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 published: 2005-05-10

"Wir sollten missionarischer werden!"

Kardinal Francisco Javier Errázuriz Ossa im Gespräch über Johannes Paul II., Benedikt XVI und die Ereignisse in Rom - 2. Teil

Cardenal Francisco Javier Errázuriz, Misa en el Santuario Original

Cardinal Francisco Javier  Errázuriz, Mass in the Original Shrine

Kardinal Francisco Javier Errázuriz, Messe im Urheiligtum

 
 

Entrevista en Monte Sión

Interview at Mount Sion

Interview auf Berg Sion

 
 

Entrevista en Monte Sión

Interview at Mount Sion

Interview auf Berg Sion

Fotos: POS Fischer © 2005

 
Vor der Rückkehr nach Chile am 1. Mai nach der Teilnahme am Konklave in Rom, war Kardinal Francisco Javier Errázuriz, Erzbischof von Santiago de Chile und Vorsitzender der des Rates der Lateinamerikanischen Bischofskonferenzen (CELAM), am 29./30. April zu Besuch in Schönstatt, wo er eine Messe im Urheiligtum feierte und mit seiner Gemeinschaft der Schönstattpatres zusammentraf. Zwischendrin gab er PressOffice Schönstatt ein langes Exklusiv-Interview (Teil 1). Wir veröffentlichen hier den zweiten Teil.
  • Können Sie ein paar persönliche Erlebnisse mit dem neuen Papst berichten?

Ja, ich möchte gern ein paar kleine Begebenheiten erzählen. Die Wohnung, seine Papstwohnung war noch nicht fertig – wahrscheinlich musste mach streichen, und auch Platz schaffen für seine vielen Bücher, und so! Doch man hatte für ihn eine Wohnung in der Nähe der Papst-Wohnung eingerichtet. Aber nein, er blieb in dem Haus, wo das Konklave war, er ging zu Tisch mit den anderen Kardinälen, hat sie begrüßt als einfacher Mann... Interessant! Er musste arbeiten, er musste einige Predigten vorbereiten, dazu ging er zu seiner alten Wohnung, außerhalb vom Vatikan, und hat dort zwei, drei Stunden gearbeitet. Schön ist auch das erste, das er gemacht hat, als er zu diesem Gebäude kam: Er ging von Tür zu Tür der andren Wohnungen und hat alle Schwestern begrüßt, die in den Häusern der Kardinäle arbeiten. Also: Ein Bewohner von diesem Gebäude ist Papst geworden und hat alle anderen herzlich begrüßt.

Vorgestern hatten wir als Präsidium des Bischofsrates von Lateinamerika eine Audienz bei ihm. Da bleibt er nicht am Schreibtisch sitzen und wartet nicht, bis wir hereinkommen, nein, er geht heraus aus dem Saal, begrüßt jeden einzelnen und lädt ein, hereinzugehen. Nach der Audienz gingen wir heraus, haben miteinander gesprochen... Auf einmal hören wir: der Papst kommt. Zu Fuß, natürlich, zum Haus Santa Marta. Nicht mit dem großen Auto, zu Fuß! Was ihm an diesem Wagen wohl überhaupt nicht gefallen wird, ist dieser kleine Thron im Auto drinnen, den wird er sicher abschaffen!!! Aber diese Einfachheit und diese Demut, das macht ihm Freude! In der Messe zur Amtseinführung wollte er zu Predigt eigentlich aufstehen, und das hätte er wohl auch gemacht, aber in diesem Augenblick hat der Zeremoniar ihm gesagt: Sitzen bleiben! In der Situation hat er das dann auch gemacht, aber wie das in der Zukunft sein wird? Sicher, die Anstrengung ist nicht so groß, wenn er sitzt, aber er wollte aufstehen!

Seine Demut macht ihn sehr sympathisch. Das ist eine Menschenfreundlichkeit, die ist ganz klar da.

  • Wie weit kennt Papst Benedikt XVI Schönstatt? Wir wissen, dass er öfter in verschiedenen Heiligtümern war. Gibt es noch weitere Verbindungen und wissen Sie, gerade auch aus Ihrer "römischen Zeit", wie er Schönstatt einschätzt?

Die Frage könnte noch viel besser die Marienschwester beantworten, die seine Sekretärin war!!!

Er kennt Verschiedenes über Schönstatt. Das erste Mal, als ich mit ihm gesprochen habe, ging es um die Vertragsweihe in den Verbänden Schönstatts. (Anmerkung: die Mitglieder der Säkularinstitute Schönstatts binden sich nur durch einen Vertrag an die Gemeinschaft, und können diesen auch gemeinschaftsintern jederzeit lösen). Da hat er ziemlich bald gesagt: Ich verstehe das nicht, aber das geht in die Richtung der größeren Freiheit, die das Konzil für jeden Christen gewollt hat, und das würde ich gern unterstützen. Ich bin bereit, eine Lanze zu brechen; wenn das für Pater Kentenich von Bedeutung war und weil es im Sinne der größeren Freiheit ist, würde ich mich gern dafür einsetzen!

