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 published: 2005-05-10

Das Gedenken an die Katastrophe

Sechzig Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges

Alemania hace 60 ańos ...

Germany, 60 years ago...

Deutschland vor sechzig Jahren...

Foto: Archiv © 2005

 
 

P. José Kentenich como prisionero en el campo de concentración

Fr. Joseph Kentenich as prisoner in the concentration camp       

P. Josef Kentenich als Gefangener im KZ Dachau

 
 

Mayo de 1945: el Padre Kentenich, liberado del campo de concentración, trata de volver a Schoenstatt

May 1945: Father Kentenich, freed from the concentration camp, is searching ways to return to Schoenstatt in post-war Germany

Mai 1945: Pater Kentenich, aus dem KZ Dachau entlassen, sucht nach Wegen, im Nachkriegsdeutschland nach Schönstatt zurückkehren zu können.

 
   

ZEIT-THEMEN, P. Dr. Joachim Schmiedl. "Ich bekunde meine Scham," so Bundeskanzler Gerhard Schröder auf der Gedenkveranstaltung zum Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz. Sechzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wird die Nation, von deren Boden unsägliches Leid ausgegangen ist, wieder einmal mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Die Perspektive verschiebt sich dabei ein wenig von der Scham über die eigenen Taten zur Wahrnehmung der Leiden im Umfeld des Kriegsendes.

Die Bombenangriffe auf die deutschen Städte, die schrecklichen Erlebnisse angesichts der Vertreibung aus der alten Heimat, die Erfahrungen der Kriegsgefangenschaft und der binnendeutschen Zusammenbruchsgesellschaft kommen von neuem hoch und bedürfen einer erneuten Erinnerung und Verarbeitung. Noch einmal der Bundeskanzler: "Die überwältigende Mehrheit der heute lebenden Deutschen trägt keine Schuld am Holocaust. Aber sie trägt eine besondere Verantwortung." Auf diese Verantwortung machen auch die deutschen Bischöfe in ihrem Schreiben zum gleichen Anlass aufmerksam. Sie sprechen von nach wie vor wirksamen "Mechanismen der Verdrängung", von einer Mitschuld, welche "die Mitläufer und alle diejenigen, die weggesehen haben", auf sich geladen haben.

Schönstatt: An vielen Stellen selbst Opfer geworden

Wenn die Schönstatt-Bewegung auf die Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs zurück blickt, tut sie das im Bewusstsein, an vielen Stellen selbst Opfer des Hitler-Regimes geworden zu sein. Die Seligsprechung des vor 60 Jahren im KZ Dachau zum Priester geweihten Karl leisner wird als kirchliches Siegel auf diese Selbsteinschätzung empfunden. Man kann hinweisen auf Frauen und Männer, die in Gefängnis und Konzentrationslager vieles erleiden mussten, daran gestorben sind oder bewusst umgebracht wurden. Namen wie lotte Holubars, Franz Reinisch, Albert Eise und Heinrich König, aber auch von Überlebenden wie Josef Fischer und Heinz Dresbach stehen für eine Linie des Widerstands, der sich nicht im lauten Protest äußerte, sondern in der stillen Bewältigung der lebensverhältnisse und ihrer Deutung aus dem Glauben an die geschichtsmächtige Nähe eines liebenden und doch fordernden Gottes. Für sie alle war die klare Zeitdeutung ihres Gründers, P. Joseph Kentenich, Richtschnur und Halt.

Doch gilt es auch hier, sich der Ambivalenz menschlicher Existenz zu stellen. Im Fall der Schönstatt-Bewegung macht sie sich fest an Ferdinand Duchene. Im August 1919 gehörte er zu den Teilnehmern der Gründungstagung des Apostolischen Bundes in Dortmund-Hörde. Ende der 1930er Jahre verließ er die Gesellschaft der Pallottiner und gab sein Priestertum auf. Er wurde Mitarbeiter in Heinrich Himmlers Reichssicherheitshauptamt, wo er zeitweise in der Kirchenabteilung tätig war. Aus dem Umfeld der Schönstatt-Bewegung ist das bis jetzt ein Einzelfall.

