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 published: 2005-04-08

"Die Schlange": eine Million Menschen wartet in den Straßen Roms für einen letzten Blick auf den, der in Christus ihr Vater geworden war

Mittwoch und Donnerstag in Rom: eine Stadt wird überrollt von Gläubigen aus aller Welt

Miles de peregrinos en la Plaza San Pedro

The crowds inside Bernini's "arms" of columns, looking north towards the Porta Sant'Ana (Saint Anne's gate).

Tausende von Pilgern auf dem Petersplatz

 
 

Iglesia de Jesús y María, Via del Corso. El cartel arriba de la foto del Santo Padre dice: Adios, Lolek, amigo, martir de la humandad. Que la Virgen te recibe en el umbral.

The Church of Jesus and Mary (Gesù e Maria) on the Via del Corso. The message above the Pope's picture says: "A Dio, Lolek, amico, martire dell'umanità. Maria ti accolga sulla soglia", that is, "Goodbye (lit. 'to God') Lolek, friend, martyr of humanity. May Mary welcome you on the doorstep')".

Kirche Gesú e María auf dem Via del Corso. Der Text über dem Papstfoto heißt: Adio, Lolek, Freund, Märtyrer der Menschlichkeit. Möge Maria dich auf der Schwelle empfangen.“

 
 

Cartel de la diocesis de Roma: Adios, Santo Padre.

Diocese: Goodbye, Holy Father

Plakat der Diözese Rom: Danke, Heiliger Vater

 
 

Seminaristas desilusionados

Disappointed seminarians

Enttäuschte Seminaristen... kein Zugang mehr.

 

Memorial popular: velas,.cartas

At the foot of a column: candles and letters in memory of the Holy Father

Spontane Gedenkstätte an einer Säule

 
 

Una de las pantallas grande que hay en toda la ciudad

The screen is in position for tomorrow. It is already broadcasting live TV from Saint Peter's: this is the inside of the cupola (dome) over the place where the Holy Father's body is lying.

Einer der Großbildschirme, über die schon tagelang live aus dem Petersdom übertragen wird

Fotos: Donnelly © 2005

 

 

 

ROM, Simon Donnelly. Rom ist überrollt worden, Rom platzt aus allen Nähten, Rom ist ausgebucht in jeder Beziehung: eine Million Menschen mindestens steht Schlange, stundenlang, singend, weinend, betend, um einen letzten Blick zu werfen auf den Heiligen Vater, auf Karol Wojtyla. Dass er ein beliebter und geliebter Papst war, das hat man gewusst. Aber wie sehr er geliebt wird, und was diese Liebe in Bewegung setzt, das hat keiner geahnt. Am Mittwochabend reichte die Schlange derer, die ihn ein letztes Mal sehen wollten, vom Petersdom über die gesamte Via della Conciliazione (am Deutschen Pilgerzentrum vorbei) über die Tiberbrücke und auf der anderen Seite weit am Tiberufer hinunter... Hunderttausende allein auf der Via della Conciliazione, Hunderttausende in anderen Straßen – die Zeitungen sprechen von einer Million Menschen, die gleichzeitig in der Schlagen stehen und warten. Warten, warten, warten. Die Schlange bewegt sich zehn Meter pro Stunde vorwärts. Manche hatten am Mittwochabend noch einen Kilometer vor sich und das heißt, sie haben keine Chance mehr, die Türen des Petersdoms zu erreichen, bevor der Papst beigesetzt wird ... Und sie warten dennoch.

Die Tatsache, dass das alles möglich ist – und es wird in einer bewundernswert souveränen Art vom italienischen Staat und den örtlichen Autoritäten bewältigt – ist Italien und den Italienern zu verdanken. Sie sind an der Herausforderung gewachsen. Das ist ein größeres Ereignis als das Heilige Jahr 2000; die Organisation entsprach in vielerlei Hinsicht der von 2000, musste aber innerhalb von 48 Stunden stehen. In dieser riesigen Stadt, in der nichts normal zu funktionieren scheint, ist das Erstaunliche, wie ein deutscher Freund sagte, dass es irgendwie ... immer funktioniert! Für Deutsche oder Angelsachsen ist die italienische Bürokratie ein Albtraum. Es scheint nichts zu klappen und nicht eine einzige verlässliche Regel zu geben. Und dennoch... oder deshalb... hat die Stadt Rom innerhalb von zwei Tagen Unterkunft für Millionen erwarteter Pilger für die Beisetzung des Papstes geschaffen, plus Sicherheitsvorkehrungen, Verpflegung, Erste Hilfe, Transport...

Wir wollen Johannes Paul II. sehen!

