Zum Weiterdenken - Considerations - Para reflexionar
 published: 2005-12-13

Die Zukunft der Ökumene

Festvortrag von Kardinal Walter Kasper anlässlich des Patronatsfestes der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Pallottiner, Vallendar am 8. 12. 2005

 

 

 

Cardenal Walter Kasper

Cardenal Walter Kasper

Kardinal Walter Kasper

 

Fotos: POS Fischer © 2005

 
   

Heute, genau vor 40 Jahren, am 8. Dezember 1965, ist das 11. Vatikanische Konzil zu Ende gegangen. Diejenigen die alte genug sind um sich noch an die Konzilszeit erinnern zu können, wissen, es war eine große Zeit, angefüllt gewiss mit Spannungen und harten Diskussionen, aber auch mit großen Erwartungen; es herrschte Aufbruchstimmung. Das Ende des Konzils war zugleich ein neuer Anfang. Vieles hat sich seither in der Kirche und zwischen den Kirchen verändert. Das heißt ganz gewiss nicht, dass die nachkonziliare Kirche eine neue Kirche wäre; sie ist die eine Kirche aller Zeiten, aber die eine Kirche, die nicht eine alte Kirche ist, die eine Kirche vielmehr, die sich stets jung und erneuerungsfähig zeigt, die aus dem Reichtum ihrer Tradition immer wieder neu Kraft und Schwung schöpft um in die Zukunft auszugreifen. Nach dem Kirchenvater Irenäus von Lyon ist es die Aufgabe des Hl. Geistes, das ein für alle Mal überlieferte Evangelium stets jung und taufrisch zu erhalten (Adv. haer. IIL 24, 1).

I. Wo stehen wir?

Zurr Erneuerung hat nicht zuletzt das Konzilsdekret über den Ökumenismus "Unitatis redintegratio" beigetragen. Es ist das erste ökumenische Dokument eines Konzils. In ihm hat das Konzil die ökumenische Bewegung als einen Impuls nicht des Geistes der Zeit sondern des Hl. Geistes (UR 1, 4) und die Wiederherstellung der Einheit der Christen als eine seiner Hauptintentionen bezeichnet. Entsprechend beginnt das Dekret mit den Worten: "Die Einheit aller Christen wiederherstellen zu helfen, ist eine der Hauptaufgaben des Heiligen Ökumenischen Zweiten Vatikanischen Konzils" (UR 1).

Das Konzil hat diese Intention zweifach begründet: Mit dem Willen Jesu Christi, zu dem die Spaltung der Christen in klarem Widerspruch steht, und mit der "heiligen Sache" der missionarischen Verkündigung des Evangeliums, der durch die Spaltung Schaden zugefügt wird. Für beide Anliegen kann sich das Konzil auf das Abschiedsgebet Jesu berufen. Denn am Abend vor seinem Leiden und Sterben hat Jesus gebetet, "dass alles ein seien", und er hat hinzugefügt: "damit die Welt glaubt" (Joh 17,21). Dieses Gebet ist Jesu Testament, sein letzter, uns verpflichtender heiliger Wille; in ihm bilden das ökumenische und das missionarische Anliegen eine Einheit.

Seit der Konzilserklärung vor 40 Jahren ist deutlich geworden: Ökumene ist in der Tat ein Abenteuer des Hl. Geistes. Im November des letzten Jahres hat der Päpstliche Einheitsrat zum 40. Jubiläum des Konzilsdekrets in Rocca di Papa einen Kongress veranstaltet, zu dem alle Bischofskonferenzen der Welt und Vertreter aller Kirchen, mit denen wir im Dialog stehen, eingeladen waren. In einem Film haben wir das Geschehen dieser 40 Jahre in Momentaufnahmen Revue passieren ließ. Ich habe selbst gestaunt, was an damals Revolutionären, heute weithin selbstverständlich Gewordenen schon im Pontifikat von Papst Paul VI. geschehen ist: Bisher als unvorstellbar gehaltene Begegnungen mit Kirchenführern anderer Kirchen, vor allem mit dem ökumenischen Patriarchen Athenagoras und die Aufhebung des Kirchenbannes zwischen Rom und Konstantinopel am Vorabend des feierlichen Abschlusses des Konzils.

Als dann Johannes Paul II Papst wurde, haben viele dem Papst aus Polen ökumenisch nicht viel zugetraut. Sie haben sich getäuscht. Vom ersten Tag an bezeichnete er die Entscheidung des 11. Vatikanischen Konzils als irreversibel. Als erster Papst schrieb er 1995 eine Enzyklika über den Einsatz für die Ökumene, in der er feststellte, das ökumenische Bemühen sei keine Nebensache sondern "eine der pastoralen Prioritäten" seines Pontifikats (UUS 99).

