mit den Wallfahrern und der römischen Schönstattfamilie verbunden.

Das Ereignis des Konzils

Bischof Tenhumberg schreibt in sein Tagebuch: "Die Abschlußfeier des Konzils war ebenso wie die gestrige letzte Sessio publica ein außerordentliches Ereignis."

In dieser letzten Sessio wurden bedeutende Dokumente verabschiedet, unter anderem die Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute, und es wurde nach über 900 Jahren der Kirchenbann zwischen der West- und der Ostkirche aufgehoben.

Man kann auch nach 40 Jahren nicht über das Konzil reden, ohne dieses Ereignis zu würdigen. 2500 Kardinäle, Bischöfe und sonstige Konzilsväter viermal für jeweils etwa drei Monate an einem Ort versammelt, dazu noch einmal mehrere Hundert Theologen sowie Journalisten und sonstige Begleiter - alles in allem ein Team von 10000 Personen. Das Ergebnis: sechzehn Dokumente mit sehr unterschiedlichem Umfang und Gewicht, alle Teil einer umfassenden Reflexion der Kirche über sich selber. Dazu die Akten der Versammlungen, insgesamt über 60 dicke Foliobände mit jeweils etwa 800 Seiten Umfang, das allermeiste auf Latein. Eine kaum mehr zu übersehende Menge an Material, beeindruckendes Zeugnis für die Produktionskraft einer weltweit agierenden und präsenten Kirche.

Auch inhaltlich ging es ja vor allem um die Kirche. Dass Kirche mehr ist als der Papst und weiter als die lateinisch gefeierte Liturgie, merkten die Bischöfe spätestens in der Begegnung mit ihren Nachbarn, die ihnen in der Konzilsaula zugeteilt worden waren nach dem Weihealter, und in den Gottesdiensten in verschiedenen Riten, die jeden Morgen gefeiert wurden. So war es fast schon selbstverständlich, dass das erste Dokument des Konzils über die Liturgie ging. Aber es war anders als geplant und auch anders als es vorher üblich war: Den konkreten Regelungen war ein theologischer Teil vorgeschaltet. Gott ist anwesend - er wirkt - in der Gemeinde - durch den Priester - er ist da in Wort und Sakrament. Vor die konkreten Reformvorschläge wurde ein theologischer Teil gesetzt - das war wegweisend für die Art und Weise, in der das Konzil arbeitete, Geistpflege im besten Sinn des Wortes und für den Umgang mit Liturgie bis heute maßgebend.

Kirche lebt zweitens immer von der lebendigen Begegnung mit Gott. Diese geschieht in erster Linie durch sein Wort, das uns in der Heiligen Schrift entgegenkommt. Die Hochachtung, die das Konzil der Bibel geschenkt hat, gehört zu den großen Voraussetzungen für die Ökumene, für die Einheit aller Christen. Hier liegt unsere gemeinsame Wurzel, hier liegt das Fundament des Gottesbundes. Und es ist für das Konzil ganz wichtig geworden, dass auch nicht-katholische Beobachter anwesend waren. Man redet einfach anders übereinander, wenn der andere auch mit anwesend ist. Da schimpft es sich einfach viel schwerer. Das Konzil hat wesentliche sind Beziehungen entstanden. Ich war gerade auf einer Tagung, wo ein lutherischer Bischof ein Beispiel erzählt hat aus Afrika, am Haus seines lutherischen Bischofs fuhr jeden Tag ein katholischer Priester mit seinem Motorrad vorbei; sie sahen sich, begegneten sich aber nie. Eines Tages hielt er mit seinem Motorrad an, ging ins Haus hinein und sagte: Wir erhielten Instruktionen vom Vatikan, von jetzt ab sollen wir Freunde sein. Der Bischof hat seinen Vortrag dann damit geschlossen: Diese Instruktionen haben wir nicht vom Vatikan erhalten, sondern das ist die Instruktion Jesu: Ihr seid meine Freunde. Liebt einander. Ich denke, dass dies ein ganz wichtiger Vorgang ist, der auch bei uns vielfach gelaufen ist, und der für die Ökumene der Herzen, wie wir im Anschluss an Stuttgart 2004 immer wieder auch formulieren, ganz zentral ist.

Noch aber sind wir auf verschiedenen Wegen zu diesem Ziel unterwegs. Wir sind es aber als Volk Gottes, das um Papst und Bischöfe geeint ist, aber aus der gemeinsamen Berufung zur Heiligkeit lebt. Die Kirche hat auf dem Konzil die Vielfalt der Charismen wieder entdeckt. Charismatisch begabt sind nicht nur die Bischöfe und Priester, sondern alle, die sich auf den Weg der Nachfolge Christi begeben haben, alle Getauften. Jeder und jede darf und soll die persönlichen Fähigkeiten zum Aufbau der Kirche einbringen und ausnutzen. Dann kann die Kirche auch ihren Beitrag leisten zur Gestaltung einer besseren Welt.

Auf diesem Weg geht die Gottesmutter Maria mit. Bis heute gehört es zu den oft missverstandenen Wirkungen des Heiligen Geistes, dass es kein eigenes Schema über die Gottesmutter gegeben hat. Ich glaube, wir dürfen sagen: Gott sei Dank; hier hat der Heilige Geist seine Hand im Spiel gehabt. Dass Maria als Vollendung der Kirche vorgestellt wird, rückt sie uns an die Seite, lässt sie uns aber auch voran gehen. Das Wort unseres Gründers, sie ist die Dauergefährtin und Dauergehilfin Christi beim gesamten Erlösungswerk, ist eine gute Zusammenfassung des achten Kapitels der Kirchenkonstitution. Wir dürfen dankbar sein, dass diese zentrale Intuition unseres Gründers vom Konzil so schön erfasst und aufgegriffen wurde.