Die Stadt kann den Menschenansturm nicht bewältigen und bewältigt ihn doch. Am Donnerstag Morgen schickte die Regierung über den Zivilschutz Millionen von SMS an alle (alle!) italienischen Handys: "Große Menschenströme. Ab Mittwoch 22.00 Uhr werden die Warteschlangen geschlossen. Am Freitag ist Rom für den gesamten Individualverkehr gesperrt. Petersplatz überfüllt. Großbildschirme auf allen Plätzen und in Tor Vergata."

Die Stadt sperrt einen Teil der südlichen Autobahnumgehung und macht einen Parkplatz daraus…

Nicht nur Hunderttausende von Italienern sind gekommen, um ihren Papst zu sehen, sondersn auch über eine Million Polen sind auf dem Weg nach Rom, um ihn zu sehen, und wenn sie ihn nicht mehr sehen, dann ihm wenigstens von sah wie möglich am Petersdom Lebewohl zu sagen. Polen sind am Morgen angekommen mit nichts als ihren Kleidern am Leib und dem Glauben, dass sie das hier irgendwie überleben werden. Zum Glück ist Frühling, und viele Polen schlafen einfach auf der Straße. Viele haben sicher Hunger, aber es macht ihnen nichts aus, wie es scheint. Die Stadt bietet kostenlos Trinkwasser an, Toiletten, Butterbrote. Doch die Polen sind einfach froh, dass sie da sind. Es ist eine Erfahrung eigener Art, durch die Straßen zu gehen und die Menschenmengen auf sich wirken zu lassen. "Wenn euer Glaube nur so groß wäre wie ein Senfkorn...". Die Stadt ist voller Senfkörner.

Pfadfinder sind da mit ihren Seelsorgern, andere Jugendgruppen mit Priestern, mit Schwestern, oder auf eigene Faust. Gruppen von Schwestern und Priestern stehen in der Schlange wie alle anderen auch und suchen keine Extrabehandlung. Ihre Solidarität ist ein anregenden Vorbild für mich. Die kroatischen Schwestern aus unserem Priesterseminar haben sieben Stunden in der Schlange gestanden, dann haben sie aufgegeben und sind zurückgekommen. Ich weiß, wie enttäuscht sie waren. Und dabei waren sie noch nicht einmal bis zur Hauptschlange gekommen, sondern noch in einer der kilometerlangen "Seitenschlangen".

Die Invasion der Gläubigen

Jeder hat eine persönliche Geschichte. Gestern Abend hielt mich eine junge Italienerin namens Sabrina an und fragte, ob ich sie zum Petersdom bringen könnte. Ich sagte, unmöglich, und sie war so enttäuscht. Sie war von irgendwo in Italien gekommen, hatte ihr Auto irgendwo abgestellt in der Hoffnung, kein Strafmandat zu bekommen. Sie dachte, das Beste wäre, einfach am Ende der Via della Conciliazione zu stehen, wo die Journalisten-Teams waren, und für ihren Papst zu beten. Sie sagte, Gottes Geist hat in ihm gelebt. Keine theologische Diskussion, einfach Tatsache für sie.

Was ich Sabrina nicht erklärt habe, ist, dass ich in der Tat versucht hatte, am Abend zuvor mit zwei befreundeten Seminaristen in den Petersdom zu kommen, die den Heiligen Vater noch ein letztes Mal sehen wollten. Unsere äußerst farbigen Soutanen beeindruckten leider niemanden. Nach manchem Feilschen und Fuchteln hatten wir fünf Sicherheitskontrollen überwunden und waren schon ziemlich nah am Petersdom. Schließlich sogar bis auf die Stufen, wo wir zurückgeschickt wurden, möglicherweise weil gerade drei amerikanische Präsidenten dem Papst die letzte Ehre erwiesen. Und keiner von ihnen katholisch!

Ich hatte das Glück, ihn am Montag zu sehen; einer der anderen schaffte es am Donnerstag morgen im Schlepptau eines Kardinals. Rotgekleidete konnten mitnehmen, wen immer sie wollten. Aber wie sahen auch einen älteren Bischof, der niemanden mitnehmen durfte. Und anstatt dann selbst durch die Seitentür hineinzuschlüpfen, kehrte er um und wartete mit seinen Freuden in der Schlange. Dieses Beispiel stiller Bescheidenheit hat uns sehr beeindruckt. Mein Freund, der nicht mehr hineinkam, meinte: "Als ich gesehen habe, wie sehr die anderen darauf warteten, hineinzukommen, wie sie bis zu 15 Stunden in der Schlange gestanden hatten, da habe ich mich nicht mehr würdig gefühlt, vor ihnen hineinzugehen."

Wenn man vom Petersplatz her Richtung Olympiastadion geht, sieht man Hunderte von Bussen neben einer riesigen Zeltstadt, wo die immer weiter nach Rom strömenden Pilger unterkommen können. Der Bürgermeister von Rom sagte heute früh in Blick auf die "Invasion der Gläubigen", wie eine Zeitung titelte: "Römer, öffnet eure Häuser!" Er bat die Römer, wie im Heiligen Jahr 2000 die Pilger privat aufzunehmen. Und sie tun es.