Als Kardinal Josef Ratzinger zum Papst gewählt wurde und den Namen Benedikt XVI. annahm, gab es wieder viele, welche die Sorge hatten, der Kardinal, welcher die Erklärung "Dominus Jesus" (2000) unterschrieben hatte, könne wohl kein Freund der Ökumene sein; manche mögen das sogar gehofft und erwartet haben. Doch schon am ersten Tag machte er den Sorgen wie diesen Erwartungen ein Ende, indem er die Einheit der Kirche als seine die Priorität erklärte. Die Reden, welche er seither etwa beim Empfang der Vertreter des Weltrates der Kirchen, des Lutherischen Weltbundes und in Köln bei der Begegnung mit den Vertretern der anderen Kirchen und Kirchengemeinschaften gehalten hat, zeigen dass es ihm damit ernst ist.

Am ökumenischen Engagement der katholischen Kirche kann also kein Zweifel bestehen. Das hindert nicht, dass wir wie bei dem genannten Kongress nüchtern bilanzieren und Licht und Schatten der gegenwärtigen ökumenischen Situation herausstellen müssen. Zu den lichtvollen Seiten gehört, dass die ökumenische Bewegung in der katholischen Kirche fast überall rezipiert ist, d.h. sie ist angekommen und angenommen. Sie wird fast überall als eine hoffnungsvolle Zukunftsperspektive gesehen. Die anderen Christen werden nicht mehr als Gegner oder Konkurrenten wahrgenommen, sondern als Brüder und Schwestern in Christus. Wir leben, arbeiten und beten zusammen. Johannes Paul II. hat zu echt die Neuentdeckung der christlichen Brüderlichkeit als die wichtigste Frucht der Ökumene bezeichnet (UUS 42). Damit befinden wir uns zu Beginn des 21. Jahrhunderts in einer Situation, von der man zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht einmal zu träumen gewagt hätte.

Wo Licht ist, da fällt auch Schatten. In den letzten 40 Jahren hat die ökumenische Bewegung viele Phasen durchlaufen: auf die enthusiastische Phase am Anfang, wo viele meinten, die Einheit sei schon zum Greifen nahe, folgten Phasen der Ernüchterung und der Enttäuschung, manchmal Phasen einer Krisen- und Katerstimmung.

Beide Urteile halten der Wirklichkeit nicht stand. Es ist wahr: wir haben das Ziel, die volle sichtbare Kirchengemeinschaft noch nicht erreicht, und der Weg dorthin scheint uns heute länger und mühsamer zu sein als am Anfang vermutet. Aber die geschehenen

Annäherungen sind unbestreitbar, sowohl auf der Ebene der Kirchenleitungen wie auf der Ebene des kirchlichen Lebens vor Ort. Ausnahmen, die es leider gibt, bestätigen die Regel. Fortschritte sind auch gegenwärtig noch möglich.

Nur drei Beispiele von vielen aus dem Bereich der offiziellen Ökumene: Der von vielen schon tot gesagte internationale Dialog mit den orthodoxen Kirchen wird in er nächsten Woche wieder aufgenommen; die Dialogkommission mit dem Lutherischen Weltbund wird zu Beginn des neuen Jahres ein Dialogpapier zur Apostolizität der Kirche verabschieden; schließlich will die methodistische Weltgemeinschaft bei ihrer Vollversammlung in Seoul im Juli nächsten Jahres der "Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre" beitreten. V on einem ökumenischen Winter oder gar von einer Eiszeit zu rede, ist also zuminderst reichlich übertrieben.

Wir sollten freilich auch die Schattenseiten, die Probleme und die Kritik an der ökumenischen Bewegung zur Kenntnis nehmen. Sie kommen aus verschiedenen Richtungen. Da gibt es auf der einen Seite die weit verbreitete Kritik, dass alles viel zu langsam geht, ja dass die Bewegung schon wieder zum Stillstand gekommen oder gar auf dem Rückwärtsgang sei. Andere befürchten, Ökumene führe zur Auflösung der jeweiligen konfessionellen Identität. Die einen haben Angst über eine Protestantisierung der katholischen Kirche, die anderen fürchten, die evangelischen Partner lassen sich über den Tisch ziehen. Wieder andere sind grundsätzlich der Meinung, Ökumene führe zu dogmatischen Relativismus und Indifferentismus. Ökumene ist daher für manche geradezu zu einem Reizwort geworden, zum Inbegriff

aller Häresien und zum Ausdruck des apokalyptischen Versuchs einer antichristlichen Welteinheits-Kirche, vor der bereits die Johannesapokalypse gewarnt haben soll. Solches kann man in manchen orthodoxen Kreisen hören, ebenso bei manchen evangelikalen und pentekostalen Gruppierungen, die gegenwärtig vor allem in der südlichen Hemisphäre fast explosionsartig zunehmen.

Bei uns in Deutschland ist solche Total- und Frontalkritik eher selten; aber es gibt ernst zu nehmende Theologen, die entweder vornehme "Zurückhaltung" üben oder Kritik an der so genannten Konsensökumene vortragen und ihr eine konfessionelle Profilierung durch Abgrenzung gegenüberstellen. Von evangelischer Seite wurde Kritik vor allem gegenüber der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre (1999) laut, gegenüber der Erklärung der Glaubenskongregation "Dominus Jesus" (2000) schwoll sie dann mächtig an. Umgekehrt wurden von katholischer Seite einige Stellungnahmen aus der EKD und der VELKD sowie der Rückzug aus der gemeinsamen Arbeit an der "Einheitsübersetzung" kritisch und mit Bedauern zur Kenntnis genommen.