"Ich habe mich zurückgezogen, wo ich hätte kämpfen müssen"

In einer Vortragsreihe Ende April 1946 setzte sich P. Kentenich mit den damals und heute ventilierten Vorwürfen einer deutschen Kollektivschuld auseinander. Der Begriff selbst erschien aus theologischer Perspektive unglücklich gewählt, weil Schuld eine persönliche innere Zustimmung voraussetzt und "Kollektiv" das Fehlen gerade dieser Persönlichkeit mit der Möglichkeit zur freien Entscheidung suggerierte. Dennoch argumentierte Kentenich nachdenklich: "Ich meine, ungezählt viele müssten (sich) doch an die Brust klopfen."( Religionspädagogische Vorträge in Rottenmünster (29. April bis 1. Mai 1946), in: Kentenich, Josef: Das katholische Menschenbild. Bearbeitet von Herta Schlosser, Vallendar 1997, 155.)

Er wies auf die Mitschuld der Deutschen hin, die Hitler durch Wahl an die Macht gebracht hätten. Falsche Hoffnungen seien durch den Abschluss des Reichskonkordats geweckt worden, Zeichen diplomatischer Höflichkeit in der Öffentlichkeit missverstanden worden. In die Richtung einer Schuld zeigte auch das alltägliche Verhalten: "Ich habe mich zurückgezogen, wo ich hätte kämpfen müssen. [...] Wir haben mit und durch die anderen gefehlt, wir haben falsche Strömungen unterstützt oder sind nicht dagegen angegangen."

Für das konkrete Verhalten, das erhobenen oder gesenkten Hauptes beurteilt werden mag, können viele Gründe namhaft gemacht werden. Die entscheidende Zukunftsfrage ist und bleibt jedoch die nach der inneren Bewältigung. Die deutschen Bischöfe weisen auf Personen hin, die in wissenschaftlicher (Viktor Frankl) und dichterischer Form (Elie Wiesel, Paul Celan, Primo Levi, Imre Kertesz, Louis Begley) den Nachgeborenen den "Blick in die Abgründe menschlicher Existenz und zugleich Möglichkeiten der Auseinandersetzung eröffnet" haben.

Gott der Geschichte, Gott der Gnade

Hilfen zur Bewältigung finden sich bei P. Kentenich viele. Sie stellen die historischen Fakten in den Kontext einer großen geschichtstheologischen Deutung. Unter Berufung auf die Johannes-Offenbarung sieht Kentenich Geschichte als Teil eines apokalyptischen Ringens zwischen Gut und Böse. Der Mensch ist Mitspieler, seine Rolle bemisst sich je nach seiner Entscheidung für oder gegen den guten Gott. Kentenich war nie bereit, etwas von der Ernsthaftigkeit und den Konsequenzen der menschlichen Freiheit zurück zu nehmen. Deshalb zog er auch die Möglichkeit des Scheiterns in Betracht - für den Einzelnen und für ein ganzes Volk. Doch apokalyptische Szenerien standen für Kentenich immer im größeren Kontext der Gnadentheologie. Für menschliche und gesellschaftliche Zusammenbrüche galt ihm das Mitleid Jesu mit den hungrigen Menschen (Mk 8,2) als Richtschnur. Mit Paulus sah er den Sinn scheinbar unverständlicher Ereignisse, menschlicher Sünde und sündiger Strukturen darin, .um sich aller zu erbarmen" (Röm 11,32). Jenseits aller Bemühungen um Verstehen des Unbegreifbaren und Erklären menschlichen Scheiterns und persönlicher wie politischer Schuld kann der gesellschaftliche Zusammenbruch, dessen Höhepunkt vor 60 Jahren erreicht wurde, eine Einladung sein, die religiöse Perspektive neu zu entdecken - damit Gott sich auch heute seines Volkes erbarmen möge.

Mit freundlicher Genehmigung von Autor und Redaktion übernommen aus: Regnum. Schönstatt International - Reflexion und Dialog, Patris-Verlag Vallendar-Schönstatt, 1, 2005, S. 1f.



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Last Update: 13.05.2005 Mail: Editor /Webmaster
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