Überall Plakate und Aushänge zu Ehren des Papstes

Eine amerikanische Bekannte sagte mir, was sie und ihren Sohn beim stundenlangen Warten in der Schlange am meisten beeindruckt habe, sei die Ruhe der Pilger gewesen und die außergewöhnliche Höflichkeit der Stadtpolizei (was nicht so ganz typisch ist!).

Ich habe Nichtkatholiken in der Schlange gesehen, eine ganze Reihe mit von Frauen mit dem Schleier der Moslems... Seminaristen des Noramerikanischen Seminars und andere gingen mit der Menge, beteten mit den Leuten, fragten sie, woher sie kamen, machten einfach Mut. Es ist für uns Priesteramtskandidaten eine bewegende und anregende Erfahrung, den tiefen und demütig machenden Glauben der Christen zu sehen, die gekommen sind, um einfach hier zu sein.

Als wir gestern Abend den überfüllten – aber organisiert überfüllten – Petersplatz verließen, den wir am Freitagabend, als der Papst im Sterben lag, schon für voll hielten, blieben wir immer wieder stehen und schauten auf Kerzen und Karten, die Menschen am Fuß von Säulen und Laternen abgelegt hatten; Menschen, die ihn lieb gehabt haben, wollten etwas für ihn und von ihm dalassen. Es waren innige, sehr persönliche Zeichen. Das sind nicht höfliche Ehrerweisungen für einen fernen König, sondern Worte der Liebe und Zuneigung zu einem, der ihrem Herzen sehr nah gewesen ist.

Kirchen und Geschäfte sind voller Zeichen des Dankes und Abschiedes. Um dem Heiligen Vater Ehre zu erweisen, hängen Poster an den Wänden von Gruppierungen, deren Namen so klein geschrieben sind, dass man sie nicht lesen kann. Sie gelten ihm, nicht der Selbstdarstellung. Die Botschaft ist einfach: "Danke. Wir vermissen dich so sehr. Lebewohl." Die Plakate der Stadt Rom sagen: "Danke. Rom weint und grüßt seinen Heiligen Vater."

Auf der Via del Corso, einer bekannten Touristenstraße, hängt an der kleinen Kirche Gesù e Maria ein Plakat: A Dio, Lolek, amico, martire dell’umanità. Maria ti accolga sulla soglia: "Auf Wiedersehen, Lolek, Freund, Märtyrer der Menschlichkeit. Möge Maria dich auf der Türschwelle empfangen." Lolek, so hat man Karol Wojtyla als Kind gerufen. Das Plakat der Diözese Rom sagt einfach: "Danke, Heiliger Vater. – Deine Diözese."

Die Hoffnung und Freude des katholischen Glaubens feiern

Auf den großen Plätzen, Piazza Popolo, Piazza Navona, Piazza Risorgimento, und in Tor Vergata (inzwischen umbenannt in "Giovanni Paolo II"), sind 25 Großbildschirme aufgebaut für die Beisetzung am Freitag, so dass alle teilnehmen können. Nicht nur das Leben von Karol Wojtyla werden wir feiern, sondern die ganze Hoffnung und Freude des katholischen Glaubens.

Und die Neinsager, diejenigen, die immer schon und immer noch schlecht gesprochen haben über dieses Pontifikat, die kommen in Erklärungsnot angesichts der Welle der Sympathie und Zuneigung, die alle Behauptungen von den "großen Zahlen" von Katholiken, denen dieses Pontifikat nicht gepasst hat, hinwegschwemmen. Manche Fernsehsender von außerhalb Italiens bringen rund um die Uhr Berichte aus Rom. Es macht Freude, zu sehen, wie sie dabei irgendwie sprachlos vor dem Phänomen stehen. Wie sagt CS Lewis? Die Freude hat uns überrascht. Es ist eine schöne Ironie des Schicksals. Niemand hat dieses Ausmaß von Schmerz und Freude erwartet. Und nun müssen alle Medien davon berichten, denn ein Ereignis, an dem fünf Millionen Menschen teilnehmen, kann man nicht totschweigen.

Dieser kleine Mann aus dem kleinen Ort vor Krakau hat ein ganzes Land – Polen – und Teile eines anderen Landes – Italien, mit seiner gesamten Hauptstadt – im wahrsten Sinne des Wortes zum Stillstand gebracht.

Manche außerhalb des Geschehens hier fangen an, über den neuen Papst zu spekulieren. Das wird hier fast als Sakrileg empfunden. Morgen werden wir erst, mit Tränen in den Augen, unseren lieben Papst Johannes Paul II., den Großen, wie ihn heute der Leiter des Zivilschutzes, Guido Bertolaso, genannt hat, zu Grabe tragen. Erst dann denken wir an andere Dinge.



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