Erschwerend ist vor allem, dass im Verhältnis zu einigen evangelischen Kirchen neue, bisher nicht gekannte Unterschiede in moralischen Fragen zu Tage getreten sind, Fragen welche die Heiligkeit des Lebens und die Sexualethik betreffen. Solche neue Unterschiede erschweren das gemeinsame Zeugnis in der säkularisierten Welt von heute.

So ist die ökumenische Atmosphäre in Deutschland, aber auch andernorts in Europa seit dem ökumenischen Kirchentag in Berlin gereizter und schwieriger geworden. An die Stelle einer Hermeneutik des Vertrauens ist leider oft eine Hermeneutik des Verdachts getreten. Es bedarf eines neuen, solid begründeten ökumenischen Schwungs. Denn der Auftrag Christi steht eindeutig fest. Johannes Paul H. hat formuliert: "An Christus glauben heißt die Einheit wollen" (UUS 9).

In diesem Sinn möchte ich auf die Frage eingehen: Wie soll und wie kann es in der Ökumene weitergehen? Ich kann und will kein vollständiges Programm entfalten. Neue Kraft und neuen Schwung erhalten wir nicht durch ausgeklügelte Aktionsprogramme, sondern durch neue und vertiefte Besinnung auf die Grundlagen und das Ziel. In diesem Sinn möchte ich auf der Grundlage der katholischen Prinzipien des Ökumenismus einige mir wichtig erscheinende Wegmarkierungen vorzutragen. Ich möchte fünf Thesen aufstellen und eine Schlussbemerkung hinzufügen.

II. Wohin gehen wir?

1. Die Ökumene der Zukunft muss seriös sein. Mehr akademisch ausgedrückt: Die Ökumene der Zukunft muss sich über ihre Grundlagen im Klaren sein. Was von jeder seriösen Theologie gilt, gilt selbstverständlich auch von der ökumenischen Theologie; sie muss wie jede Wissenschaft von klaren Prinzipien ausgehen. Diese Grundlagen sind nicht ein sentimentales vages Zusammengehörigkeitsgefühl, ein verwaschener Humanismus oder eine Allerweltsreligion, die sich in einen diffusen dogmatischen Relativismus oder Indifferentismus auflöst.

Nach katholischem Verständnis besteht die Grundlage der ökumenischen Dialogs im Zeugnis der Hl. Schrift so wie diese in dem uns gemeinsamen Glaubensbekenntnis und in den Bekenntnissen der ersten Konzilien interpretiert wird und wie sie in der Taufe auf

den dreifaltigen Gott zum Ausdruck kommt. Auf Grund der einen Taufe sind wir in Christus; alle Christen stehen damit in einer realen, wenngleich noch nicht vollen Gemeinschaft und dürfen sich gegenseitig den Ehrentitel des "Christen" zuerkennen. V on dieser gemeinsamen Grundlage geht die ökumenische Theologie aus.

Diese Grundlage kommt auch in der Basisformel des Weltrates der Kirchen zum Ausdruck; sie wird vom Ökumenismusdekret des H. Vatikanischen Konzils ausdrücklich zitiert (UR 1). Dort heißt es, die ökumenische Bewegung werde von Menschen getragen, welche den dreieinigen Gott anrufen und Jesus als Herrn und Erlöser bekennen. Was uns verbindet ist also der gemeinsame Christus glaube und das trinitarische Bekenntnis.

Diese gemeinsame Grundlage wurde in der Studie des WRK über das Nikaiakonstantinopolitanische Glaubensbekenntnisse "Confessing the one Faith" ("Gemeinsam den einen Glauben bekennen")(1991) kommentiert und in seiner Bedeutung für heute dargelegt. Leider ist diese Studie wenig rezipiert und leider nicht von allen Partnern angenommen. Das gilt auch von der 1999 in Augsburg unterzeichneten "Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre". Auch sie ist zentral, denn in der sie Rechtfertigung geht es darum, was Jesus Christus, was Kreuz und Auferstehung für uns bedeuten, was es also bedeutet durch Jesus Christus erlöst, gerechtfertigt und geheiligt zu sein. Auf dieser gemeinsamen Grundlage können wir gemeinsam Zeugnis geben von dem, was die Mitte des Evangeliums ausmacht. Das ist in unserer säkularisierten Welt nicht wenig. Umso bedenklicher, dass diese gemeinsame Grundlage nicht mehr von allen angenommen wird.

So gehört es zur Seriosität ebenfalls, dass wir auch die Differenzen, welche leider zwischen uns stehen, nicht verschweigen oder verharmlosen. Dazu gehört vor allem die Frage, wie das gemeinsame Zeugnis der Hl. Schrift verbindlich zu interpretieren ist. Das Verhältnis von Schrift und Tradition sowie von Schrift und kirchlichem Lehramt ist noch nicht gelöst. Dieser Dissens hat letztlich zu der bedauerlichen Aufkündigung des Projekts einer gemeinsamen Bibelübersetzung geführt. Daneben sind trotz mancher Annäherungen die gleich noch zu nennenden Fragen des Kirchenverständnisses wie der Marien- und Heiligenverehrung noch offen.