Später haben wir gesprochen über die Entscheidung des Heiligen Offiziums im Oktober 1965, über unseren Vater und Gründer. Er hatte mir Zugang gegeben zu Geheimakten des Offiziums, damit ich lesen konnte, wie die entsprechende Sitzung gelaufen ist, auch, was später Kardinal Ottaviani über unseren Vater geschrieben hat, und verschiedenes mehr. Er ist ein Mann, der die Wahrheit sucht, und der Zugang zur Wahrheit gibt. Er ist nicht einer, der Privilegien verteidigt. Das macht richtig Freude!

Verschieden Male habe ich mit ihm gesprochen, immer mit größtem Wohlwollen seinerseits. Ich nehme an, dass er viel von Schönstatt weiß, aber er ist so bescheiden, dass er darüber nicht viel spricht. Man kann nicht wissen, wie viel er über Schönstatt weiß – wie über viele andere Dinge! Er ist ein Mensch, der viel studiert und der nicht vergisst, was er studiert hat.

  • Jemand sagte nach der Wahl von Papst Benedikt XVI: Jetzt glaube ich wirklich, dass der Heilige Geist wirkt... Wie haben Sie jetzt in Rom, im Konklave, das Wirken des Heiligen Geistes erlebt?

Das ist die innere Einstellung von allen Kardinälen, die ins Konklave hineingehen. Der Wahlvorgang ist einmalig. Man versammelt sich in dieser großen Kapelle, dann kommt die Allerheiligen-Litanei, die Anrufung des Heiligen Geistes, alles ist still, man hört das Evangelium, danach eine längere Ansprache, und die Art, wie der Einzelne seine Stimme abgibt, ist schon beeindruckend. Man darf vorher nichts vereinbaren und sich nicht verpflichten, weder für noch gegen einen Kandidaten. Es wird so viel Wert darauf gelegt, das exkommuniziert wird, wer um Stimmen wirbt, indem er jemanden verpflichten will, dass sie für eine bestimmte Person die Stimme abgeben, oder dass sie die Stimme für jemanden nicht abgeben. Man will Freiheit, es soll ein Raum der Freiheit sein, ein Raum, der dafür geöffnet ist, dass das Gewissen jedes Einzelnen spricht und offen ist für das Wirken des Heiligen Geistes. Wenn man die Stimme abgibt, dann steht man vor dem großen Kruzifix, und dahinter das große Gemälde vom Jüngsten Gericht. Dann muss man laut sagen: Ich nehme Gott, Jesus Christus zum Zeugen, dass ich die Stimme für die Person abgebe, von der ich meine, er sollte Papst werden. Und dann hört man dieses Gelübde 115 Mal... Das ist nur, um diesen Innenraum des Gewissens zu öffnen, damit der Heilige Geist wirkt und damit die Person gewählt wird, die Gott will. Das ist ein sehr schöner Vorgang.

  • Das ist ja gerade der Vorgang, den die Öffentlichkeit kaum begreifen kann. Ist das nicht auch ein Zeugnis dafür, dass Wahlen, Entscheidungen nicht immer nur über Parteinahme, Koalitionen und "Wahlkampf" laufen müssen?

Vor dem Konklave, als die Kardinäle zusammengekommen sind, hat man eine Sicht bekommen über die Kirche in der Welt und auch über die Situation in der Welt, in den verschiedenen Kontinenten, den verschiedenen Ländern. Die Kardinäle gaben Beiträge über die Situation in Indien, in Uganda, in Lateinamerika, in der Schweiz, überall, sodass wir ein Bild, ein Panorama bekommen haben von der Kirche in der ganzen Welt, davon, welche Auseinandersetzungen die Kirche überall führt. Das ist das Eine.

Vor dem Konklave muss jeder Kardinal außerdem Klarheit haben über die Personen, die in Frage kommen. Die Journalisten haben in dem Sinne keine reinen Dummheiten gesagt: Sie haben mit vielen gesprochen, und am Schluss haben sie eine Liste gehabt von Namen, die in Frage kamen, und im Großen und Ganzen hat die gestimmt. Man könnte sagen, gut, ich will Klarheit haben über jeden von diesen 15 Namen, die sie am meisten genannt haben. Das ist nicht einfach! Zum Beispiel interessiert, welche Einstellungen er den Bewegungen gegenüber hat, was eine besondere Rolle spielt für die Zukunft der Kirche. Wie steht es mit seiner Gesundheit? Die und die Auseinandersetzung damals, warum hat er so und so entschieden? Wie hat er die Diözese geführt? Wie war er als Vorsitzender einer Bischofskonferenz? Und viele weitere Fragen, bis man Klarheit hat über die Personen.

Nachher muss man diesen inneren Raum öffnen, damit Gott in aller Deutlichkeit spricht. Man merkt, es gibt Kardinäle, die machen ein Gesicht, dem sieht man an, dass er gar nicht weiß, wem er die Stimme geben soll. Einer sagte mir: Nach dem Vortrag, in dem dieser alte Kardinal gesprochen hat über die Wahl, da habe ich erst Klarheit gehabt, für wen ich meine Stimme abgeben soll. Es ist ein sehr religiöser Vorgang, eine wirkliche geistliche Erfahrung, die man im Konklave macht.