Das Konzil und Schönstatt

Schönstatt und das Konzil. Wir denken dabei natürlich an die Ereignisse aus der vierten Sessio, als P. Kentenich durch das Telegramm nach Rom gerufen wurde und in vielen Verhandlungen seine Rehabilitierung erreicht werden konnte. Das "Wunder der Heiligen Nacht" lässt uns heute noch dankbar auf diese Monate zurückschauen. In den Worten Tenhumbergs: "Umso bedeutsamer ist dann, wenn die Schönstattentwicklung so sichtbar der konziliaren Entwicklung parallel ging. So ist es gewiss auch mehr als ein Zufall, dass der Gründer Schönstatts ausgerechnet die letzte Phase des Konzils in Rom miterlebte und Schönstatt so seine besondere Sendung in der Verwirklichung der Konzilsanliegen sehen darf."

Der vierte Meilenstein der Geschichte Schönstatts zeigt uns die Bewegung in engem Zusammenhang mit den Konzilsereignissen. Nicht zufällig fällt die Wende in der Verbannungsgeschichte des Gründers mit der berühmten Rede von Kardinal Frings zusammen. Dessen Forderung nach einer Reform der Kurie, besonders des Heiligen Offiziums, teilte unser Gründer, der wie viele andere unter dieser Kirchenbehörde zu leiden hatte. Noch einmal Tenhumberg: "Zu den Geschenken der Gottesmutter gehört es sicher auch, dass die Kirche die Erneuerung der Kurie mit der Erneuerung des Hl. Offiziums begonnen hat, dessen neues Statut gerade vorgestern verkündet wurde. Auch das fällt auf eine gewiss nicht zufällige Weise mit der Rehabilitierung von Herrn Pater Kentenich zusammen. Alles in allem also:Mater perfectam habuit et habebit curam."

Schönstatt und das Konzil bedeutet aber nicht nur Kirchenkritik. Es kam unserem V ater und Gründer zeit seines Lebens auf die Verbindung von Glaube und Leben an. Auf dem Konzil wurde das unter dem Stichwort "pastoral" verhandelt. In den Worten Johannes XXIII., dass die Kirche kein Museum, sondern ein lebendiger Garten sei, hätte unser Vater sich sicher wiedergefunden.

Doch wie kann die Stimme Gottes in den vielen Stimmen der Zeit herausgehört werden? In der Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute wurde dafür das Schema der CAJ angewendet: Die Situation der Welt sehen, sie im Licht des Evangelium beurteilen und danach handeln. Es mag nicht zufällig sein, dass zur selben Zeit unser Gründer seine Methode entwickelt hat, die Zeichen der Zeit zu deuten. Bei ihm ist es ein Viererschritt: beobachten, vergleichen, straffen und anwenden. In der "Spurensuche" praktizieren wir es im Dialog mit Gott bis heute.

Das Konzil geht weiter

Diese positive Sicht auf das Konzil mag uns nach 40 Jahren etwas blauäugig erscheinen. Hatte nicht P. Kentenich selbst davon gesprochen, dass die negativen Auswirkungen die Fortschritte überwiegen würden? Und dass es mindestens 50 Jahre dauern würde, bis wir die "Erfolge" einheimsen könnten?

Vieles bleibt als Auftrag. Die großartige Zusammenschau des Kirchenbildes braucht die Umsetzung in die zu verändernden kirchlichen Strukturen unserer Tage. Die "Zeichen der Zeit" zu erkennen, zu deuten und daraus unseren Auftrag im Apostolat und im Berufsleben herauszulesen, ist ebenfalls eine nie abzuschließende Aufgabe. Dass uns der Dialog mit den Weltreligionen betrifft, haben wir seit der Oktoberwoche neu gezeigt bekommen. Und unsere Zukunft als Geistliche Bewegung können wir auch nicht allein gestalten, sondern nur in Solidarität mit anderen geistgewirkten Aufbrüchen, ob sie nun katholischen oder evangelischen Ursprungs sind.

Und hier kommen wir auf die Gottesmutter Maria zurück, deren Erwählung und unbefleckte Empfängnis wir heute feiern. Sie ist die geisterfüllte Frau. So wie sie mit ihrem Sohn Jesus alle Ereignisse und Etappen seines Lebens gelebt und durchgelitten hat, so geht sie auch heute mit der Kirche. Sie hilft der Kirche von heute, zu einer neuen missionarischen Dynamik zu gelangen. Im Missionsdekret heißt es: "Die pilgernde Kirche ist ihrer Natur nach missionarisch" (AG 2,1). Am Anfang der missionarischen Tätigkeit der Kirche steht Maria, wie sie an Pfingsten die Apostel ermutigt und im gleichen Geist, durch den sie den Erlöser empfing, zur Dynamik des Zeugnisses befähigt. Bitten wir sie um ein neues Pfingsten für die Kirche von heute, um missionarischen Geist, um marianischen Geist. Amen.

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Last Update: 13.12.2005 Mail: Editor /Webmaster
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