Ökumene setzt also Klarheit Wahrheit und Wahrhaftigkeit voraus. Dialog kann ich nur mit jemand führen, der selbst eine Position hat und der sich zu seiner Position bekennt; nur er kann auch die Position eines anderen achten. Es ist daher nicht der geringste Grund der gegenwärtigen krisenhaften Phänomene, dass viele Christen nicht mehr wissen, was Christsein und erst recht was Evangelisch-, Orthodox- oder Katholischsein bedeutet oder dass ihnen die konfessionellen Unterschiede gleichgültig geworden sind. Gleichgültigkeit ist kein Fundament sein, auf das man bauen kann.

Die Ökumene der Zukunft setzt daher christliche Initiation, d.h. eine solide ganzheitliche Einführung in den Glauben und in das Leben der Kirche voraus. Viele Christen sind getauft ohne evangelisiert zu sein und ohne jemals durch eine gründliche Katechese wirklich in den Glauben eingeführt worden zu sein. Hier liegt das Grundproblem beider Volkskirchen. Vielen Diskussionen mangelt es an Information über das eigne Glaubensbekenntnis und das der anderen Christen. So gibt es noch immer viele Vorurteile und Missverständnisse. Ignoranz und Indifferenz sind der größte Feind der Ökumene. Als erstes ist darum solide ökumenische Theologie und ökumenische Bildungsarbeit angesagt. Bildung und Fortbildung sind heute in allen Lebensbereichen notwendig, auch im kirchlichen Bereich und nicht zuletzt in der Ökumene.

2. Zur Seriosität in den Grundlagen kommt die Klarheit in der Zielbestimmung. Der gemeinsame ökumenische Weg setzt ein gemeinsames Ziel voraus. Hat man kein gemeinsames Ziel, besteht die Gefahr, dass man sich, ohne es zu wollen. in verschiedene Richtungen bewegt und am Ende weiter auseinander ist als zuvor. Die Basisformel des WRK definiert dieses Ziel als sichtbare Einheit. Die letzte Vollversammlung des WRK in Harare (1998) hat freilich eingeräumt, dass gegenwärtig kein voller Konsens darüber besteht, was sichtbare Einheit konkret meint, dass wir also keine "common vision", keine gemeinsame Vision haben. Der Mangel einer gemeinsamen Zielvorstellung ist neben der Unklarheit in den Grundlagen das wohl schwerwiegendste gegenwärtige ökumenische Problem.

Übereinstimmung besteht darüber, dass Einheit nicht Uniformität bedeutet. Es geht um die Einheit der Kirche, aber nicht um eine Einheitskirche. Der Papst hat bei der ökumenischen Begegnung in Köln noch einmal deutlich gesagt: Was wir wollen ist "Einheit in der Vielfalt und der Vielfalt in der Einheit". Doch was ist mit dieser Formel gemeint? Bei genauerem Zusehen ist sie alles andere als eindeutig.

Die katholische Kirche versteht darunter - und dabei stimmt sie mit der orthodoxen Position grundsätzlich überein - eine Einheit im einen Glauben, in denselben Sakramenten und im einen apostolisch begründeten Bischofsamt. Verschiedenheit dagegen ist möglich in den Ausdrucksformen des einen Glaubens, in den sakramentalen Riten sowie in der Ausgestaltung des kanonischen Rechts.

So hat die katholische Kirche die christologischen Bekenntnisse der orientalischorthodoxen Kirchen, welche die Formel des Konzils von Chalkedon (451) nicht annehmen aber mit etwas anderen Formulierungen sachlich dasselbe glauben, offiziell anerkannt. Ebenso kann man den Filioque-Zusatz im Credo, der uns von der Ostkirche unterscheidet, nicht als kontradiktorische sondern als komplementäre und Wahrheit verstehen (vgl. Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 246-248). Schließlich hat die katholische Kirche in der "Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre" eine legitime Einheit in der Vielfalt anerkannt. Die katholische Kirche achtet und schätzt die orientalischen Riten, und sie anerkennt das Recht der orientalischen Kirchen sich nach ihren eigenen Ordnungen zu regieren (UR 16).

In weiten Teilen der evangelischen Seite hat sich in den letzten Jahrzehnten eine andere Auffassung der Einheit in der Vielfalt durchgesetzt. Man beruft sich dafür auf den Art. 7 der CA mit dem berühmten Formel "satis est"; danach ist es zur Einheit der Kirche genug einen Grundkonsens in der Lehre des Evangeliums und der evangeliumsgemäßen Verwaltung der Sakramente von Taufe und Abendmahl zu haben, dass aber im Verständnis und in der Gestalt der Ämter in der Kirche grundlegende Unterschiede möglich sind.