  • Ist der Weltjugendtag, das Vermächtnis Johannes Paul II., die Chance, die jetzt aufgebrochene Bewegung in der Kirche aufzugreife, und wie?

Ich erinnere mich an den Weltjugendtag in Paris. Die französischen Bischöfe konnten das nicht glauben, dass wirklich viele Jugendliche kommen würden; sie haben gesagt, nach Paris kommen zwischen 200.000 bis 500.000, maximal. Und auf einmal war eine Million Jugendlicher da. Sie haben nur gestaunt: Welche Anziehungskraft hat diese Person, dieser Papst? Aber richtig interessant ist, was sie danach gemacht haben. Alle Bischöfe und viele Pfarrer aus Frankreich sind zum Weltjugendtag im Jubiläumsjahr 2000 nach Rom gepilgert, um dort Jugendliche zu "fangen" für die Pfarrarbeit, weil sie in Frankreich keinen Kontakt zu ihnen hatten. Doch wo der Papst war, da waren die französischen Jugendlichen! Dann sind sie als Beichtväter dorthin gegangen, damit sie in Kontakt kamen mit den Jugendlichen. Nochmals sind sie alle nach Toronto gepilgert, um die Jugendlichen aus Frankreich, die dort waren, zu "fangen" für die französische Kirche. Das ist ein interessantes Beispiel. Die waren offen, sie haben sich gesagt: Das ist ein Phänomen, wir müssen das auffangen, gehen wir dorthin, wo der Papst ist, damit wir Kontakt mit unserer Jugend bekommen!

  • Viele sagen, dieser ganze Aufbruch der Pilger nach Rom, dass die Person von Johannes Paul II. so zum Strahlen kommt, und ein neuer Papst, der sich die Herzen schneller erobert, als man sich hätte denken können, das alles habe etwas zu tun mit der Einweihung des Matri Ecclesiae-Heiligtums letzten September. Erleben wir vielleicht jetzt das, worum wir damals gebetet haben? Sehen Sie da einen Zusammenhang, der vielleicht für uns als Schönstatt-Bewegung zum Auftrag wird?

Natürlich ist da ein Zusammenhang. Ich hoffe, dass wir in Schönstatt uns auf der einen Seite des geistlichen Erbes unseres Vaters und Gründers viel bewusster werden. Unser Vater hat so viele Beiträge für die Zukunft der Kirche, und für uns werden sie zu selbstverständlich. Wir sollten viel mehr Kontakt haben mit anderen Strömungen in der Kirche, mit anderen Charismen, sodass wir in aller Deutlichkeit sehen, das ist der Beitrag von Schönstatt. Und dieser Beitrag ist sehr wertvoll, und die Kirche braucht das.

Auf der anderen Seite sollten wir missionarischer werden. Nicht denken, jetzt führe ich ein gutes Leben, ich habe ein Hausheiligtum, meine Kinder beten gelegentlich zur Gottesmutter... Man muss schauen, wie viele Menschen Durst haben nach Gott, und die sollten Zugang bekommen zur Gottesmutter, denn dann finden sie zu einer tieferen Begegnung mit Christus.

Und wie gehen die Bindungen auseinander zwischen den Menschen, welche Probleme hat die Ehe zur Zeit! Mit viel mehr Mut müssen wir das verkünden, was wir als geistliches Erbe bekommen haben und schauen, dass wir uns mit vielen Bewegungen und Mitgliedern von Bewegungen verbünden, um Gutes zu erreichen in der Pfarrei, im Verein, mit den Nachbarn... Und mit der Pilgernden Gottesmutter zu denen gehen, die Gott suchen.

Es ist eine Stunde, wo der Glaube entweder zum Ferment oder zum Opfer der Geschichte wird. Man kann nicht neutral bleiben. Man muss sehr aktiv werden. So hat unser Vater das gemacht während seines ganzen Lebens! Er hat sich auseinandergesetzt mit vielen Zeitströmungen, und hat sich mit voller Kraft der Bildung der Gemeinschaften Schönstatts gewidmet. Unglaublich, wie er Menschen aufgenommen hat, wie er ihnen geholfen hat. Für uns ist klar: das Streben nach Heiligkeit muss verbunden sein mit Eifer nach Seelen, nach Erneuerung der Kirche, nach Evangelisierung.

Es ist sehr schön, wie die Diözesanpriester vielerorts schätzen, was aus Schönstatt kommt, allein schon die Beschäftigung mit den Zeitströmungen, das machen sie normalerweise nicht, und da erkennen sie etwas Wichtiges. Oder in der Pastoralpädagogik die Bedeutung der Freiheit, die Gebundenheit in Idealen... Das sind Beiträge von Schönstatt, die sehr geschätzt werden, aber – wir müssen sie geben, überzeugt geben!



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Last Update: 10.05.2005 Mail: Editor /Webmaster
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