Auf dieser Grundlage haben die Kirchen lutherischer und reformierter Tradition, die bis dahin keine Kommuniongemeinschaft hatten, 1973 in der Leuenberger Konkordie Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft und damit Kirchengemeinschaft aufgenommen; sie taten dies, obwohl zwischen ihnen weiterhin lehrmäßige Unterschiede im Eucharistieverständnis wie im Kirchen- und Amtsverständnis bestehen. Das mag innerevangelisch als Fortschritt bewertet werden; für katholisches Verständnis ist dies keine hinreichende Grundlage für Kirchen- und Kommuniongemeinschaft, denn dies keine Einheit in der Verschiedenheit sondern nach wie vor Verschiedenheit ohne wirkliche bzw. ohne hinreichende Einheit.

Wir haben also unterschiedliche ökumenische Konzepte und sind uns nicht einig, wohin die ökumenische Reise gehen soll. Dieser Unterschied hängt mit unserem unterschiedlichen Verständnis der Kirche zusammen. Auch hier gibt es zwar einen grundlegenden Konsens. Für beide Partner ist die Kirche nicht eine rein soziologische Größe, sondern - wie es die Hl. Schrift ausdrückt - der Leib Christi und der Bau im Hl. Geist. Der Unterschied betrifft die Frage inwiefern die Kirche heilsvermittelnd ist. Ist der einzelne Christ unmittelbar zu Gott, oder ist er in seinem persönlichen Gottesverhältnis an die Gemeinschaft in und mit der konkreten Kirche gebunden? So stehen sich also ein mehr individualistisches protestantisches und ein mehr gemeinschaftsbezogenes katholisches Kirchenverständnis gegenüber. Damit verbunden ist die Frage, ob das Bischofsamt in apostolischer Nachfolge, das für uns im Petrusamt seine Einheit seine Einheit stiftende Mitte hat, wesentlich zur Kirche gehört und für die Einheit der Kirche notwendig ist.

Um also in diesen Fragen weiterzukommen hat die Kommission des WRK "Glaube und Kirchenverfassung" das Projekt der "Nature and purpose of the Church" ("Das Wesen und die Bestimmung der Kirche") aufgelegt. Dieses hat für uns eine hohe Priorität. Denn nur auf dem Weg einer Klärung des Kirchenverständnisses und der Bedeutung der Kirche für den einzelnen Christen können wir den Unterschied in der Zielbestimmung der Ökumene überwinden und eine gemeinsame ökumenische Vision entwickeln.

3. Wenn Ausgangspunkt und Ziel klar sind, kann man den Weg beschreiben, welcher zu diesem Ziel führt. In diesem Sinn wenden wir uns jetzt der Frage zu: Wie sollen wir in der Ökumene in der nächsten Zukunft konkret weiterkommen?

Der ökumenische Weg geschieht auf vielen Ebenen und in vielfältiger Weise. Er geht nicht nur den Weg der akademischen Dialoge oder gar nur der Kirchendiplomatie, sosehr beides auch mit dazu gehört. Grundlegend ist der Dialog des Lebens. Zu ihm sind alle Christen berufen und befähigt. Gemeint sind die Kontakte und Begegnungen im Alltag, der Austausch, die gemeinsamen Erfahrungen und das gemeinsame Zeugnis, die gegenseitige Hilfe und die Zusammenarbeit. Dazu gehören nicht zuletzt Freundschaften, welche auch in schwierigen Situationen halten und zusammenhalten. Gott sei Dank sind in den letzten Jahrzehnten viele solcher konfessionsübergreifender Freundschaften entstanden. Sie sind etwas vom Schönsten und vom Wertvollsten.

Zusammenarbeit und vor allem Freundschaft setzen gemeinsame Werte voraus. Die Einheit der Kirche ist grundlegend eine Einheit in der Wahrheit. Das setzt die Überwindung der Gegensätze in der Lehre und der gegenseitigen Lehrverurteilungen voraus. Die Formeln können im Einzelfall unterschiedlich sein, nicht jedoch der Inhalt des Glaubens. Deshalb sind die offiziellen und nicht offiziellen bilateralen und multilateralen Dialoge auch in Zukunft unverzichtbar. Die katholische Kirche führt derzeit neben vielen regionalen und lokalen Dialogen auf Weltebene 16 bilaterale Dialoge und steht damit weit vorne an der Spitze. Man sollte das nicht als Konsensökumene abtun. Um was anderes soll es denn gehen als um Konsens?

Das Herz und die Seele der Ökumene sind freilich nicht akademische Dialoge sondern die geistliche Ökumene (UR 8). Gemeint ist nicht eine sentimentale Schwarmgeisterei, sondern ein Leben im und aus dem Hl. Geist, welcher der Geist Jesu Christi ist. In diesem Sinn ist die wichtigste und zukunftsweisendste Gestalt der Ökumene. Denn die Einheit der Kirche können wir nicht "machen" und nicht organisieren; sie ist ein Geschenk des Geistes Gottes. Um den Geist können wir nur bitten. Wir können die Einheit darum nicht erzwingen; der Geist wird sie uns, wenn wir inständig darum bitten, schenken, wann, wo und wie er will. Nicht umsonst ist der für die Ökumene grundlegende Text des Neuen Testaments nicht ein Befehl oder ein Gebot sondern ein Gebet Jesu, "dass alle eins seien" (Joh 17,21). Die ökumenische Bewegung besteht letztlich darin, sich dieses Gebet Jesu zu eigen machen sich ihm anschließen und so im Namen Jesu zu beten, dass alle ein sind. Das Zentrum ökumenischen Bemühungen ist darum die Gebetswoche um die Einheit der Chrisen (18.-25. Januar).

Aus dem Geist Jesu leben heißt Bereitschaft zum Umdenken, zur Erneuerung und zur Bekehrung. Es gibt keine Ökumene ohne Bekehrung, gemeint ist sowohl die individuelle Bekehrung wie die Erneuerung unserer Kirchen. Das ist das Gegenteil von konfessioneller Rechthaberei, Selbstgerechtigkeit und Selbstgenügsamkeit. Die Umkehr schließt Reinigung des historischen Gedächtnisses ein. Wir haben uns in der Geschichte gegenseitig manches Unrecht angetan; dabei liegt die Schuld meist nicht nur bei den anderen; sie ist im Allgemeinen ziemlich gleichmäßig verteilt. Wir müssen es deshalb lernen, unsere Geschichte mit versöhntem Herzen neu zu sehen. Zur Umkehr gehört weiterhin die Überprüfung der Art und Weise wie wir über einander reden, die Ausmerzung diskriminierenden und inkriminierenden Worte. Das schließt einen sachbezogenen Disput nicht aus; aber es ist ein Ärgernis, wenn Kirchenleute öffentlich gegeneinander polemisieren, und es wäre bereits ein Fortschritt, wenn dies in Zukunft unterbleiben könnte.

So geht es bei der Bekehrung nicht in erster Linie um die Bekehrung der anderen, sondern zuerst um die eigene Bekehrung. Gemeint ist nicht die Bekehrung zu den anderen; es geht also nicht darum, dass die Katholiken protestantisch oder die Orthodoxen katholisch werden; keine der traditionellen Kirchen will einen Proselytismus. Es geht um die Bekehrung aller zu Jesus Christus; in dem Maße, in dem wir in ihm eins sind, werden wir auch unter einander eins sein. Es geht darum auch nicht um eine Rückkehrökumene, wie sie uns immer wieder vorgehalten wird. Der Papst hat dem Konzept der Rückkehrökumene in Köln eine klare Absage erteilt. Bei der Bekehrung zu Jesus Christus geht es nicht um eine rückwärts gewandte sondern um eine vorwärts gewandte, zukunftsgerichtete Ökumene.

Zur geistlichen Ökumene gehört auch die Ökumene der Martyrer. Das ist ein Ausdruck, den Papst Johannes Paul II in dies Diskussion gebracht hat. Er wollte damit an die vielen Blutzeugen erinnern, die im 20. Jahrhundert in allen Kirchen ihr Leben für Christus gegeben haben. Dieses gemeinsame Zeugnis des Lebens müssen wir in Erinnerung halten. Denn wenn gilt: "Das Blut der Christen ist Same neuer Christen" (Tertullian) dann gilt auch: Das gemeinsame Blut von Christen im 20. Jahrhundert ist der Same der Einheit im 21. Jahrhundert.

Die beste Methode der Ökumene ist es, nach dem Evangelium zu leben und ein Leben nach den Seligpreisungen der Bergpredigt zu führen. Deshalb ist es erfreulich, dass sich gegenwärtig quer durch alle Konfessionen und über alle konfessionellen Grenzen hinweg geistliche Netzwerke herausbilden, die von geistlichen Bewegungen, Ordensgemeinschaften, Klöstern, Bruder- und Schwesternschaften, die es in den allen Kirchen gibt, getragen werden. So haben sich im Mai 2004 in Stuttgart etwa 10.000 meist junge Leute aus den verschiedenen Kirchen versammelt; über Satellit waren etwa 100.000 an der Begegnung beteiligt. Für das Jahr 2007 ist das nächste Treffen geplant. Dazwischen gibt es viele regionale und nationale Treffen dieser Art. Auch wenn man im Augenblick noch nicht sehen kann, wohin uns der Geist Gottes mit diesen geistlichen Netzwerken führen wird, so setze ich auf sie doch große Hoffnung.

Zum geistlichen Charakter der Ökumene gehört schließlich, dass man sich die Einheit und das Einswerden der Kirche nicht nach Art eines Zusammenschlusses und einer Fusion von weltweit agierenden Großunternehmen vorstellen darf. Die sichtbare Einheit der Kirche ist eine geistliche Größe. Es geht um Einheit durch gemeinsame Anteilhabe an denselben geistlichen Gütern, an dem einen Hl. Geist, am einen Glauben, an denselben Sakramenten und am einen Amt. Wie das im Einzelnen organisiert und ausgestaltet wird, ist eine Frage der menschlichen Gestaltung, in der Vielfalt möglich, ja wünschenswert ist.

In diesem Zusammenhang muss man auch auf ökumenisch wichtig gewordene Orte wie Taizé, Bari, Bose, Dombes und viele Klöster verweisen. Ich bin überzeugt, dass auf dem Weg dieser und anderer Formen: der geistlichen Ökumene der Geist Gottes etwas vorbereitet für die Zukunft der Kirche. Dort wächst etwas heran, das man in seiner Dynamik nicht so leicht überschatzen kann, auch wenn wir noch nicht sehen, wohin es im Einzelnen führt. Das können wir getrost dem Hl. Geist überlassen.

4. Den nächsten Punkt kann ich, auch wenn er wichtig ist, nur kurz andeuten. Wenn man über Grundlage, Ziel und Weg der Ökumene spricht, darf man nicht nur die allgemeinen Linien nennen; der Kirche geht es um jede einzelne je einmalige Person in ihrer konkreter Situation. In christlicher Sicht ist die einzelne Person nicht nur ein letztlich beliebiger "Fall" der Spezies Mensch. Deshalb gibt es nicht nur allgemeine Gesetze, die man auf die einzelnen schematisch anwenden muss; es gibt auch die Einzelfallgerechtigkeit, d.h. die Anwendung der allgemeinen Gesetze mit Weisheit und Klugheit, mit Milde und Barmherzigkeit.

Die Orthodoxen sprechen in diesem Zusammenhang von Oikonomie, die lateinische Tradition von Epikie (Milde), die den außergewöhnlichen und komplexen Situationen des Lebens gerecht wird. Nach Thomas von Aquin ist sie nicht die mindere sondern die höhere Gerechtigkeit. Entsprechend kennt das kanonische Recht die kanonische Billigkeit (aequitas canonica), d.h. eine Entscheidung muss recht und billig sein. Die Tradition umschreibt diese Billigkeit als "iustitia dulcore misericordiae temperata" ("Gerechtigkeit, welche durch die Süße der Barmherzigkeit gemäßigt wird'). Genau dies meint man, wenn heutzutage in schwierigen Fällen nach pastoralen Lösungen sucht. Denn Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit kann grausam sein. Summ um ius kann summa iniuria sein.

Das ist wichtig für die Frage der Zulassung von Nichtkatholiken zur Kommunion (wie auch zum Bußsakraments und zur Krankensalbung). Es gilt der Grundsatz, dass Eucharistiegemeinschaft und Kirchengemeinschaft zusammengehören. Deshalb kann es keine allgemeine Einladung zur Kommunion oder eine so genannte eucharistische Gastfreundschaft geben. Aber um des Heils des einzelnen willen kennt die katholische Kirche Kriterien für pastorale Einzelfa111ösungen. Sie finden sich CJC von 1984 (can. 844), im "Katechismus der katholischen Kirche" (1992) (Nr. 1398-1401) und im "Kompendium des Katechismus" (2005) (Nr. 293). Die Anwendung ist Sache des zuständigen Bischofs. Johannes Paul H. spricht davon ganz positiv. Für ihn handelt es sich nicht um Zugeständnisse; er sagt vielmehr, er freue sich, dass katholische Priester in solchen Einzelfällen nicht katholischen Christen die Eucharistie spenden können (UUS 46). Deshalb sollte man von dieser Möglichkeit in Zukunft angemessen Gebrauch machen. Ich bin überzeugt, dass man damit die wirklichen pastoralen Notfälle verantwortlich und barmherzig lösen kann. Die Barmherzigkeit gehört für mich ganz oben auf die Liste für die Zukunftsgestalt der Kirche.

5. Die Einheit der Kirche ist kein Selbstzweck; sie ist Instrument und Zeichen der Einheit der Menschheit (LG 1; 9 u.a.). Das ist eine gemeinsame Aussage des Ir. Vatikanischen Konzils und vieler Texte des WRK. Mit einem der Bibel entnommenen Buchtitel von Kardinal Ratzinger könnte ich auch sagen: Das Christentum muss "Salz der Erde" (Mt 5,13) sein. Dazu gehören viele Aspekte, von denen ich hier nur einige andeuten kann.

An erster Stelle möchte ich den interreligiösen Dialog (mit Muslimen, Hindus, Buddhisten u.a.) nennen. Sie leben heute nicht mehr nur in fernen Ländern sondern mitten unter uns. Der Dialog mit ihnen ist eine unerlässliche Voraussetzung des friedlichen Zusammenlebens. Man sollte freilich nicht von einer Religionsökumene sprechen und den interreligiösen Dialog nicht als Makro-Ökumene bezeichnen. Denn im Unterschied zum ökumenischen Dialog kennt der interreligiöse Dialog weder die gemeinsame Grundlage, den Glauben an Jesus Christus, noch das gemeinsame Ziel, die sichtbare Einheit. Deshalb sind beide notwendig, aber es besteht zwischen beiden ein qualitativer Unterschied.

Von besonderer Bedeutung ist der Dialog mit dem religiösen Judentum. Das Judentum steht in einem Verhältnis zum Christum wie sonst keine andere Religion. Die Juden sind unsere älteren Brüder im Glauben Abrahams. Das Judentum gehört daher zu den Wurzeln des Christentums. Jesus selbst, seine Mutter Maria, die Apostel waren Juden. Die Geschichte des Verhältnisses zwischen Juden und Christen ist freilich schwierig, komplex und weithin schmerzlich. Um so erfreulicher ist es, dass wir gerade in diesen Wochen, in denen wir den 40. Jahrestag der Konzilserklärung zum Verhältnis zu den Juden (Nostra aetate, 4) begehen, feststellen können, dass sich in den religiösen Beziehungen zum Judentum ein grundlegender Wandel zum Positiven vollzogen hat und sich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit anbahnt.

Neben dem interreligiösen Dialog gehört zum universalen Weltauftrag die Weltmission. Die Kirche ist ihrem Wesen nach missionarisch (AG 2). Mission und Ökumene waren von Anfang der ökumenischen Bewegung an gleichsam Zwillinge. Ein wesentlicher Impuls der ökumenischen Bewegung war die Einsicht, dass die Spaltung der Christenheit einer der schwersten Hindernisse der Weltmission ist. Das bedeutet, dass der Dialog den missionarischen Auftrag nicht ersetzen kann. Im Gegenteil, er will ihn ermöglichen. Die ökumenische Bewegung wird darum nur dann neue Kraft schöpfen, wenn auch der missionarische Elan wieder erstarkt. Das Christentum seinen missionarischen Schwung zurückgewinnen, wenn es dem Auftrag Jesu gerecht werden will und wenn es gegenüber dem Vordringen des Islam, der pentekostalen Bewegungen und der Sekten nicht ins Hintertreffen kommen will. Das ist eine der elementarsten Aufgaben für die Zukunft der Kirche.

Schließlich gehört zum universalen Auftrag der Kirche auch das gemeinsame praktische Zeugnis für die Durchsetzung und Wahrung der Menschenrechte, für die Heiligkeit des Lebens, für soziale Gerechtigkeit und Frieden sowie für die Bewahrung der Schöpfung. Solche Zusammenarbeit im sozialen und politischen Bereich sowie in der Entwicklungsarbeit, im Katastropheneinsatz u.a. hat sich bei uns in Deutschland (wie ökonomisches sondern auch ein ökumenischen Problem. Sie wird nur möglich sein, wenn es gelingt, die orthodoxen Kirchen mit ins Boot zu nehmen.

Umgekehrt gilt ebenso, dass in dem Maße als die Länder Osteuropas sich für Europa öffnen, auch viele der psychologisch-kulturellen Barrieren entfallen, welche das ökumenische Problem bisher so schwierig gemacht haben. Während früher die Politik uns gespalten hat, kann sie uns heute zusammenführen.

Ähnliches gilt von der westlichen Kirchenspaltung. Auch sie war nicht nur eine Glaubensspaltung; die Glaubensspaltung hat vielmehr nachhaltige Spuren in den Kulturen und in den Milieus der katholischen und protestantischen Länder Europas hinterlassen, einschließlich vieler Aversionen und Emotionen, die es zwischen ihnen leider bis zu einem gewissen Grad teilweise noch immer gibt. Das Verhältnis von Polen und Russen ist dafür nur ein Beispiel, die Situation in Nordirland ein anderes, von der herzlichen Zuneigung zwischen Bayern und Preußen gar nicht zu reden. Inzwischen sind die konfessionellen Milieus durch die Migrationsbewegungen und durch die Säkularisierung weitgehend am Abschmelzen. Aber die sich herausbildende Einheitszivilisation erreicht, wie jüngste politische Entwicklungen zeigen, nicht wirklich die Herzen der Menschen. Letztlich kann die europäische Einigung nur gelingen, wenn Europa nicht nur eine Art wirtschaftliche Freihandelszone ist; Europa wird von den Menschen nur dann innerlich angenommen werden, wenn Europa eine Seele hat (Jacques Delors).

Was anderes aber kann diese Seele, was anders die Identität Europas sein, wenn nicht das Christentum? Daraus ergibt sich die Verantwortung der Kirchen, im Interesse Europas und seiner Integration zusammenzuarbeiten um die christlichen Wurzeln dieses Kontinents wieder deutlich zu machen und sie wieder zum Blühen zu bringen. Das ist nur ökumenisch gemeinsam möglich. Auch deshalb ist Zusammenarbeit der Kirchen in Europa in politischen und sozialen Fragen angesagt. Die Zusammenarbeit zwischen der Konferenz der katholischen europäischen Bischofskonferenzen mit der Konferenz der nichtkatholischen europäischen Kirchen ist noch verbesserungsfähig. Es gibt zu dem Weg der Ökumene, den die Kirche vor 40 Jahren eingeschlagen hat, keine Alternative. Es gibt für diesen Weg aber eine Verheißung und eine Hoffnung. Der Geist Gottes, der diesen Weg angestoßen hat, ist treu, und er st immer wieder für Überraschungen gut. Gehen wir also den Weg der Hoffnung in Geduld, welche die kleinere Schwester der Hoffnung ist. Wir werden dann nicht enttäuscht werden.


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